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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Solche Erfolge verdankt die Kunst, in erster Linie die deutsche, einem
einzigen Manne, seiner Thatkraft und der Folgerichtigkeit seines Handelns.
Sie genügen, den Namen Chrysanders zu erhalte". Er hat aber bei der
Arbeit um Händel, gewissermaßen beiläufig, uoch eine Menge andrer bedeutender
Leistungen zu Tage gefördert oder angeregt. Durch ihn kam Karl Riedel ans
Schütz, auf seine Ausführungen und Bearbeitungen einzelner Werke dieses
Meisters. Durch Chrysander wurde anch Spitta zur Gesamtausgabe der
Werke Heinrich Schützers veranlaßt. Auch der Bachgesellschaft hat Chrysander
seinerzeit für ihre Ausgabe das lange ersehnte Autograph von Bachs H-M011-
Messe verschafft. Chrysander ist der Vater der heutigen "Denkmäler der
deutschen Tonkunst," mittelbar auch der verwandten österreichischen Publikation.
Was wir an guten Neudrucken Cvupvrins, Corellis, Stradellas, des jüngern
Muffat haben, alles geht auf Chrysauder zurück. Seine Aufsätze in der ge¬
nannten Vierteljahrsschrift, in der ehemaligen, jahrelang von ihm redigirten
Allgemeinen Musikalischen Zeitung gehören zu dem Vesten, was die musikalische
Publizistik aufzuweisen hat. Goldne, wahrhaft freisinnige Worte und Wahr¬
heiten und ein Lessingschcr Stil schützen sie vor jedem Veralten. Möchte sie
bald ein Verleger sammeln und bequemer nutzbar machen.

Bei seinem an Antike und Nennissamezeit erinnernden Unabhängigleitsdrang,
bei seiner Hingebung an die eine Lebensarbeit hatte Chrysander Ämter und Stel¬
lungen verschmäht. Was würde er von einem Universitütskatheder aus für
eine Schule gegründet haben! Doch trösten wir uns; sie wird und muß sich
auch aus seinen Arbeiten bilden. Möge es dem verehrten Manne vergönnt
sein, noch viele Jahre zu wirken und sich seines Wirkens zu freuen!


H. Rretzschmar


Evangelisch-sozial

le bei alten politischen Parteien die Schlagwörter das dauerndste
sind und vor allem ihr Name noch lange als Schlachtruf ge¬
braucht wird, wenn er schon längst andre Gedanken und Pläne
als die ursprünglichen deckt, so pflegt bei neu entstehenden Par¬
teien, so bald erst aus dem unklaren Gewoge verschiedner Ideen
^u faßlicher Name auftaucht, von Freunden wie Feinden alles mit ihm ver¬
bunden zu werden, was hie und da von einzelnen, bedeutenden Männern der
Bewegung vertreten wird. Eine Bewegung gar, die es noch nicht oder nur
teilweise zu einer politischen Parteibildung gebracht hat, in der noch mancherlei
widerstrebende Kräfte thätig sind, wird deshalb der wunderlichsten Beurteilung


Solche Erfolge verdankt die Kunst, in erster Linie die deutsche, einem
einzigen Manne, seiner Thatkraft und der Folgerichtigkeit seines Handelns.
Sie genügen, den Namen Chrysanders zu erhalte». Er hat aber bei der
Arbeit um Händel, gewissermaßen beiläufig, uoch eine Menge andrer bedeutender
Leistungen zu Tage gefördert oder angeregt. Durch ihn kam Karl Riedel ans
Schütz, auf seine Ausführungen und Bearbeitungen einzelner Werke dieses
Meisters. Durch Chrysander wurde anch Spitta zur Gesamtausgabe der
Werke Heinrich Schützers veranlaßt. Auch der Bachgesellschaft hat Chrysander
seinerzeit für ihre Ausgabe das lange ersehnte Autograph von Bachs H-M011-
Messe verschafft. Chrysander ist der Vater der heutigen „Denkmäler der
deutschen Tonkunst," mittelbar auch der verwandten österreichischen Publikation.
Was wir an guten Neudrucken Cvupvrins, Corellis, Stradellas, des jüngern
Muffat haben, alles geht auf Chrysauder zurück. Seine Aufsätze in der ge¬
nannten Vierteljahrsschrift, in der ehemaligen, jahrelang von ihm redigirten
Allgemeinen Musikalischen Zeitung gehören zu dem Vesten, was die musikalische
Publizistik aufzuweisen hat. Goldne, wahrhaft freisinnige Worte und Wahr¬
heiten und ein Lessingschcr Stil schützen sie vor jedem Veralten. Möchte sie
bald ein Verleger sammeln und bequemer nutzbar machen.

Bei seinem an Antike und Nennissamezeit erinnernden Unabhängigleitsdrang,
bei seiner Hingebung an die eine Lebensarbeit hatte Chrysander Ämter und Stel¬
lungen verschmäht. Was würde er von einem Universitütskatheder aus für
eine Schule gegründet haben! Doch trösten wir uns; sie wird und muß sich
auch aus seinen Arbeiten bilden. Möge es dem verehrten Manne vergönnt
sein, noch viele Jahre zu wirken und sich seines Wirkens zu freuen!


H. Rretzschmar


Evangelisch-sozial

le bei alten politischen Parteien die Schlagwörter das dauerndste
sind und vor allem ihr Name noch lange als Schlachtruf ge¬
braucht wird, wenn er schon längst andre Gedanken und Pläne
als die ursprünglichen deckt, so pflegt bei neu entstehenden Par¬
teien, so bald erst aus dem unklaren Gewoge verschiedner Ideen
^u faßlicher Name auftaucht, von Freunden wie Feinden alles mit ihm ver¬
bunden zu werden, was hie und da von einzelnen, bedeutenden Männern der
Bewegung vertreten wird. Eine Bewegung gar, die es noch nicht oder nur
teilweise zu einer politischen Parteibildung gebracht hat, in der noch mancherlei
widerstrebende Kräfte thätig sind, wird deshalb der wunderlichsten Beurteilung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/85>, abgerufen am 01.09.2024.