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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Line französische Hochschule für Staatswissenschaften

Eintritt nicht verlangt; doch ist es Regel, daß die Studenten "Baccalaureaten"
sind, also die Reifeprüfung auf einem Gymnasium bestanden haben. Auch
Ausländer werden zugelassen; sie betragen gegenwärtig den zehnten Teil der
Studirenden. Unter anderm hat der Sohn des englischen Kolonialministers
Ehamberlain, der jetzt als Lord im Marineministerium sitzt, dort seine Studien
gemacht. Sonst stammen die ausländischen Hörer meist von der Valtauhalb-
msel; daneben finden sich einzelne Russen, Ägypter und Japaner.

Die meisten einheimischen Studenten verbinden mit dem dreijährigen Lehr¬
gang das Studium der Rechte an der juristischen Fakultät zur Erwerbung der
livönos oder des seit 1889 für die Berechtigung zum einjährigen Dienst er¬
forderlichen höhern Grades, des clootorsit su äroit. Andre, die in den diplo¬
matischen Dienst zu treten gedenken, erwerben wohl auch die Uesiuzs of lsttrss,
die unterste Stufe der Prüfung für das höhere Schulfach, die zwar zu einer
anssichtvollen Laufbahn darin nicht mehr ausreicht, aber -- zum großen
Ärger der Juristen -- für das Militürverhültnis denselben Vorteil gewährt
wie das clootor^t su etroit. Die lioLuocz Isttres kann wie in andern Fächern
so auch in der Geschichte erworben werden, die auch in der Prüfung für die
diplomatische Laufbahn eine besondre Rolle spielt. Es mag noch bemerkt
werden, daß manche Studenten, die sich lediglich für eine politische Laufbahn,
etwa als Journalisten und Parlamentarier oder auch für leitende Stellungen
an einem größer" Finanz-, Industrie- oder Handelsinstitut vorbereiten und auf
das Diplom der Hochschule verzichten, ihr Studium selbständig gestalten, ohne
in eine Abteilung einzutreten.

Ihre ganz unabhängige Stellung ermöglicht es der Hochschule, ihre Lehr¬
kräfte frei zu wühlen, und dabei steht ihr der ganze Reichtum um Intelligenz
Zur Verfügung, der sich in dem Brennpunkt der französischen Kultur vereinigt
findet. Man geht bei der Besetzung der Lehrstellen von dem Grundsatz aus,
jedes Fach womöglich durch Männer der Praxis vertreten zu lassen. So
finden wir neben den berühmten Namen des LiollöAg as?rMoe, der Lorbonvg
und der ^ooliz as proie, Männer aus allen Gebieten des praktischen Lebens
als Professoren: frühere und jetzige Minister, sowie hohe Beamte aus den
Ministerien, dem Rechnungshof, der Finanzinspektion, dem Staatsrat, der
Kolonialverwaltung -- mit einem Wort, aus allen Behörden, auf deren Dienst
die Hochschule vorbereiten will; dazu Vertreter des Heeres und der Marine,
des Handels, der Industrie, des Verkehrs- und des Bankwesens. Unter den
fünfzig Lehrern findet man Männer wie Albert Sorel, Levasfeur, Anatole
und Paul Leroy-Beaulieu, Charles Dupuy, Andrv Lebon, der auch als
Minister seinen Lehrstuhl nicht aufgegeben hat. Dazu uuter den Mitgliedern
des Verwaltungsrates Casimir Pvrier, im Studienrat Barthvlemy Saint-
Hilaire, Flourens, Magnin, Ribot, Hanotaux und andre, die auch über die
Grenzen Frankreichs hinaus wohl bekannt sind.


Line französische Hochschule für Staatswissenschaften

Eintritt nicht verlangt; doch ist es Regel, daß die Studenten „Baccalaureaten"
sind, also die Reifeprüfung auf einem Gymnasium bestanden haben. Auch
Ausländer werden zugelassen; sie betragen gegenwärtig den zehnten Teil der
Studirenden. Unter anderm hat der Sohn des englischen Kolonialministers
Ehamberlain, der jetzt als Lord im Marineministerium sitzt, dort seine Studien
gemacht. Sonst stammen die ausländischen Hörer meist von der Valtauhalb-
msel; daneben finden sich einzelne Russen, Ägypter und Japaner.

Die meisten einheimischen Studenten verbinden mit dem dreijährigen Lehr¬
gang das Studium der Rechte an der juristischen Fakultät zur Erwerbung der
livönos oder des seit 1889 für die Berechtigung zum einjährigen Dienst er¬
forderlichen höhern Grades, des clootorsit su äroit. Andre, die in den diplo¬
matischen Dienst zu treten gedenken, erwerben wohl auch die Uesiuzs of lsttrss,
die unterste Stufe der Prüfung für das höhere Schulfach, die zwar zu einer
anssichtvollen Laufbahn darin nicht mehr ausreicht, aber — zum großen
Ärger der Juristen — für das Militürverhültnis denselben Vorteil gewährt
wie das clootor^t su etroit. Die lioLuocz Isttres kann wie in andern Fächern
so auch in der Geschichte erworben werden, die auch in der Prüfung für die
diplomatische Laufbahn eine besondre Rolle spielt. Es mag noch bemerkt
werden, daß manche Studenten, die sich lediglich für eine politische Laufbahn,
etwa als Journalisten und Parlamentarier oder auch für leitende Stellungen
an einem größer» Finanz-, Industrie- oder Handelsinstitut vorbereiten und auf
das Diplom der Hochschule verzichten, ihr Studium selbständig gestalten, ohne
in eine Abteilung einzutreten.

Ihre ganz unabhängige Stellung ermöglicht es der Hochschule, ihre Lehr¬
kräfte frei zu wühlen, und dabei steht ihr der ganze Reichtum um Intelligenz
Zur Verfügung, der sich in dem Brennpunkt der französischen Kultur vereinigt
findet. Man geht bei der Besetzung der Lehrstellen von dem Grundsatz aus,
jedes Fach womöglich durch Männer der Praxis vertreten zu lassen. So
finden wir neben den berühmten Namen des LiollöAg as?rMoe, der Lorbonvg
und der ^ooliz as proie, Männer aus allen Gebieten des praktischen Lebens
als Professoren: frühere und jetzige Minister, sowie hohe Beamte aus den
Ministerien, dem Rechnungshof, der Finanzinspektion, dem Staatsrat, der
Kolonialverwaltung — mit einem Wort, aus allen Behörden, auf deren Dienst
die Hochschule vorbereiten will; dazu Vertreter des Heeres und der Marine,
des Handels, der Industrie, des Verkehrs- und des Bankwesens. Unter den
fünfzig Lehrern findet man Männer wie Albert Sorel, Levasfeur, Anatole
und Paul Leroy-Beaulieu, Charles Dupuy, Andrv Lebon, der auch als
Minister seinen Lehrstuhl nicht aufgegeben hat. Dazu uuter den Mitgliedern
des Verwaltungsrates Casimir Pvrier, im Studienrat Barthvlemy Saint-
Hilaire, Flourens, Magnin, Ribot, Hanotaux und andre, die auch über die
Grenzen Frankreichs hinaus wohl bekannt sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/611>, abgerufen am 26.11.2024.