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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Wirtschaftlicher Partikularismus

er deutsche Zollverein ist öfter als Vorläufer der deutschen
Einigung bezeichnet worden. Es mag dahingestellt bleiben, wie
weit wirklich die politische Einigung durch die handelspolitische
erleichtert wurde. Beides war eben eine Notwendigkeit. Wenn
wir uns im Geist in die alten Zustände zurückversetzen, erscheinen
sie uns unerträglich; wir begreifen schwer, daß sie so lauge erhalten werden
konnten, und es scheint uns ein ungeheuerlicher Gedanke zu sein, daß sie
jemals wieder hergestellt werden könnten.

Das wird nun auch trotz aller Partikularistischen Regungen nicht gelingen.
Es wird aber zu wenig beachtet, daß auch in dem wirtschaftlichen Partikularismus
eine Gefahr der Verfeiuduug liegt, die nicht so groß sein mag, die aber doch
durch Widerlegung der ihr zu Grnnde liegenden Irrtümer bekämpft werden
sollte. Die Eifersucht auf wirtschaftlichem Gebiete, die beständig das eigne
Land oder den eignen Landesteil übervorteilt glaubt, strebt natürlich nach der
Abgrenzung möglichst enger Gebiete. Die Schutzzöllner sind neidisch auf jeden
wirklichen oder angeblichen Vorteil, den das Ausland durch ein handels-
Pvlilisches Abkommen gewinnt. Wollten wir die Ratschläge unsrer Schutzzöllner,
insbesondre der Agrarier, befolgen, fo würde der Abschluß vou handelspolitischen
Vereinbarungen überhaupt unmöglich sein. Es ist unmöglich, ein Handels-
Pvlitisches Abkommen zu Stande zu bringen, wobei alle Vorteile nur auf einer
Seite sind, während das andre Land womöglich Schaden leidet. Keine ver¬
ständige Regierung würde sich auf ein solches Abkommen einlassen. .

Glücklicherweise sind die Nachteile, die das eine oder andre Land bei den
Handelsverträgen der neuern Zeit erlitten haben soll, mir in der Phantasie
der Schutzzöllner vorhanden. Die Zollschranken wurden nach dem Grundsatz
ermäßigt, daß immer den Interessen der beiden Staaten durch Erleichterung


Grenzboten III 1396 "^



Wirtschaftlicher Partikularismus

er deutsche Zollverein ist öfter als Vorläufer der deutschen
Einigung bezeichnet worden. Es mag dahingestellt bleiben, wie
weit wirklich die politische Einigung durch die handelspolitische
erleichtert wurde. Beides war eben eine Notwendigkeit. Wenn
wir uns im Geist in die alten Zustände zurückversetzen, erscheinen
sie uns unerträglich; wir begreifen schwer, daß sie so lauge erhalten werden
konnten, und es scheint uns ein ungeheuerlicher Gedanke zu sein, daß sie
jemals wieder hergestellt werden könnten.

Das wird nun auch trotz aller Partikularistischen Regungen nicht gelingen.
Es wird aber zu wenig beachtet, daß auch in dem wirtschaftlichen Partikularismus
eine Gefahr der Verfeiuduug liegt, die nicht so groß sein mag, die aber doch
durch Widerlegung der ihr zu Grnnde liegenden Irrtümer bekämpft werden
sollte. Die Eifersucht auf wirtschaftlichem Gebiete, die beständig das eigne
Land oder den eignen Landesteil übervorteilt glaubt, strebt natürlich nach der
Abgrenzung möglichst enger Gebiete. Die Schutzzöllner sind neidisch auf jeden
wirklichen oder angeblichen Vorteil, den das Ausland durch ein handels-
Pvlilisches Abkommen gewinnt. Wollten wir die Ratschläge unsrer Schutzzöllner,
insbesondre der Agrarier, befolgen, fo würde der Abschluß vou handelspolitischen
Vereinbarungen überhaupt unmöglich sein. Es ist unmöglich, ein Handels-
Pvlitisches Abkommen zu Stande zu bringen, wobei alle Vorteile nur auf einer
Seite sind, während das andre Land womöglich Schaden leidet. Keine ver¬
ständige Regierung würde sich auf ein solches Abkommen einlassen. .

Glücklicherweise sind die Nachteile, die das eine oder andre Land bei den
Handelsverträgen der neuern Zeit erlitten haben soll, mir in der Phantasie
der Schutzzöllner vorhanden. Die Zollschranken wurden nach dem Grundsatz
ermäßigt, daß immer den Interessen der beiden Staaten durch Erleichterung


Grenzboten III 1396 «^
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[0489] [Abbildung] Wirtschaftlicher Partikularismus er deutsche Zollverein ist öfter als Vorläufer der deutschen Einigung bezeichnet worden. Es mag dahingestellt bleiben, wie weit wirklich die politische Einigung durch die handelspolitische erleichtert wurde. Beides war eben eine Notwendigkeit. Wenn wir uns im Geist in die alten Zustände zurückversetzen, erscheinen sie uns unerträglich; wir begreifen schwer, daß sie so lauge erhalten werden konnten, und es scheint uns ein ungeheuerlicher Gedanke zu sein, daß sie jemals wieder hergestellt werden könnten. Das wird nun auch trotz aller Partikularistischen Regungen nicht gelingen. Es wird aber zu wenig beachtet, daß auch in dem wirtschaftlichen Partikularismus eine Gefahr der Verfeiuduug liegt, die nicht so groß sein mag, die aber doch durch Widerlegung der ihr zu Grnnde liegenden Irrtümer bekämpft werden sollte. Die Eifersucht auf wirtschaftlichem Gebiete, die beständig das eigne Land oder den eignen Landesteil übervorteilt glaubt, strebt natürlich nach der Abgrenzung möglichst enger Gebiete. Die Schutzzöllner sind neidisch auf jeden wirklichen oder angeblichen Vorteil, den das Ausland durch ein handels- Pvlilisches Abkommen gewinnt. Wollten wir die Ratschläge unsrer Schutzzöllner, insbesondre der Agrarier, befolgen, fo würde der Abschluß vou handelspolitischen Vereinbarungen überhaupt unmöglich sein. Es ist unmöglich, ein Handels- Pvlitisches Abkommen zu Stande zu bringen, wobei alle Vorteile nur auf einer Seite sind, während das andre Land womöglich Schaden leidet. Keine ver¬ ständige Regierung würde sich auf ein solches Abkommen einlassen. . Glücklicherweise sind die Nachteile, die das eine oder andre Land bei den Handelsverträgen der neuern Zeit erlitten haben soll, mir in der Phantasie der Schutzzöllner vorhanden. Die Zollschranken wurden nach dem Grundsatz ermäßigt, daß immer den Interessen der beiden Staaten durch Erleichterung Grenzboten III 1396 «^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/489>, abgerufen am 01.09.2024.