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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe Seumes

Dies sind die Ergebnisse einer fünfundzwanzigjährigen Arbeit, bei einem
sehr kleinen und von vielen Schwierigkeiten umgebnen Anfang. Die Gründer
und Leiter der Hochschule können gewiß damit zufrieden sein. Bei dem
engen Zusammenhang, der an ihr zwischen Lehrern und Schülern gepflegt wird,
und dem ungeheuern Einfluß, den persönliche Beziehungen gerade in Frankreich
mehr als anderswo ausüben, eröffnet sich für die Hochschule die Aussicht auf
eine bedeutende Zukunft. Außerhalb Frankreichs bis jetzt so gut wie unbekannt,
wird sie ohne Zweifel auch bei uns bald die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.




Ungedruckte Briefe Seumes
Louise Devrient Mitgeteilt von

in Jahre 1880 habe ich in der Monatsschrift "Unsre Zeit" einige
in meinem Besitz befindliche Briefe und Gedichte Seumes ver¬
öffentlicht, die sehr freundliche Aufnahme fanden. Einige weitere
glaubte ich damals noch zurückhalten zu müssen, und doch waren
das gerade die schönsten und bedeutendsten, die sich erhalten
haben, wahre Perlen der Brieflitteratur jener Zeit. Nachdem ich die Be¬
denken, die mich damals von der Veröffentlichung auch dieser Briefe ab¬
hielten, habe fallen lassen können, übergebe ich auch sie jetzt noch der Öffent¬
lichkeit. Zu ihrem Verständnis und ihrer Würdigung werden wenige Worte
genügen. Die Briefe sind gerichtet an Johanna Loth, die Tochter des Leip¬
ziger Ratsherrn, Kauf- und Handelsherrn und Besitzer des Gutes Hohenstädt
bei Grimma Christian Heinrich Loth, einer davon auch an den Vater. Das
Verhältnis, in das uns die Briefe blicken lassen, ist das alte und doch ewig
neue: Seume geht jahrelang in dem Lothschen Hanse ein und aus und unter¬
richtet die Tochter; dabei keimt in dem um zwanzig Jahre ältern Manne eine
stille, hoffnungsvolle Neigung zu dem liebenswürdigen jungen Mädchen auf,*)
die dann plötzlich eine bittere Enttäuschung erfährt, als sich Johanna zu Weih¬
nachten 1804 mit einem Leipziger Kaufmann D. verlobt. Seume hält es
für seine Pflicht, seine Anschauung über diese Wahl offen auszusprechen, und
sührt diese Pflicht der Tochter wie dem Vater gegenüber mutig aus. Aber
wenn auch seine Liebe unerwidert blieb, so dauerte doch die herzliche, dankbare
Zuneigung der Schülerin zu ihrem Lehrer bis zu dessen Tode (1810) fort,
wie einige Briefe zeigen, die Seume später noch an die glückliche Gattin
und Mutter gerichtet hat.



1 Seume war um 2". Januar- 17l!8, Johanna Loth'am 21/August 1784 geboren.
Ungedruckte Briefe Seumes

Dies sind die Ergebnisse einer fünfundzwanzigjährigen Arbeit, bei einem
sehr kleinen und von vielen Schwierigkeiten umgebnen Anfang. Die Gründer
und Leiter der Hochschule können gewiß damit zufrieden sein. Bei dem
engen Zusammenhang, der an ihr zwischen Lehrern und Schülern gepflegt wird,
und dem ungeheuern Einfluß, den persönliche Beziehungen gerade in Frankreich
mehr als anderswo ausüben, eröffnet sich für die Hochschule die Aussicht auf
eine bedeutende Zukunft. Außerhalb Frankreichs bis jetzt so gut wie unbekannt,
wird sie ohne Zweifel auch bei uns bald die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.




Ungedruckte Briefe Seumes
Louise Devrient Mitgeteilt von

in Jahre 1880 habe ich in der Monatsschrift „Unsre Zeit" einige
in meinem Besitz befindliche Briefe und Gedichte Seumes ver¬
öffentlicht, die sehr freundliche Aufnahme fanden. Einige weitere
glaubte ich damals noch zurückhalten zu müssen, und doch waren
das gerade die schönsten und bedeutendsten, die sich erhalten
haben, wahre Perlen der Brieflitteratur jener Zeit. Nachdem ich die Be¬
denken, die mich damals von der Veröffentlichung auch dieser Briefe ab¬
hielten, habe fallen lassen können, übergebe ich auch sie jetzt noch der Öffent¬
lichkeit. Zu ihrem Verständnis und ihrer Würdigung werden wenige Worte
genügen. Die Briefe sind gerichtet an Johanna Loth, die Tochter des Leip¬
ziger Ratsherrn, Kauf- und Handelsherrn und Besitzer des Gutes Hohenstädt
bei Grimma Christian Heinrich Loth, einer davon auch an den Vater. Das
Verhältnis, in das uns die Briefe blicken lassen, ist das alte und doch ewig
neue: Seume geht jahrelang in dem Lothschen Hanse ein und aus und unter¬
richtet die Tochter; dabei keimt in dem um zwanzig Jahre ältern Manne eine
stille, hoffnungsvolle Neigung zu dem liebenswürdigen jungen Mädchen auf,*)
die dann plötzlich eine bittere Enttäuschung erfährt, als sich Johanna zu Weih¬
nachten 1804 mit einem Leipziger Kaufmann D. verlobt. Seume hält es
für seine Pflicht, seine Anschauung über diese Wahl offen auszusprechen, und
sührt diese Pflicht der Tochter wie dem Vater gegenüber mutig aus. Aber
wenn auch seine Liebe unerwidert blieb, so dauerte doch die herzliche, dankbare
Zuneigung der Schülerin zu ihrem Lehrer bis zu dessen Tode (1810) fort,
wie einige Briefe zeigen, die Seume später noch an die glückliche Gattin
und Mutter gerichtet hat.



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[0613] Ungedruckte Briefe Seumes Dies sind die Ergebnisse einer fünfundzwanzigjährigen Arbeit, bei einem sehr kleinen und von vielen Schwierigkeiten umgebnen Anfang. Die Gründer und Leiter der Hochschule können gewiß damit zufrieden sein. Bei dem engen Zusammenhang, der an ihr zwischen Lehrern und Schülern gepflegt wird, und dem ungeheuern Einfluß, den persönliche Beziehungen gerade in Frankreich mehr als anderswo ausüben, eröffnet sich für die Hochschule die Aussicht auf eine bedeutende Zukunft. Außerhalb Frankreichs bis jetzt so gut wie unbekannt, wird sie ohne Zweifel auch bei uns bald die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ungedruckte Briefe Seumes Louise Devrient Mitgeteilt von in Jahre 1880 habe ich in der Monatsschrift „Unsre Zeit" einige in meinem Besitz befindliche Briefe und Gedichte Seumes ver¬ öffentlicht, die sehr freundliche Aufnahme fanden. Einige weitere glaubte ich damals noch zurückhalten zu müssen, und doch waren das gerade die schönsten und bedeutendsten, die sich erhalten haben, wahre Perlen der Brieflitteratur jener Zeit. Nachdem ich die Be¬ denken, die mich damals von der Veröffentlichung auch dieser Briefe ab¬ hielten, habe fallen lassen können, übergebe ich auch sie jetzt noch der Öffent¬ lichkeit. Zu ihrem Verständnis und ihrer Würdigung werden wenige Worte genügen. Die Briefe sind gerichtet an Johanna Loth, die Tochter des Leip¬ ziger Ratsherrn, Kauf- und Handelsherrn und Besitzer des Gutes Hohenstädt bei Grimma Christian Heinrich Loth, einer davon auch an den Vater. Das Verhältnis, in das uns die Briefe blicken lassen, ist das alte und doch ewig neue: Seume geht jahrelang in dem Lothschen Hanse ein und aus und unter¬ richtet die Tochter; dabei keimt in dem um zwanzig Jahre ältern Manne eine stille, hoffnungsvolle Neigung zu dem liebenswürdigen jungen Mädchen auf,*) die dann plötzlich eine bittere Enttäuschung erfährt, als sich Johanna zu Weih¬ nachten 1804 mit einem Leipziger Kaufmann D. verlobt. Seume hält es für seine Pflicht, seine Anschauung über diese Wahl offen auszusprechen, und sührt diese Pflicht der Tochter wie dem Vater gegenüber mutig aus. Aber wenn auch seine Liebe unerwidert blieb, so dauerte doch die herzliche, dankbare Zuneigung der Schülerin zu ihrem Lehrer bis zu dessen Tode (1810) fort, wie einige Briefe zeigen, die Seume später noch an die glückliche Gattin und Mutter gerichtet hat. 1 Seume war um 2». Januar- 17l!8, Johanna Loth'am 21/August 1784 geboren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/613>, abgerufen am 25.11.2024.