Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Ernst Lurtius höchst originellen Art, verwickelte wissenschaftliche Gedankenreichen auszudrücken, Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin mehrten sich die litterarischen Denn seit dem Anfange der siebziger Jahre beschäftigte ihn außerdem Aber es war für ihn keine ganz ungemischte Freude. Der künstlerische Ernst Lurtius höchst originellen Art, verwickelte wissenschaftliche Gedankenreichen auszudrücken, Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin mehrten sich die litterarischen Denn seit dem Anfange der siebziger Jahre beschäftigte ihn außerdem Aber es war für ihn keine ganz ungemischte Freude. Der künstlerische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223128"/> <fw type="header" place="top"> Ernst Lurtius</fw><lb/> <p xml:id="ID_562" prev="#ID_561"> höchst originellen Art, verwickelte wissenschaftliche Gedankenreichen auszudrücken,<lb/> eine Fähigkeit, um die ihn viele zu beneiden Ursache haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_563"> Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin mehrten sich die litterarischen<lb/> Angriffe, manche waren mehr sachlich gehalten, manche in bitterm und ge¬<lb/> hässigen Ton, und die Art, wie allmählich jüngere Fachgenossen daran teil¬<lb/> nahmen, zeigte, daß in der Ausdehnung des Kreises eine gewisse Methode lag.<lb/> Ihm mußte die Berufung nach Berlin bei seinem vielseitigen Interesse und bei<lb/> seinen mannichfaltigen, bis in die höchsten Kreise hinaufreichenden Beziehungen<lb/> außerordentlich erwünscht sein. Wenn man aber an seine bedeutende Göttinger<lb/> Lehrthätigkeit und an die Griechische Geschichte dachte, die durch neue Auf¬<lb/> lagen einer immer vollkommnern Gestaltung entgegenznftthren war, so mochte<lb/> man seinen Übergang in die neue Stellung wohl bedauern. Denn die Stellung<lb/> an der Universität und am Museum war für einen Archäologen zugeschnitten,<lb/> und ein Archäolog in dem Sinne, wie sich allmählich diese Disziplin als<lb/> Spezialität auszuwachsen begonnen hatte, war Curtius nicht. Die Einzel¬<lb/> arbeit, deren Hauptwert in der exakten Anwendung einer immer mehr sich<lb/> ausbildenden spezifischen Methode lag, konnten viele andre auch machen.<lb/> Und mancher dachte vielleicht anch, er gehöre besser dahin, von wo Curtius<lb/> uun doch einmal nicht wieder zu verdrängen war. Seine Stärke, worin ihm<lb/> keiner gleichkam, bestand darin, Land und Volk, Geschichte und Kunsterzeugnis<lb/> als Teile eines Ganzen zu erfassen und lebendig darzustellen. Wenn er da¬<lb/> gegen nun zahlreiche Abhandlungen über archäologische Gegenstände schrieb<lb/> und seinen Fachgenossen zeigte, daß er ihnen auch auf dieses Gebiet zu folgen<lb/> vermochte, so hatten doch die einstigen Schüler und Freunde aus der Göttinger<lb/> Zeit dabei den Eindruck, daß es nun wohl mit der idealen Vollendung der<lb/> Griechischen Geschichte gute Weile haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> Denn seit dem Anfange der siebziger Jahre beschäftigte ihn außerdem<lb/> schon die dritte große Aufgabe seines Lebens, die Wiederentdecknng von Olympia.<lb/> Den Erfolg seines Unternehmens kennt jeder Gebildete, und der berühmte Ver¬<lb/> fasser der Griechischen Geschichte ist dadurch auch zu einem volkstümlichen Manne<lb/> geworden. Von ihm war die Anregung ausgegangen, er wußte mit unab¬<lb/> lässigem Eifer die Mittel dafür flüssig zu machen, er suchte in persönlicher<lb/> Teilnahme und mit seinen wissenschaftlichen Gedanken das Werk zu fördern,<lb/> bis es vom Staate übernommen und gesichert, auf Hilfsarbeiter verteilt und<lb/> zuletzt auf den ordnungsmäßigen Weg einer großen, vornehmen litterarischen<lb/> Publikation geleitet wordeu war. Das große Verdienst, dieses ungeheure<lb/> wissenschaftliche Material beschafft zu haben, gebührt ihm allein.</p><lb/> <p xml:id="ID_565" next="#ID_566"> Aber es war für ihn keine ganz ungemischte Freude. Der künstlerische<lb/> Ertrag von Olympia hat bekanntlich den nicht voreingenommnen Kennern einige<lb/> Enttäuschung bereitet. Man hatte auf einen zweiten Phidias gehofft, auf einen<lb/> womöglich noch schönern Figurenschmuck, als der des Parthenon war, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Ernst Lurtius
höchst originellen Art, verwickelte wissenschaftliche Gedankenreichen auszudrücken,
eine Fähigkeit, um die ihn viele zu beneiden Ursache haben!
Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin mehrten sich die litterarischen
Angriffe, manche waren mehr sachlich gehalten, manche in bitterm und ge¬
hässigen Ton, und die Art, wie allmählich jüngere Fachgenossen daran teil¬
nahmen, zeigte, daß in der Ausdehnung des Kreises eine gewisse Methode lag.
Ihm mußte die Berufung nach Berlin bei seinem vielseitigen Interesse und bei
seinen mannichfaltigen, bis in die höchsten Kreise hinaufreichenden Beziehungen
außerordentlich erwünscht sein. Wenn man aber an seine bedeutende Göttinger
Lehrthätigkeit und an die Griechische Geschichte dachte, die durch neue Auf¬
lagen einer immer vollkommnern Gestaltung entgegenznftthren war, so mochte
man seinen Übergang in die neue Stellung wohl bedauern. Denn die Stellung
an der Universität und am Museum war für einen Archäologen zugeschnitten,
und ein Archäolog in dem Sinne, wie sich allmählich diese Disziplin als
Spezialität auszuwachsen begonnen hatte, war Curtius nicht. Die Einzel¬
arbeit, deren Hauptwert in der exakten Anwendung einer immer mehr sich
ausbildenden spezifischen Methode lag, konnten viele andre auch machen.
Und mancher dachte vielleicht anch, er gehöre besser dahin, von wo Curtius
uun doch einmal nicht wieder zu verdrängen war. Seine Stärke, worin ihm
keiner gleichkam, bestand darin, Land und Volk, Geschichte und Kunsterzeugnis
als Teile eines Ganzen zu erfassen und lebendig darzustellen. Wenn er da¬
gegen nun zahlreiche Abhandlungen über archäologische Gegenstände schrieb
und seinen Fachgenossen zeigte, daß er ihnen auch auf dieses Gebiet zu folgen
vermochte, so hatten doch die einstigen Schüler und Freunde aus der Göttinger
Zeit dabei den Eindruck, daß es nun wohl mit der idealen Vollendung der
Griechischen Geschichte gute Weile haben würde.
Denn seit dem Anfange der siebziger Jahre beschäftigte ihn außerdem
schon die dritte große Aufgabe seines Lebens, die Wiederentdecknng von Olympia.
Den Erfolg seines Unternehmens kennt jeder Gebildete, und der berühmte Ver¬
fasser der Griechischen Geschichte ist dadurch auch zu einem volkstümlichen Manne
geworden. Von ihm war die Anregung ausgegangen, er wußte mit unab¬
lässigem Eifer die Mittel dafür flüssig zu machen, er suchte in persönlicher
Teilnahme und mit seinen wissenschaftlichen Gedanken das Werk zu fördern,
bis es vom Staate übernommen und gesichert, auf Hilfsarbeiter verteilt und
zuletzt auf den ordnungsmäßigen Weg einer großen, vornehmen litterarischen
Publikation geleitet wordeu war. Das große Verdienst, dieses ungeheure
wissenschaftliche Material beschafft zu haben, gebührt ihm allein.
Aber es war für ihn keine ganz ungemischte Freude. Der künstlerische
Ertrag von Olympia hat bekanntlich den nicht voreingenommnen Kennern einige
Enttäuschung bereitet. Man hatte auf einen zweiten Phidias gehofft, auf einen
womöglich noch schönern Figurenschmuck, als der des Parthenon war, und
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