Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts Vom "Goldsitz," nach dem er auch gefragt wurde, wollte er nichts wissen; Da Berggold nun beim Universitätsgericht gegen Schulze Klage führte, Der Rat berichtete darauf an die Regierung, die Regierung verlangte Vier Wachen später reichte Schulze eine höchst launig geschriebne Ver¬ Unmöglich wird Herr Denunciant behaupten oder nur glauben können, daß er leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts Vom „Goldsitz," nach dem er auch gefragt wurde, wollte er nichts wissen; Da Berggold nun beim Universitätsgericht gegen Schulze Klage führte, Der Rat berichtete darauf an die Regierung, die Regierung verlangte Vier Wachen später reichte Schulze eine höchst launig geschriebne Ver¬ Unmöglich wird Herr Denunciant behaupten oder nur glauben können, daß er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223208"/> <fw type="header" place="top"> leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts</fw><lb/> <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> Vom „Goldsitz," nach dem er auch gefragt wurde, wollte er nichts wissen;<lb/> er habe wohl früher das Manuskript bei Royer gesehen, es sei aber nicht von<lb/> Nöpers Hand gewesen, Royer könne auch so etwas gar nicht schreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Da Berggold nun beim Universitätsgericht gegen Schulze Klage führte,<lb/> so hielt es dieser doch für geraten, einen Entschuldigungsbrief an den Be¬<lb/> leidigten zu schreiben, worin er bedauerte, daß schmähsüchtige Menschen das<lb/> Bild auf ihn und seine „verehrungswürdige Gattin" gedeutet hatten. Aber<lb/> Berggold ließ sich nicht begütigen. Er ließ sich von einem Advokaten eine<lb/> Eingabe an die Bücherkommission machen, worin er das Unwahrscheinliche von<lb/> Schutzes Ausrede darlegte, im einzelnen die Stellen nachwies, aus denen un-<lb/> zweifelhaft hervorgehe, daß er und seine Frau gemeint seien, und schließlich den<lb/> Antrag stellte, den Verfasser nachdrücklich zu bestrafen und „das Pasquill selbst<lb/> durch die Hand des Scharfrichters verbrennen zu lassen."</p><lb/> <p xml:id="ID_792"> Der Rat berichtete darauf an die Regierung, die Regierung verlangte<lb/> Verurteilung des Schuldigen, die Sache kam an den Leipziger Schöppenstuhl,<lb/> und dieser verurteilte Schulze im Februar 1789 zur Abbitte vor Gericht und<lb/> zu acht Wochen Gefängnis. Am 16. März wurde ihm das Urteil verkündigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_793"> Vier Wachen später reichte Schulze eine höchst launig geschriebne Ver¬<lb/> teidigungsschrift ein, die ihm ein Advokat Kürtzel in Leipzig aufgesetzt hatte, und<lb/> die die Beschwerde Berggvlds ins Komische zu ziehen sucht. Da heißt es:</p><lb/> <p xml:id="ID_794" next="#ID_795"> Unmöglich wird Herr Denunciant behaupten oder nur glauben können, daß er<lb/> der einzige Officier in der ganzen Welt oder auch nur in Sachsen sei, der eine<lb/> begüterte Bürgers- und Bierbrauerstochter zum Weibe genommen. Ja Friedrich<lb/> der Große selbst hat zu verschiedenen malen zur Beruhigung und zum Wohl ver¬<lb/> dienstvoller Officiers schöner Töchter reiche Eltern, ebenfalls Bürger und Bier¬<lb/> brauer, durch Maßregeln sogar gezwungen, den Conseils zur Ehe der Töchter zu<lb/> ertheilen. Und nach Geschmack ein ehrlich Bürgcrmndchen von guten Mitteln zu<lb/> heirathen, verringert wohl nicht die Würde eines Officiers bürgerlichen Standes,<lb/> und wird man diesen Fall nicht uach Hunderten zahlen können? Also müßten sich<lb/> alle Hunderte getroffen finden, und alle Hunderte würden gleich ihm das Recht<lb/> haben, Beschwerde zu führen. Welch eine Menge von Anklagen! — Der ein¬<lb/> fältige Geschmack unserer Dünen oder vielmehr der Putzmacherinnen, die unsre Damen<lb/> diese lächerliche Tracht, an Hüten von russischen Fnhrknechten abgelehnt, als schön<lb/> berede» wollen, verdient eine weit auffallendere Schilderung als mit umgekehrten<lb/> Vier- oder Wasscrzobcrn zu vergleichen; und welche Ähnlichkeit findet sich nicht?<lb/> Und durch diesen Vergleich, wenn er schimpflich wäre, müßten wohl alle Damen<lb/> sich beleidigt finden und auf unsern Maler schaarenweise losgehen, aber — welch<lb/> ein Aufstand! . . . O tretet auf, ihr durch Zärtlichkeit und durch eheliche Ver¬<lb/> bindung mit würdigen Aartis-Söhnen bürgerlichen, ja — adelichcu Standes und<lb/> durch andere verdienstvolle Männer glücklich gewordene Bürgerstochter! Mädchen,<lb/> tretet auf, vom Lmidmauue entsprossen, tretet auf, Besitzerinnen der Rittergüter,<lb/> deren Väter durch Gose- und Braunbicrschauk euch in Stand gesetzt, das zu sein,<lb/> was ihr mit Ehren seid, und vertheidigt zur Ehre der Wahrheit und zu eurer<lb/> Ehre die Unschuld des Malers, dessen Gegenstand ihr nie wäret, und er doch in<lb/> seinen Zügen euch geähnelt! Beweiset durch freies Gestttnduiß häufige Fälle dieser</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts
Vom „Goldsitz," nach dem er auch gefragt wurde, wollte er nichts wissen;
er habe wohl früher das Manuskript bei Royer gesehen, es sei aber nicht von
Nöpers Hand gewesen, Royer könne auch so etwas gar nicht schreiben.
Da Berggold nun beim Universitätsgericht gegen Schulze Klage führte,
so hielt es dieser doch für geraten, einen Entschuldigungsbrief an den Be¬
leidigten zu schreiben, worin er bedauerte, daß schmähsüchtige Menschen das
Bild auf ihn und seine „verehrungswürdige Gattin" gedeutet hatten. Aber
Berggold ließ sich nicht begütigen. Er ließ sich von einem Advokaten eine
Eingabe an die Bücherkommission machen, worin er das Unwahrscheinliche von
Schutzes Ausrede darlegte, im einzelnen die Stellen nachwies, aus denen un-
zweifelhaft hervorgehe, daß er und seine Frau gemeint seien, und schließlich den
Antrag stellte, den Verfasser nachdrücklich zu bestrafen und „das Pasquill selbst
durch die Hand des Scharfrichters verbrennen zu lassen."
Der Rat berichtete darauf an die Regierung, die Regierung verlangte
Verurteilung des Schuldigen, die Sache kam an den Leipziger Schöppenstuhl,
und dieser verurteilte Schulze im Februar 1789 zur Abbitte vor Gericht und
zu acht Wochen Gefängnis. Am 16. März wurde ihm das Urteil verkündigt.
Vier Wachen später reichte Schulze eine höchst launig geschriebne Ver¬
teidigungsschrift ein, die ihm ein Advokat Kürtzel in Leipzig aufgesetzt hatte, und
die die Beschwerde Berggvlds ins Komische zu ziehen sucht. Da heißt es:
Unmöglich wird Herr Denunciant behaupten oder nur glauben können, daß er
der einzige Officier in der ganzen Welt oder auch nur in Sachsen sei, der eine
begüterte Bürgers- und Bierbrauerstochter zum Weibe genommen. Ja Friedrich
der Große selbst hat zu verschiedenen malen zur Beruhigung und zum Wohl ver¬
dienstvoller Officiers schöner Töchter reiche Eltern, ebenfalls Bürger und Bier¬
brauer, durch Maßregeln sogar gezwungen, den Conseils zur Ehe der Töchter zu
ertheilen. Und nach Geschmack ein ehrlich Bürgcrmndchen von guten Mitteln zu
heirathen, verringert wohl nicht die Würde eines Officiers bürgerlichen Standes,
und wird man diesen Fall nicht uach Hunderten zahlen können? Also müßten sich
alle Hunderte getroffen finden, und alle Hunderte würden gleich ihm das Recht
haben, Beschwerde zu führen. Welch eine Menge von Anklagen! — Der ein¬
fältige Geschmack unserer Dünen oder vielmehr der Putzmacherinnen, die unsre Damen
diese lächerliche Tracht, an Hüten von russischen Fnhrknechten abgelehnt, als schön
berede» wollen, verdient eine weit auffallendere Schilderung als mit umgekehrten
Vier- oder Wasscrzobcrn zu vergleichen; und welche Ähnlichkeit findet sich nicht?
Und durch diesen Vergleich, wenn er schimpflich wäre, müßten wohl alle Damen
sich beleidigt finden und auf unsern Maler schaarenweise losgehen, aber — welch
ein Aufstand! . . . O tretet auf, ihr durch Zärtlichkeit und durch eheliche Ver¬
bindung mit würdigen Aartis-Söhnen bürgerlichen, ja — adelichcu Standes und
durch andere verdienstvolle Männer glücklich gewordene Bürgerstochter! Mädchen,
tretet auf, vom Lmidmauue entsprossen, tretet auf, Besitzerinnen der Rittergüter,
deren Väter durch Gose- und Braunbicrschauk euch in Stand gesetzt, das zu sein,
was ihr mit Ehren seid, und vertheidigt zur Ehre der Wahrheit und zu eurer
Ehre die Unschuld des Malers, dessen Gegenstand ihr nie wäret, und er doch in
seinen Zügen euch geähnelt! Beweiset durch freies Gestttnduiß häufige Fälle dieser
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