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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Landwirt und Spekulant

Nun haben sich wohl die meisten bisher unter Spekulation etwas andres
gedacht, als was bei diesen Anklagen darunter verstanden wird. Ein Spe¬
kulant, wurde angenommen, sei jemand, der eine außer ihm liegende Macht,
die Preisbewegung, dazu zu benutzen suche, sich einen Gewinn zu verschaffen,
für den aber die Möglichkeit des Erfolgs nur dann gegeben sei, wenn sich
seine Berechnungen als richtig erweisen, der daher seinen Scharfsinn anstrengen
müsse, ein richtiges, zutreffendes Urteil über den voraussichtlichen Gang der
Preisbewegung zu gewinnen, der aber dennoch gegen Mißerfolge nicht geschützt
sei, weil eine sichre Vorausberechnung unmöglich sei. Aber solche Anschauungen
sind veraltet. Heute ist der Spekulant ein Mensch, der selbst den Gang der
Preisbewegung bestimmen und willkürlich lenken, darum auch stets seine An¬
ordnungen so treffen kann, daß ihm jede Preisschwankung zum Vorteil aus¬
schlägt.

Es liegt auf der Hand, wie leicht und lohnend dadurch die Spekulation
geworden, welche Macht zu raschem und mühelosem Erwerben ungemessener
Reichtümer dem einzelnen Spekulanten damit verliehen ist. Aber wie segens¬
reich könnte auch, richtig angewandt, diese Macht wirken! In einer Zeit außer¬
gewöhnlicher Teuerung z.V., die doch selbst nach agrarischen Begriffen volks¬
wirtschaftlich nachteilig ist, könnten nur beliebige Mengen "Papierweizen" an
die Börse geworfen werden, dadurch würde ein solcher Preisdruck erzeugt
werden, daß die hohen Preise verschwinden würden und damit die Not be¬
seitigt wäre. , Und umgekehrt muß es doch möglich sein, bei richtiger Hand¬
habung dieser Macht die "ruinösen" niedrigen Getreidepreise zu beseitigen und
normale Getreidepreise herzustellen, damit sich der arme Bauer wieder satt
essen kann. -...... '

Darum darf man den Agrariern auch keinen Vorwurf daraus machen,
daß sie eine Macht in die Hände zu bekommen suchen, die sie als unsittlich
und verwerflich bezeichnen, daß sie sich befassen wollen mit dem, wogegen der
Landmann eine tiefe Abneigung hegt, und worauf er sich ganz und gar nicht
verstehen soll.; Ob die Spekulation verwerflich oder berechtigt ist, hängt ja
gänzlich davon ab, wem der Gewinn zufließt. Ihn an die richtige Stelle zu
leiten, das ist eben die Ausgabe, die durch die vorzunehmenden "Wirtschafls-
reformen" gelöst werden soll. ^

Darum war es auch ganz verfehlt und überflüssig, daß von der Speku¬
lation des Herrn v. Plötz solches Geschrei gemacht wurde. Herr v. Plötz hat
nur in der Praxis im einzelnen Falle auszuführen gesucht,/was das agra¬
rische Programm im großen ausführen will. Die Spekulation des Herrn
v, Plötz ließ sich schon genügend damit entschuldigen, daß sie nur ganz klein
war, und daß der, damit verbundne nützliche Zweck der Jnformiruug nur durch
eigne Beteiligung an der Spekulation genügend erreicht werden konnte. Aber
selbst wenn diese Enfchuldigungsgründe uicht zutreffend wären, so bedürfte es


Landwirt und Spekulant

Nun haben sich wohl die meisten bisher unter Spekulation etwas andres
gedacht, als was bei diesen Anklagen darunter verstanden wird. Ein Spe¬
kulant, wurde angenommen, sei jemand, der eine außer ihm liegende Macht,
die Preisbewegung, dazu zu benutzen suche, sich einen Gewinn zu verschaffen,
für den aber die Möglichkeit des Erfolgs nur dann gegeben sei, wenn sich
seine Berechnungen als richtig erweisen, der daher seinen Scharfsinn anstrengen
müsse, ein richtiges, zutreffendes Urteil über den voraussichtlichen Gang der
Preisbewegung zu gewinnen, der aber dennoch gegen Mißerfolge nicht geschützt
sei, weil eine sichre Vorausberechnung unmöglich sei. Aber solche Anschauungen
sind veraltet. Heute ist der Spekulant ein Mensch, der selbst den Gang der
Preisbewegung bestimmen und willkürlich lenken, darum auch stets seine An¬
ordnungen so treffen kann, daß ihm jede Preisschwankung zum Vorteil aus¬
schlägt.

Es liegt auf der Hand, wie leicht und lohnend dadurch die Spekulation
geworden, welche Macht zu raschem und mühelosem Erwerben ungemessener
Reichtümer dem einzelnen Spekulanten damit verliehen ist. Aber wie segens¬
reich könnte auch, richtig angewandt, diese Macht wirken! In einer Zeit außer¬
gewöhnlicher Teuerung z.V., die doch selbst nach agrarischen Begriffen volks¬
wirtschaftlich nachteilig ist, könnten nur beliebige Mengen „Papierweizen" an
die Börse geworfen werden, dadurch würde ein solcher Preisdruck erzeugt
werden, daß die hohen Preise verschwinden würden und damit die Not be¬
seitigt wäre. , Und umgekehrt muß es doch möglich sein, bei richtiger Hand¬
habung dieser Macht die „ruinösen" niedrigen Getreidepreise zu beseitigen und
normale Getreidepreise herzustellen, damit sich der arme Bauer wieder satt
essen kann. -...... '

Darum darf man den Agrariern auch keinen Vorwurf daraus machen,
daß sie eine Macht in die Hände zu bekommen suchen, die sie als unsittlich
und verwerflich bezeichnen, daß sie sich befassen wollen mit dem, wogegen der
Landmann eine tiefe Abneigung hegt, und worauf er sich ganz und gar nicht
verstehen soll.; Ob die Spekulation verwerflich oder berechtigt ist, hängt ja
gänzlich davon ab, wem der Gewinn zufließt. Ihn an die richtige Stelle zu
leiten, das ist eben die Ausgabe, die durch die vorzunehmenden „Wirtschafls-
reformen" gelöst werden soll. ^

Darum war es auch ganz verfehlt und überflüssig, daß von der Speku¬
lation des Herrn v. Plötz solches Geschrei gemacht wurde. Herr v. Plötz hat
nur in der Praxis im einzelnen Falle auszuführen gesucht,/was das agra¬
rische Programm im großen ausführen will. Die Spekulation des Herrn
v, Plötz ließ sich schon genügend damit entschuldigen, daß sie nur ganz klein
war, und daß der, damit verbundne nützliche Zweck der Jnformiruug nur durch
eigne Beteiligung an der Spekulation genügend erreicht werden konnte. Aber
selbst wenn diese Enfchuldigungsgründe uicht zutreffend wären, so bedürfte es


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[0202] Landwirt und Spekulant Nun haben sich wohl die meisten bisher unter Spekulation etwas andres gedacht, als was bei diesen Anklagen darunter verstanden wird. Ein Spe¬ kulant, wurde angenommen, sei jemand, der eine außer ihm liegende Macht, die Preisbewegung, dazu zu benutzen suche, sich einen Gewinn zu verschaffen, für den aber die Möglichkeit des Erfolgs nur dann gegeben sei, wenn sich seine Berechnungen als richtig erweisen, der daher seinen Scharfsinn anstrengen müsse, ein richtiges, zutreffendes Urteil über den voraussichtlichen Gang der Preisbewegung zu gewinnen, der aber dennoch gegen Mißerfolge nicht geschützt sei, weil eine sichre Vorausberechnung unmöglich sei. Aber solche Anschauungen sind veraltet. Heute ist der Spekulant ein Mensch, der selbst den Gang der Preisbewegung bestimmen und willkürlich lenken, darum auch stets seine An¬ ordnungen so treffen kann, daß ihm jede Preisschwankung zum Vorteil aus¬ schlägt. Es liegt auf der Hand, wie leicht und lohnend dadurch die Spekulation geworden, welche Macht zu raschem und mühelosem Erwerben ungemessener Reichtümer dem einzelnen Spekulanten damit verliehen ist. Aber wie segens¬ reich könnte auch, richtig angewandt, diese Macht wirken! In einer Zeit außer¬ gewöhnlicher Teuerung z.V., die doch selbst nach agrarischen Begriffen volks¬ wirtschaftlich nachteilig ist, könnten nur beliebige Mengen „Papierweizen" an die Börse geworfen werden, dadurch würde ein solcher Preisdruck erzeugt werden, daß die hohen Preise verschwinden würden und damit die Not be¬ seitigt wäre. , Und umgekehrt muß es doch möglich sein, bei richtiger Hand¬ habung dieser Macht die „ruinösen" niedrigen Getreidepreise zu beseitigen und normale Getreidepreise herzustellen, damit sich der arme Bauer wieder satt essen kann. -...... ' Darum darf man den Agrariern auch keinen Vorwurf daraus machen, daß sie eine Macht in die Hände zu bekommen suchen, die sie als unsittlich und verwerflich bezeichnen, daß sie sich befassen wollen mit dem, wogegen der Landmann eine tiefe Abneigung hegt, und worauf er sich ganz und gar nicht verstehen soll.; Ob die Spekulation verwerflich oder berechtigt ist, hängt ja gänzlich davon ab, wem der Gewinn zufließt. Ihn an die richtige Stelle zu leiten, das ist eben die Ausgabe, die durch die vorzunehmenden „Wirtschafls- reformen" gelöst werden soll. ^ Darum war es auch ganz verfehlt und überflüssig, daß von der Speku¬ lation des Herrn v. Plötz solches Geschrei gemacht wurde. Herr v. Plötz hat nur in der Praxis im einzelnen Falle auszuführen gesucht,/was das agra¬ rische Programm im großen ausführen will. Die Spekulation des Herrn v, Plötz ließ sich schon genügend damit entschuldigen, daß sie nur ganz klein war, und daß der, damit verbundne nützliche Zweck der Jnformiruug nur durch eigne Beteiligung an der Spekulation genügend erreicht werden konnte. Aber selbst wenn diese Enfchuldigungsgründe uicht zutreffend wären, so bedürfte es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/202>, abgerufen am 01.09.2024.