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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Der Ausbau des Arbeiterschutzes

Gewerbebetrieb im Umherziehen, soweit er unter Z 55 Abs. 1 Ziffer 1 und 2
der Gewerbeordnung fällt, sowie der Gewerbebetrieb der in 8 42v der Gewerbe¬
ordnung bezeichneten Personen verboten werden. Doch können die untern Ver¬
waltungsbehörden Ausnahmen zulassen. Auch die "selbstthätigen Verkauss-
apparcite" sind in dieser Zeit außer Thätigkeit zu setzen.

Länger als bis 8 Uhr abends, aber höchstens bis 10 Uhr dürfen die
Verkaufsstellen für das Publikum geöffnet sein an den letzten 14 Tagen vor
Weihnachten und an Tagen, für die zur Befriedigung eines bei Festen und
sonstigen besondern Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnisses die untere Ver¬
waltungsbehörde Ausnahmen gestattet; diese Ausnahmen dürfen aber die Zahl
von 16 Tagen im Jahre nicht überschreiten.

Die beim Ladenschluß schon anwesenden Kunden dürfen in der nächsten
halben Stunde noch bedient werden. Außer der Zeit, wo die Verkaufsstellen
für das Publikum geöffnet sind, dürfen Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Ge-
schäftsdiener nicht zur Arbeit für das Geschäft herangezogen werden. Nur zur
Ausführung der Arbeiten, die vor Öffnung und nach Schluß der Verkaufs¬
stelle zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes vorgenommen werden müssen,
darf der Geschäftsinhaber die Geschciftsdicner heranziehen. Doch müssen ihnen
9 Stunden uuuntcrbrochne Ruhe bleiben.

Zur Hauptmahlzeit ist dem Personal eine Pause von mindestens andert¬
halb Stunden zu gewähren, wenn das Mittagessen nicht vom Prinzipal ge¬
währt wird.

Weiter sorgt der Gesetzentwurf für hygienische und Sicherheitsmaßregeln
gegen Gefahren, für Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Sittlichkeit und giebt
dem Bundesrate die Befugnis, Vorschriften darüber zu erlassen, welche Anforde¬
rungen die Laden-, Arbeits- und Lagerräume, Maschinen und Gerätschaften zu
erfüllen haben. Dieselbe Befugnis haben, wenn der Bundesrat keinen Gebrauch
davon macht, die Landeszentralbehördcn usw.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs befaßt sich mit dem Dienstverhältnis
zwischen dem Inhaber einer Verkaufsstelle und dem Handlungspersonal. Das
Dienstverhältnis der Gehilfen zum Prinzipal soll von jedem Teil mit Ablauf
jedes Kalcndervierteljahres nach sechswöchentlicher Kündigung aufgehoben werden
können. Durch Vertrag kann eine kürzere oder längere Kündigungsfrist be¬
dungen werden, die auf beideu Seiten von gleicher Dauer sein muß, doch darf
sie nicht weniger als einen Kalendermonat betragen. Eine unklare Bestimmung
enthält § K des zweiten Teils, der lautet: "Nach erfolgter(!) Kündigung bis
zur Erlangung (!) einer neuen Stelle ist den Handlungsgehilfen und Lehrlingen
die erforderliche Zeit zu gewähren, um(!) sich um eine neue Stellung bewerben
zu können."") Die Absicht dieses Paragraphen mag ganz löblich sein; aber



D D. R. er Entwurf scheint in einem recht netten Deutsch abgefaßt zu sein.
Der Ausbau des Arbeiterschutzes

Gewerbebetrieb im Umherziehen, soweit er unter Z 55 Abs. 1 Ziffer 1 und 2
der Gewerbeordnung fällt, sowie der Gewerbebetrieb der in 8 42v der Gewerbe¬
ordnung bezeichneten Personen verboten werden. Doch können die untern Ver¬
waltungsbehörden Ausnahmen zulassen. Auch die „selbstthätigen Verkauss-
apparcite" sind in dieser Zeit außer Thätigkeit zu setzen.

Länger als bis 8 Uhr abends, aber höchstens bis 10 Uhr dürfen die
Verkaufsstellen für das Publikum geöffnet sein an den letzten 14 Tagen vor
Weihnachten und an Tagen, für die zur Befriedigung eines bei Festen und
sonstigen besondern Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnisses die untere Ver¬
waltungsbehörde Ausnahmen gestattet; diese Ausnahmen dürfen aber die Zahl
von 16 Tagen im Jahre nicht überschreiten.

Die beim Ladenschluß schon anwesenden Kunden dürfen in der nächsten
halben Stunde noch bedient werden. Außer der Zeit, wo die Verkaufsstellen
für das Publikum geöffnet sind, dürfen Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Ge-
schäftsdiener nicht zur Arbeit für das Geschäft herangezogen werden. Nur zur
Ausführung der Arbeiten, die vor Öffnung und nach Schluß der Verkaufs¬
stelle zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes vorgenommen werden müssen,
darf der Geschäftsinhaber die Geschciftsdicner heranziehen. Doch müssen ihnen
9 Stunden uuuntcrbrochne Ruhe bleiben.

Zur Hauptmahlzeit ist dem Personal eine Pause von mindestens andert¬
halb Stunden zu gewähren, wenn das Mittagessen nicht vom Prinzipal ge¬
währt wird.

Weiter sorgt der Gesetzentwurf für hygienische und Sicherheitsmaßregeln
gegen Gefahren, für Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Sittlichkeit und giebt
dem Bundesrate die Befugnis, Vorschriften darüber zu erlassen, welche Anforde¬
rungen die Laden-, Arbeits- und Lagerräume, Maschinen und Gerätschaften zu
erfüllen haben. Dieselbe Befugnis haben, wenn der Bundesrat keinen Gebrauch
davon macht, die Landeszentralbehördcn usw.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs befaßt sich mit dem Dienstverhältnis
zwischen dem Inhaber einer Verkaufsstelle und dem Handlungspersonal. Das
Dienstverhältnis der Gehilfen zum Prinzipal soll von jedem Teil mit Ablauf
jedes Kalcndervierteljahres nach sechswöchentlicher Kündigung aufgehoben werden
können. Durch Vertrag kann eine kürzere oder längere Kündigungsfrist be¬
dungen werden, die auf beideu Seiten von gleicher Dauer sein muß, doch darf
sie nicht weniger als einen Kalendermonat betragen. Eine unklare Bestimmung
enthält § K des zweiten Teils, der lautet: „Nach erfolgter(!) Kündigung bis
zur Erlangung (!) einer neuen Stelle ist den Handlungsgehilfen und Lehrlingen
die erforderliche Zeit zu gewähren, um(!) sich um eine neue Stellung bewerben
zu können."") Die Absicht dieses Paragraphen mag ganz löblich sein; aber



D D. R. er Entwurf scheint in einem recht netten Deutsch abgefaßt zu sein.
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[0210] Der Ausbau des Arbeiterschutzes Gewerbebetrieb im Umherziehen, soweit er unter Z 55 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 der Gewerbeordnung fällt, sowie der Gewerbebetrieb der in 8 42v der Gewerbe¬ ordnung bezeichneten Personen verboten werden. Doch können die untern Ver¬ waltungsbehörden Ausnahmen zulassen. Auch die „selbstthätigen Verkauss- apparcite" sind in dieser Zeit außer Thätigkeit zu setzen. Länger als bis 8 Uhr abends, aber höchstens bis 10 Uhr dürfen die Verkaufsstellen für das Publikum geöffnet sein an den letzten 14 Tagen vor Weihnachten und an Tagen, für die zur Befriedigung eines bei Festen und sonstigen besondern Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnisses die untere Ver¬ waltungsbehörde Ausnahmen gestattet; diese Ausnahmen dürfen aber die Zahl von 16 Tagen im Jahre nicht überschreiten. Die beim Ladenschluß schon anwesenden Kunden dürfen in der nächsten halben Stunde noch bedient werden. Außer der Zeit, wo die Verkaufsstellen für das Publikum geöffnet sind, dürfen Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Ge- schäftsdiener nicht zur Arbeit für das Geschäft herangezogen werden. Nur zur Ausführung der Arbeiten, die vor Öffnung und nach Schluß der Verkaufs¬ stelle zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes vorgenommen werden müssen, darf der Geschäftsinhaber die Geschciftsdicner heranziehen. Doch müssen ihnen 9 Stunden uuuntcrbrochne Ruhe bleiben. Zur Hauptmahlzeit ist dem Personal eine Pause von mindestens andert¬ halb Stunden zu gewähren, wenn das Mittagessen nicht vom Prinzipal ge¬ währt wird. Weiter sorgt der Gesetzentwurf für hygienische und Sicherheitsmaßregeln gegen Gefahren, für Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Sittlichkeit und giebt dem Bundesrate die Befugnis, Vorschriften darüber zu erlassen, welche Anforde¬ rungen die Laden-, Arbeits- und Lagerräume, Maschinen und Gerätschaften zu erfüllen haben. Dieselbe Befugnis haben, wenn der Bundesrat keinen Gebrauch davon macht, die Landeszentralbehördcn usw. Der zweite Teil des Gesetzentwurfs befaßt sich mit dem Dienstverhältnis zwischen dem Inhaber einer Verkaufsstelle und dem Handlungspersonal. Das Dienstverhältnis der Gehilfen zum Prinzipal soll von jedem Teil mit Ablauf jedes Kalcndervierteljahres nach sechswöchentlicher Kündigung aufgehoben werden können. Durch Vertrag kann eine kürzere oder längere Kündigungsfrist be¬ dungen werden, die auf beideu Seiten von gleicher Dauer sein muß, doch darf sie nicht weniger als einen Kalendermonat betragen. Eine unklare Bestimmung enthält § K des zweiten Teils, der lautet: „Nach erfolgter(!) Kündigung bis zur Erlangung (!) einer neuen Stelle ist den Handlungsgehilfen und Lehrlingen die erforderliche Zeit zu gewähren, um(!) sich um eine neue Stellung bewerben zu können."") Die Absicht dieses Paragraphen mag ganz löblich sein; aber D D. R. er Entwurf scheint in einem recht netten Deutsch abgefaßt zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/210>, abgerufen am 01.09.2024.