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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten

wurde, so liegt die Annahme nahe, daß die Berufsjuristen, von deren Leistungs¬
fähigkeit im Grunde genommen unsre ganze Gesetzgebung abhängig geblieben ist,
ihre Aufgabe nicht ausreichend erfüllen können. Dann wird man auch in der
öffentlichen Kritik, von der die Mängel aufgedeckt worden sind und die Ver¬
breitung der Unzufriedenheit heraufbeschworen worden ist, das Heilmittel suchen
und sie für berufen halten, zuverlässige Grundsätze zum Gemeingut aller denk¬
fähigen Staatsbürger zu machen. Es wird nun darauf ankommen, zu zeigen,
daß wir der Berufsjustiz entwachsen sind.




Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungs¬
beamten in Preußen

n Preußen ist die Frage der Vorbildung und des Vor¬
bereitungsdienstes der höhern Verwaltungsbeamten -- Gesetz
vom 11. März 1879 und Regulativ vom 30. November 1833 --
brennend geworden. Sie wird zur Zeit im Schoße des
Staatsministeriums erwogen und vielleicht bald zu einem ge¬
wissen Abschlüsse gebracht werden.

In der Öffentlichkeit wird von der einen Seite eine Verlängerung des
Universitätsstudiums von drei auf vier Jahre gefordert, unter Verkürzung des
jetzt vorgeschriebnen vierjährigen praktischen Vorbereitungsdienstes um ein Jahr,
und zwar so, daß die Beschäftigung bei den Gerichten statt zwei nur. ein Jahr
dauern, die Beschäftigung bei den Verwaltungsbehörden aber unverändert
bleiben soll. Von andrer Seite wünscht man die durch das Gesetz von 1879
eingeführte Trennung in der Vorbildung der künftigen Richter und Ver-
waltungsbeamten wieder aufgehoben zu sehen. Von dritter Seite fordert man
die Einführung eines Tentamens nach zweijährigem Universitütsstndium, die
Anfertigung einer schwierigern Proberelation beim Übertritt des Referendars
vom Gericht zur Negierung, eine anders als bisher bestimmte Reihenfolge der
Stationen des Verwaltungsvorbereituugsdienstes und nach bestandnen Asfessor-
examen eine halbjährige informatorische Thätigkeit in einem Bankinstitut, einer
Landwirtschaft, einer Fabrikverwaltung. Ohne den Anspruch auf unbedingte
Vollständigkeit zu erheben, wird dies ungefähr den verschiednen Vorschlügen
entsprechen.

Das Verlangen nach einer Reform enthält die Behauptung der Unzuläng¬
lichkeit des Bestehendem Solche Unzulänglichkeit wird in der Presse und beim


Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten

wurde, so liegt die Annahme nahe, daß die Berufsjuristen, von deren Leistungs¬
fähigkeit im Grunde genommen unsre ganze Gesetzgebung abhängig geblieben ist,
ihre Aufgabe nicht ausreichend erfüllen können. Dann wird man auch in der
öffentlichen Kritik, von der die Mängel aufgedeckt worden sind und die Ver¬
breitung der Unzufriedenheit heraufbeschworen worden ist, das Heilmittel suchen
und sie für berufen halten, zuverlässige Grundsätze zum Gemeingut aller denk¬
fähigen Staatsbürger zu machen. Es wird nun darauf ankommen, zu zeigen,
daß wir der Berufsjustiz entwachsen sind.




Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungs¬
beamten in Preußen

n Preußen ist die Frage der Vorbildung und des Vor¬
bereitungsdienstes der höhern Verwaltungsbeamten — Gesetz
vom 11. März 1879 und Regulativ vom 30. November 1833 —
brennend geworden. Sie wird zur Zeit im Schoße des
Staatsministeriums erwogen und vielleicht bald zu einem ge¬
wissen Abschlüsse gebracht werden.

In der Öffentlichkeit wird von der einen Seite eine Verlängerung des
Universitätsstudiums von drei auf vier Jahre gefordert, unter Verkürzung des
jetzt vorgeschriebnen vierjährigen praktischen Vorbereitungsdienstes um ein Jahr,
und zwar so, daß die Beschäftigung bei den Gerichten statt zwei nur. ein Jahr
dauern, die Beschäftigung bei den Verwaltungsbehörden aber unverändert
bleiben soll. Von andrer Seite wünscht man die durch das Gesetz von 1879
eingeführte Trennung in der Vorbildung der künftigen Richter und Ver-
waltungsbeamten wieder aufgehoben zu sehen. Von dritter Seite fordert man
die Einführung eines Tentamens nach zweijährigem Universitütsstndium, die
Anfertigung einer schwierigern Proberelation beim Übertritt des Referendars
vom Gericht zur Negierung, eine anders als bisher bestimmte Reihenfolge der
Stationen des Verwaltungsvorbereituugsdienstes und nach bestandnen Asfessor-
examen eine halbjährige informatorische Thätigkeit in einem Bankinstitut, einer
Landwirtschaft, einer Fabrikverwaltung. Ohne den Anspruch auf unbedingte
Vollständigkeit zu erheben, wird dies ungefähr den verschiednen Vorschlügen
entsprechen.

Das Verlangen nach einer Reform enthält die Behauptung der Unzuläng¬
lichkeit des Bestehendem Solche Unzulänglichkeit wird in der Presse und beim


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[0596] Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten wurde, so liegt die Annahme nahe, daß die Berufsjuristen, von deren Leistungs¬ fähigkeit im Grunde genommen unsre ganze Gesetzgebung abhängig geblieben ist, ihre Aufgabe nicht ausreichend erfüllen können. Dann wird man auch in der öffentlichen Kritik, von der die Mängel aufgedeckt worden sind und die Ver¬ breitung der Unzufriedenheit heraufbeschworen worden ist, das Heilmittel suchen und sie für berufen halten, zuverlässige Grundsätze zum Gemeingut aller denk¬ fähigen Staatsbürger zu machen. Es wird nun darauf ankommen, zu zeigen, daß wir der Berufsjustiz entwachsen sind. Zur Frage der Vorbildung der höhern Verwaltungs¬ beamten in Preußen n Preußen ist die Frage der Vorbildung und des Vor¬ bereitungsdienstes der höhern Verwaltungsbeamten — Gesetz vom 11. März 1879 und Regulativ vom 30. November 1833 — brennend geworden. Sie wird zur Zeit im Schoße des Staatsministeriums erwogen und vielleicht bald zu einem ge¬ wissen Abschlüsse gebracht werden. In der Öffentlichkeit wird von der einen Seite eine Verlängerung des Universitätsstudiums von drei auf vier Jahre gefordert, unter Verkürzung des jetzt vorgeschriebnen vierjährigen praktischen Vorbereitungsdienstes um ein Jahr, und zwar so, daß die Beschäftigung bei den Gerichten statt zwei nur. ein Jahr dauern, die Beschäftigung bei den Verwaltungsbehörden aber unverändert bleiben soll. Von andrer Seite wünscht man die durch das Gesetz von 1879 eingeführte Trennung in der Vorbildung der künftigen Richter und Ver- waltungsbeamten wieder aufgehoben zu sehen. Von dritter Seite fordert man die Einführung eines Tentamens nach zweijährigem Universitütsstndium, die Anfertigung einer schwierigern Proberelation beim Übertritt des Referendars vom Gericht zur Negierung, eine anders als bisher bestimmte Reihenfolge der Stationen des Verwaltungsvorbereituugsdienstes und nach bestandnen Asfessor- examen eine halbjährige informatorische Thätigkeit in einem Bankinstitut, einer Landwirtschaft, einer Fabrikverwaltung. Ohne den Anspruch auf unbedingte Vollständigkeit zu erheben, wird dies ungefähr den verschiednen Vorschlügen entsprechen. Das Verlangen nach einer Reform enthält die Behauptung der Unzuläng¬ lichkeit des Bestehendem Solche Unzulänglichkeit wird in der Presse und beim

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/596>, abgerufen am 27.11.2024.