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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Landwirt und Spekulant

doch keiner besondern Rechtfertigung für eine Spekulation, die dazu dienen
sollte, einem der Edelsten im Volke, einem der vor allem Notleidenden, einen
Gewinn zu verschaffen. Daß die Agrarier mit zweierlei Maß messen., daß
nach ihrer Auffassung so manches zu Gunsten des Landmannsstandes erlaubt
ist, was zu Gunsten andrer Berufsstande nicht erlaubt ist, wissen wir längst.
Es kann daher auch nicht Wunder nehmen, daß in dem Plötzschen Falle der
Grundsatz verfochten wird: "Eines schickt sich nicht für alle." Wenn auch
einige Anhänger der Agrarpartei geglaubt haben, Herrn v. Plötz tadeln zu
müssen, da er die Sache doch etwas zu schlimm gemacht habe, so fehlt ihnen eben
der Mut der Folgerichtigkeit. Es ist selbstverständlich, daß der Gegner der
agrarischen Bestrebungen solche Grundsätze nicht gut heißt. Aber man muß
dann den Geist des agrarischen Programms für alle Ausschreitungen verant¬
wortlich macheu; diesem Programm hat Herr v. Plötz lediglich entsprochen.

Ja, es ist etwas schönes um die Spekulation der Notleidenden; aber die
Voraussetzung ist, daß sie auch erfolgreich sei. Eine Spekulation, die mi߬
lingen kann, darf zu Gunsten der Notleidenden nicht vorgenommen werden, da
sie ihre Lage verschlechtern könnte. Für den gewöhnlichen Menschenverstand
ist zwar der Begriff der Unsicherheit von dem der Spekulation nicht zu trennen.
Aber ganz anders sieht das agrarische Ideal einer Spekulation aus, wie sie
zu Gunsten der Landwirtschaft in Gang gesetzt werden muß. Die mächtige,
des Erfolgs sichre Spekulation soll dem Handelsstande, dem sie jetzt zur Ver¬
fügung steht, entwunden und durch die Vermittlung des Staats auf den Land¬
mannsstand übertragen werden. Herr v. Plötz, der es als gewissenhafter
Volksvertreter für seine Pflicht hielt, sich über das Wesen der Getreidespeku¬
lation genau zu unterrichten, hat, .wahrscheinlich durch eignen Schaden klug
geworden, bei dieser "Jnformirung" herausgefunden, daß die Spekulation in
ihrem heutigen Zustande ihrer hohen Aufgabe nur mangelhaft entspricht. Und
sie ist nicht bloß mangelhaft; sie ist unsittlich und verwerflich, erstens, weil
sie dem Kaufmann, diesem Schmarotzer unter den Berufsständen, die Mög¬
lichkeit bietet, Geld zu verdienen, und zwar viel mehr Geld, als ihm zukommt,
zweitens, weil sie dem notleidenden Großgrundbesitzer nicht die unbedingte
Sicherheit des Erfolgs gewährt, deren er bei seiner traurigen Lage bedarf, und
worauf er einen gerechten Anspruch hat. Das muß anders werden, darum
muß der Staat auf den Plan treten, muß mit seiner gewaltigen Macht die
böse volksfeindliche Baissespekulation erdrücken und der wohlthätigen Hausse¬
spekulation den Sieg verschaffen. Was das kostet, darauf kommt es gar nicht
an. Für einen solchen Zweck ist kein Opfer zu groß.

Der Ruhlcmdsche Vorschlag der Neichsspekulation, der ohne Zweifel hie
volle Zustimmung des Herrn v. Plötz hat, ist die Krönung des Unsinns, aber
der Unsinn steckt in dem ganzen agrarischen Programm; die gesamten Be¬
strebungen der Agrarier kranken an denselben falschen Vorstellungen, die bei


Landwirt und Spekulant

doch keiner besondern Rechtfertigung für eine Spekulation, die dazu dienen
sollte, einem der Edelsten im Volke, einem der vor allem Notleidenden, einen
Gewinn zu verschaffen. Daß die Agrarier mit zweierlei Maß messen., daß
nach ihrer Auffassung so manches zu Gunsten des Landmannsstandes erlaubt
ist, was zu Gunsten andrer Berufsstande nicht erlaubt ist, wissen wir längst.
Es kann daher auch nicht Wunder nehmen, daß in dem Plötzschen Falle der
Grundsatz verfochten wird: „Eines schickt sich nicht für alle." Wenn auch
einige Anhänger der Agrarpartei geglaubt haben, Herrn v. Plötz tadeln zu
müssen, da er die Sache doch etwas zu schlimm gemacht habe, so fehlt ihnen eben
der Mut der Folgerichtigkeit. Es ist selbstverständlich, daß der Gegner der
agrarischen Bestrebungen solche Grundsätze nicht gut heißt. Aber man muß
dann den Geist des agrarischen Programms für alle Ausschreitungen verant¬
wortlich macheu; diesem Programm hat Herr v. Plötz lediglich entsprochen.

Ja, es ist etwas schönes um die Spekulation der Notleidenden; aber die
Voraussetzung ist, daß sie auch erfolgreich sei. Eine Spekulation, die mi߬
lingen kann, darf zu Gunsten der Notleidenden nicht vorgenommen werden, da
sie ihre Lage verschlechtern könnte. Für den gewöhnlichen Menschenverstand
ist zwar der Begriff der Unsicherheit von dem der Spekulation nicht zu trennen.
Aber ganz anders sieht das agrarische Ideal einer Spekulation aus, wie sie
zu Gunsten der Landwirtschaft in Gang gesetzt werden muß. Die mächtige,
des Erfolgs sichre Spekulation soll dem Handelsstande, dem sie jetzt zur Ver¬
fügung steht, entwunden und durch die Vermittlung des Staats auf den Land¬
mannsstand übertragen werden. Herr v. Plötz, der es als gewissenhafter
Volksvertreter für seine Pflicht hielt, sich über das Wesen der Getreidespeku¬
lation genau zu unterrichten, hat, .wahrscheinlich durch eignen Schaden klug
geworden, bei dieser „Jnformirung" herausgefunden, daß die Spekulation in
ihrem heutigen Zustande ihrer hohen Aufgabe nur mangelhaft entspricht. Und
sie ist nicht bloß mangelhaft; sie ist unsittlich und verwerflich, erstens, weil
sie dem Kaufmann, diesem Schmarotzer unter den Berufsständen, die Mög¬
lichkeit bietet, Geld zu verdienen, und zwar viel mehr Geld, als ihm zukommt,
zweitens, weil sie dem notleidenden Großgrundbesitzer nicht die unbedingte
Sicherheit des Erfolgs gewährt, deren er bei seiner traurigen Lage bedarf, und
worauf er einen gerechten Anspruch hat. Das muß anders werden, darum
muß der Staat auf den Plan treten, muß mit seiner gewaltigen Macht die
böse volksfeindliche Baissespekulation erdrücken und der wohlthätigen Hausse¬
spekulation den Sieg verschaffen. Was das kostet, darauf kommt es gar nicht
an. Für einen solchen Zweck ist kein Opfer zu groß.

Der Ruhlcmdsche Vorschlag der Neichsspekulation, der ohne Zweifel hie
volle Zustimmung des Herrn v. Plötz hat, ist die Krönung des Unsinns, aber
der Unsinn steckt in dem ganzen agrarischen Programm; die gesamten Be¬
strebungen der Agrarier kranken an denselben falschen Vorstellungen, die bei


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[0203] Landwirt und Spekulant doch keiner besondern Rechtfertigung für eine Spekulation, die dazu dienen sollte, einem der Edelsten im Volke, einem der vor allem Notleidenden, einen Gewinn zu verschaffen. Daß die Agrarier mit zweierlei Maß messen., daß nach ihrer Auffassung so manches zu Gunsten des Landmannsstandes erlaubt ist, was zu Gunsten andrer Berufsstande nicht erlaubt ist, wissen wir längst. Es kann daher auch nicht Wunder nehmen, daß in dem Plötzschen Falle der Grundsatz verfochten wird: „Eines schickt sich nicht für alle." Wenn auch einige Anhänger der Agrarpartei geglaubt haben, Herrn v. Plötz tadeln zu müssen, da er die Sache doch etwas zu schlimm gemacht habe, so fehlt ihnen eben der Mut der Folgerichtigkeit. Es ist selbstverständlich, daß der Gegner der agrarischen Bestrebungen solche Grundsätze nicht gut heißt. Aber man muß dann den Geist des agrarischen Programms für alle Ausschreitungen verant¬ wortlich macheu; diesem Programm hat Herr v. Plötz lediglich entsprochen. Ja, es ist etwas schönes um die Spekulation der Notleidenden; aber die Voraussetzung ist, daß sie auch erfolgreich sei. Eine Spekulation, die mi߬ lingen kann, darf zu Gunsten der Notleidenden nicht vorgenommen werden, da sie ihre Lage verschlechtern könnte. Für den gewöhnlichen Menschenverstand ist zwar der Begriff der Unsicherheit von dem der Spekulation nicht zu trennen. Aber ganz anders sieht das agrarische Ideal einer Spekulation aus, wie sie zu Gunsten der Landwirtschaft in Gang gesetzt werden muß. Die mächtige, des Erfolgs sichre Spekulation soll dem Handelsstande, dem sie jetzt zur Ver¬ fügung steht, entwunden und durch die Vermittlung des Staats auf den Land¬ mannsstand übertragen werden. Herr v. Plötz, der es als gewissenhafter Volksvertreter für seine Pflicht hielt, sich über das Wesen der Getreidespeku¬ lation genau zu unterrichten, hat, .wahrscheinlich durch eignen Schaden klug geworden, bei dieser „Jnformirung" herausgefunden, daß die Spekulation in ihrem heutigen Zustande ihrer hohen Aufgabe nur mangelhaft entspricht. Und sie ist nicht bloß mangelhaft; sie ist unsittlich und verwerflich, erstens, weil sie dem Kaufmann, diesem Schmarotzer unter den Berufsständen, die Mög¬ lichkeit bietet, Geld zu verdienen, und zwar viel mehr Geld, als ihm zukommt, zweitens, weil sie dem notleidenden Großgrundbesitzer nicht die unbedingte Sicherheit des Erfolgs gewährt, deren er bei seiner traurigen Lage bedarf, und worauf er einen gerechten Anspruch hat. Das muß anders werden, darum muß der Staat auf den Plan treten, muß mit seiner gewaltigen Macht die böse volksfeindliche Baissespekulation erdrücken und der wohlthätigen Hausse¬ spekulation den Sieg verschaffen. Was das kostet, darauf kommt es gar nicht an. Für einen solchen Zweck ist kein Opfer zu groß. Der Ruhlcmdsche Vorschlag der Neichsspekulation, der ohne Zweifel hie volle Zustimmung des Herrn v. Plötz hat, ist die Krönung des Unsinns, aber der Unsinn steckt in dem ganzen agrarischen Programm; die gesamten Be¬ strebungen der Agrarier kranken an denselben falschen Vorstellungen, die bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/203>, abgerufen am 24.11.2024.