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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltnngsbeamten

Verwaltung der Fall war, daß die Plenarberatungen wirklich das Spiegelbild
der Gesamtthätigkeit der Regierungsbehörde darstellen," wobei er hinzufügen
konnte, daß er selbst dieses Ziel als Regierungspräsident teilweise mit Erfolg
zu erreichen versucht habe. Damit ist von autoritativer Seite zugestanden
worden, daß der Boden der Regierungsinstruktiou verlassen worden ist. Wie
auch Massow ni. a. O. ausführt, gehen heute in der Regel die Dezernate ohne
innige Berührung neben einander her, kommen in den Sitzungen nur einzelne
schwierigere Fragen zur Beratung, aber neue Gesetze und allgemeine Ver¬
fügungen werden nicht oder nur vereinzelt besprochen; der einzelne Dezernent
bearbeitet sie, ohne zu erfahren, ob und inwieweit sie auf andre Gebiete
ein- und zurückzuwirken geeignet sind, die meisten Sachen werden ohne Korrefe¬
renten abgemacht, die Vorschrift des Z 37 der Regierungsinstruktiou, wonach
alljährlich über den Zustand und die Geschäftslage jedes Departements schrift¬
lich berichtet, und diese Berichte im Kollegium beraten werden sollen, ist
außer Übung gekommen, ebenso die im § 39 Ziffer 8 und § 42 Abs. 3 a. a. O.
vorgcsehnen Vereisungen zu allgemeiner Information (statt der heute üb¬
lichen Reisen zur Jnstruirnng einzelner Fälle). Herrscht so fast überall
Mosaikarbeit, die nicht zu umfassender Beurteilung der Zustände und zu ge¬
eigneten Vorschlägen zu ihrer Besserung, zu eigentlicher Initiative führen kann,
so macht sich das alles besonders beim Wechsel in der Person des einzelnen
Dezernenten und noch mehr beim Wechsel in der Person des Abteilungs-
dirigenten fühlbar. Den Wert allgemeiner JnfvrmationS- oder Inspektions¬
reisen hat Massow eingehend erörtert, und er hat unter Vergleichung mit den
militärischen Besichtigungen ihre Unentbehrlichkeit betont. Heute, wo der mit
den Verhältnissen in der Regel am besten vertraute Landrat in der Hauptsache
nur von Fall zu Fall oder in gelegentlichen ziemlich farblosen "Zeitungs¬
berichten" zu Worte kommt, geht seine Erfahrung der Gesamtheit verloren:
wieviel Anregung könnte von ihm ausgehen, wenn er persönliche Berührung
mit den Dezernenten der Regierung hätte! Hat man doch auch mit den Land-
ratskvnferenzen, die z. B. bei den periodischen Gebäudesteuerrcvisiouen statt¬
finden und vor Einführung des Kommnnalabgabcngesetzes angeordnet waren,
im ganzen recht befriedigende Erfahrungen gemacht. Sollte man nicht auf
diesem Wege weitergehen können, periodisch, vielleicht halbjährlich Konferenzen
zur Besprechung der Generalbcrichte und allgemeinen Zustände halten? Wie
viel Schreibwerk könnte damit erspart werden!

Kann nun auch im Plenum der Regierung oder in den Abteilungs¬
sitzungen nicht alles wichtigere vorgetragen werden, so müßten doch jedenfalls
allgemeine Verwaltungsanordnungen und neue Gesetze eingehend vorgetragen
und besprochen werden. Nur damit wäre zu erreichen, daß alle NegierungSmit-
glicder "auf dem Laufenden" erhalten blieben und nicht der Gesamtverwaltungs-
thcitigkeit abstürben, um im eignen Dezernat mehr oder weniger zu verknöchern.


Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltnngsbeamten

Verwaltung der Fall war, daß die Plenarberatungen wirklich das Spiegelbild
der Gesamtthätigkeit der Regierungsbehörde darstellen," wobei er hinzufügen
konnte, daß er selbst dieses Ziel als Regierungspräsident teilweise mit Erfolg
zu erreichen versucht habe. Damit ist von autoritativer Seite zugestanden
worden, daß der Boden der Regierungsinstruktiou verlassen worden ist. Wie
auch Massow ni. a. O. ausführt, gehen heute in der Regel die Dezernate ohne
innige Berührung neben einander her, kommen in den Sitzungen nur einzelne
schwierigere Fragen zur Beratung, aber neue Gesetze und allgemeine Ver¬
fügungen werden nicht oder nur vereinzelt besprochen; der einzelne Dezernent
bearbeitet sie, ohne zu erfahren, ob und inwieweit sie auf andre Gebiete
ein- und zurückzuwirken geeignet sind, die meisten Sachen werden ohne Korrefe¬
renten abgemacht, die Vorschrift des Z 37 der Regierungsinstruktiou, wonach
alljährlich über den Zustand und die Geschäftslage jedes Departements schrift¬
lich berichtet, und diese Berichte im Kollegium beraten werden sollen, ist
außer Übung gekommen, ebenso die im § 39 Ziffer 8 und § 42 Abs. 3 a. a. O.
vorgcsehnen Vereisungen zu allgemeiner Information (statt der heute üb¬
lichen Reisen zur Jnstruirnng einzelner Fälle). Herrscht so fast überall
Mosaikarbeit, die nicht zu umfassender Beurteilung der Zustände und zu ge¬
eigneten Vorschlägen zu ihrer Besserung, zu eigentlicher Initiative führen kann,
so macht sich das alles besonders beim Wechsel in der Person des einzelnen
Dezernenten und noch mehr beim Wechsel in der Person des Abteilungs-
dirigenten fühlbar. Den Wert allgemeiner JnfvrmationS- oder Inspektions¬
reisen hat Massow eingehend erörtert, und er hat unter Vergleichung mit den
militärischen Besichtigungen ihre Unentbehrlichkeit betont. Heute, wo der mit
den Verhältnissen in der Regel am besten vertraute Landrat in der Hauptsache
nur von Fall zu Fall oder in gelegentlichen ziemlich farblosen „Zeitungs¬
berichten" zu Worte kommt, geht seine Erfahrung der Gesamtheit verloren:
wieviel Anregung könnte von ihm ausgehen, wenn er persönliche Berührung
mit den Dezernenten der Regierung hätte! Hat man doch auch mit den Land-
ratskvnferenzen, die z. B. bei den periodischen Gebäudesteuerrcvisiouen statt¬
finden und vor Einführung des Kommnnalabgabcngesetzes angeordnet waren,
im ganzen recht befriedigende Erfahrungen gemacht. Sollte man nicht auf
diesem Wege weitergehen können, periodisch, vielleicht halbjährlich Konferenzen
zur Besprechung der Generalbcrichte und allgemeinen Zustände halten? Wie
viel Schreibwerk könnte damit erspart werden!

Kann nun auch im Plenum der Regierung oder in den Abteilungs¬
sitzungen nicht alles wichtigere vorgetragen werden, so müßten doch jedenfalls
allgemeine Verwaltungsanordnungen und neue Gesetze eingehend vorgetragen
und besprochen werden. Nur damit wäre zu erreichen, daß alle NegierungSmit-
glicder „auf dem Laufenden" erhalten blieben und nicht der Gesamtverwaltungs-
thcitigkeit abstürben, um im eignen Dezernat mehr oder weniger zu verknöchern.


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[0604] Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltnngsbeamten Verwaltung der Fall war, daß die Plenarberatungen wirklich das Spiegelbild der Gesamtthätigkeit der Regierungsbehörde darstellen," wobei er hinzufügen konnte, daß er selbst dieses Ziel als Regierungspräsident teilweise mit Erfolg zu erreichen versucht habe. Damit ist von autoritativer Seite zugestanden worden, daß der Boden der Regierungsinstruktiou verlassen worden ist. Wie auch Massow ni. a. O. ausführt, gehen heute in der Regel die Dezernate ohne innige Berührung neben einander her, kommen in den Sitzungen nur einzelne schwierigere Fragen zur Beratung, aber neue Gesetze und allgemeine Ver¬ fügungen werden nicht oder nur vereinzelt besprochen; der einzelne Dezernent bearbeitet sie, ohne zu erfahren, ob und inwieweit sie auf andre Gebiete ein- und zurückzuwirken geeignet sind, die meisten Sachen werden ohne Korrefe¬ renten abgemacht, die Vorschrift des Z 37 der Regierungsinstruktiou, wonach alljährlich über den Zustand und die Geschäftslage jedes Departements schrift¬ lich berichtet, und diese Berichte im Kollegium beraten werden sollen, ist außer Übung gekommen, ebenso die im § 39 Ziffer 8 und § 42 Abs. 3 a. a. O. vorgcsehnen Vereisungen zu allgemeiner Information (statt der heute üb¬ lichen Reisen zur Jnstruirnng einzelner Fälle). Herrscht so fast überall Mosaikarbeit, die nicht zu umfassender Beurteilung der Zustände und zu ge¬ eigneten Vorschlägen zu ihrer Besserung, zu eigentlicher Initiative führen kann, so macht sich das alles besonders beim Wechsel in der Person des einzelnen Dezernenten und noch mehr beim Wechsel in der Person des Abteilungs- dirigenten fühlbar. Den Wert allgemeiner JnfvrmationS- oder Inspektions¬ reisen hat Massow eingehend erörtert, und er hat unter Vergleichung mit den militärischen Besichtigungen ihre Unentbehrlichkeit betont. Heute, wo der mit den Verhältnissen in der Regel am besten vertraute Landrat in der Hauptsache nur von Fall zu Fall oder in gelegentlichen ziemlich farblosen „Zeitungs¬ berichten" zu Worte kommt, geht seine Erfahrung der Gesamtheit verloren: wieviel Anregung könnte von ihm ausgehen, wenn er persönliche Berührung mit den Dezernenten der Regierung hätte! Hat man doch auch mit den Land- ratskvnferenzen, die z. B. bei den periodischen Gebäudesteuerrcvisiouen statt¬ finden und vor Einführung des Kommnnalabgabcngesetzes angeordnet waren, im ganzen recht befriedigende Erfahrungen gemacht. Sollte man nicht auf diesem Wege weitergehen können, periodisch, vielleicht halbjährlich Konferenzen zur Besprechung der Generalbcrichte und allgemeinen Zustände halten? Wie viel Schreibwerk könnte damit erspart werden! Kann nun auch im Plenum der Regierung oder in den Abteilungs¬ sitzungen nicht alles wichtigere vorgetragen werden, so müßten doch jedenfalls allgemeine Verwaltungsanordnungen und neue Gesetze eingehend vorgetragen und besprochen werden. Nur damit wäre zu erreichen, daß alle NegierungSmit- glicder „auf dem Laufenden" erhalten blieben und nicht der Gesamtverwaltungs- thcitigkeit abstürben, um im eignen Dezernat mehr oder weniger zu verknöchern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/604>, abgerufen am 26.11.2024.