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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zur allgemeinen Wehrpflicht

Worten in unserm Schul-und Vereiusturnen die Ausbildung im Heere wesent¬
lich fördern würde. Insbesondre könnten auch bei den Freiübungen, beim
Marschieren, bei den Wendungen in dem bürgerlichen Schul- und Vereinsturnen
dieselben Kommandoworte und Formationsveränderungen angewandt werden,
die in den Vorschriften für das Heer bestehen. Wenn die Rekruten diese Kennt-
nisse mitbrächten, dann wäre ihnen die Strammheit und die genaue Ausführung,
wie sie unter den Waffen verlangt werden muß, bald beigebracht. Die Zeit
von zwei Jahren bei der Fahne würde dann umsomehr ausreichen, die Leute
im Gebrauch der Waffen, im Schießen und im Felddicnst auszubilden.

So sehr ich aber Turnen und Leibesübungen aller Art im Hinblick auf
den Dienst im Heere befürworte, ebenso sehr muß ich mich gegen die soge¬
nannten Schülerbataillone und vollends gegen Schießübungen der Jugend aus¬
sprechen. Die Schülerbataillvne sind eine nutzlose Spielerei, bei der die Uniform
die Hauptrolle ist. Frankreich hat deshalb seine Schülerbataillone vernünftiger¬
weise wieder abgeschafft.

Dagegen könnte unser Vereinswesen, die Schützenvereine, die Krieger¬
vereine ganz anders ausgenutzt werden, als wie es jetzt geschieht. Unsre Schützen-
Vereine schießen mit Büchsen und Gewehren aller Art auf kleine Entfernungen,
wie sie im Kriege kaum jemals vorkommen, um silberne Löffel nud Becher.
Eine Organisation dieser Vereine, bei der sie nötigenfalls in Zeiten der Gefahr,
sei es auch uur innerhalb der Landesgrenzen, verwendet werden könnten, be¬
steht nicht, eine gleichmäßige Bewaffnung, die einen steten Mnnitionsersatz
sicherte, ist nicht vorhanden. Italien und die Schweiz suchen ihre Schützen¬
vereine in dieser Richtung auszubilden. Man schießt dort vielfach mit Or¬
donnanzgewehren, d. h. mit solchen, die im Heere eingeführt sind, und der Staat
giebt nnr an solche Vereine Preise, die Militärgewehre führen und nach Zielen
schießen, wie sie im Ernstfalle vorkommen. Es ist das um so eher möglich,
als unsre heutigen Militärgcwehre in allen Staaten mindestens so gut und
so fein schießen, als die beste alte Standbüchse.

Ein weiteres Feld der Vereinsthätigkeit wäre die Pflege und der Trans¬
port von Kranken und Verwundeten. Wir haben ja solche Vereine, aber noch
nicht in hinreichender Zahl und Organisation. Ihre Thätigkeit ist nicht zen-
trcilisirt genug. Schon im Frieden müßten unsre Vereine noch mehr nnter
zentraler Leitung Provinzen- und städteweise gruppirt sein, sodaß mit dem
Befehle zur Mobilmachung für das Heer auch die Sanitätskvlvnnen für Heimat
und Feld, die bewaffneten Schützenvereine zur Unterstützung der Besatzungen
sertig und wohl ausgerüstet zusammentreten könnten, jederzeit ihrer Verwendung
gewärtig. An geeigneten Führern aller Grade kann es doch uicht fehlen bei
der großen Zahl unsrer Offiziere a. D. und z. D., die im mobilen Heere bei
weitem nicht alle Verwendung finden, in der Heimat aber dem Verbände gute
Dienste leisten könnten.


Zur allgemeinen Wehrpflicht

Worten in unserm Schul-und Vereiusturnen die Ausbildung im Heere wesent¬
lich fördern würde. Insbesondre könnten auch bei den Freiübungen, beim
Marschieren, bei den Wendungen in dem bürgerlichen Schul- und Vereinsturnen
dieselben Kommandoworte und Formationsveränderungen angewandt werden,
die in den Vorschriften für das Heer bestehen. Wenn die Rekruten diese Kennt-
nisse mitbrächten, dann wäre ihnen die Strammheit und die genaue Ausführung,
wie sie unter den Waffen verlangt werden muß, bald beigebracht. Die Zeit
von zwei Jahren bei der Fahne würde dann umsomehr ausreichen, die Leute
im Gebrauch der Waffen, im Schießen und im Felddicnst auszubilden.

So sehr ich aber Turnen und Leibesübungen aller Art im Hinblick auf
den Dienst im Heere befürworte, ebenso sehr muß ich mich gegen die soge¬
nannten Schülerbataillone und vollends gegen Schießübungen der Jugend aus¬
sprechen. Die Schülerbataillvne sind eine nutzlose Spielerei, bei der die Uniform
die Hauptrolle ist. Frankreich hat deshalb seine Schülerbataillone vernünftiger¬
weise wieder abgeschafft.

Dagegen könnte unser Vereinswesen, die Schützenvereine, die Krieger¬
vereine ganz anders ausgenutzt werden, als wie es jetzt geschieht. Unsre Schützen-
Vereine schießen mit Büchsen und Gewehren aller Art auf kleine Entfernungen,
wie sie im Kriege kaum jemals vorkommen, um silberne Löffel nud Becher.
Eine Organisation dieser Vereine, bei der sie nötigenfalls in Zeiten der Gefahr,
sei es auch uur innerhalb der Landesgrenzen, verwendet werden könnten, be¬
steht nicht, eine gleichmäßige Bewaffnung, die einen steten Mnnitionsersatz
sicherte, ist nicht vorhanden. Italien und die Schweiz suchen ihre Schützen¬
vereine in dieser Richtung auszubilden. Man schießt dort vielfach mit Or¬
donnanzgewehren, d. h. mit solchen, die im Heere eingeführt sind, und der Staat
giebt nnr an solche Vereine Preise, die Militärgewehre führen und nach Zielen
schießen, wie sie im Ernstfalle vorkommen. Es ist das um so eher möglich,
als unsre heutigen Militärgcwehre in allen Staaten mindestens so gut und
so fein schießen, als die beste alte Standbüchse.

Ein weiteres Feld der Vereinsthätigkeit wäre die Pflege und der Trans¬
port von Kranken und Verwundeten. Wir haben ja solche Vereine, aber noch
nicht in hinreichender Zahl und Organisation. Ihre Thätigkeit ist nicht zen-
trcilisirt genug. Schon im Frieden müßten unsre Vereine noch mehr nnter
zentraler Leitung Provinzen- und städteweise gruppirt sein, sodaß mit dem
Befehle zur Mobilmachung für das Heer auch die Sanitätskvlvnnen für Heimat
und Feld, die bewaffneten Schützenvereine zur Unterstützung der Besatzungen
sertig und wohl ausgerüstet zusammentreten könnten, jederzeit ihrer Verwendung
gewärtig. An geeigneten Führern aller Grade kann es doch uicht fehlen bei
der großen Zahl unsrer Offiziere a. D. und z. D., die im mobilen Heere bei
weitem nicht alle Verwendung finden, in der Heimat aber dem Verbände gute
Dienste leisten könnten.


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[0167] Zur allgemeinen Wehrpflicht Worten in unserm Schul-und Vereiusturnen die Ausbildung im Heere wesent¬ lich fördern würde. Insbesondre könnten auch bei den Freiübungen, beim Marschieren, bei den Wendungen in dem bürgerlichen Schul- und Vereinsturnen dieselben Kommandoworte und Formationsveränderungen angewandt werden, die in den Vorschriften für das Heer bestehen. Wenn die Rekruten diese Kennt- nisse mitbrächten, dann wäre ihnen die Strammheit und die genaue Ausführung, wie sie unter den Waffen verlangt werden muß, bald beigebracht. Die Zeit von zwei Jahren bei der Fahne würde dann umsomehr ausreichen, die Leute im Gebrauch der Waffen, im Schießen und im Felddicnst auszubilden. So sehr ich aber Turnen und Leibesübungen aller Art im Hinblick auf den Dienst im Heere befürworte, ebenso sehr muß ich mich gegen die soge¬ nannten Schülerbataillone und vollends gegen Schießübungen der Jugend aus¬ sprechen. Die Schülerbataillvne sind eine nutzlose Spielerei, bei der die Uniform die Hauptrolle ist. Frankreich hat deshalb seine Schülerbataillone vernünftiger¬ weise wieder abgeschafft. Dagegen könnte unser Vereinswesen, die Schützenvereine, die Krieger¬ vereine ganz anders ausgenutzt werden, als wie es jetzt geschieht. Unsre Schützen- Vereine schießen mit Büchsen und Gewehren aller Art auf kleine Entfernungen, wie sie im Kriege kaum jemals vorkommen, um silberne Löffel nud Becher. Eine Organisation dieser Vereine, bei der sie nötigenfalls in Zeiten der Gefahr, sei es auch uur innerhalb der Landesgrenzen, verwendet werden könnten, be¬ steht nicht, eine gleichmäßige Bewaffnung, die einen steten Mnnitionsersatz sicherte, ist nicht vorhanden. Italien und die Schweiz suchen ihre Schützen¬ vereine in dieser Richtung auszubilden. Man schießt dort vielfach mit Or¬ donnanzgewehren, d. h. mit solchen, die im Heere eingeführt sind, und der Staat giebt nnr an solche Vereine Preise, die Militärgewehre führen und nach Zielen schießen, wie sie im Ernstfalle vorkommen. Es ist das um so eher möglich, als unsre heutigen Militärgcwehre in allen Staaten mindestens so gut und so fein schießen, als die beste alte Standbüchse. Ein weiteres Feld der Vereinsthätigkeit wäre die Pflege und der Trans¬ port von Kranken und Verwundeten. Wir haben ja solche Vereine, aber noch nicht in hinreichender Zahl und Organisation. Ihre Thätigkeit ist nicht zen- trcilisirt genug. Schon im Frieden müßten unsre Vereine noch mehr nnter zentraler Leitung Provinzen- und städteweise gruppirt sein, sodaß mit dem Befehle zur Mobilmachung für das Heer auch die Sanitätskvlvnnen für Heimat und Feld, die bewaffneten Schützenvereine zur Unterstützung der Besatzungen sertig und wohl ausgerüstet zusammentreten könnten, jederzeit ihrer Verwendung gewärtig. An geeigneten Führern aller Grade kann es doch uicht fehlen bei der großen Zahl unsrer Offiziere a. D. und z. D., die im mobilen Heere bei weitem nicht alle Verwendung finden, in der Heimat aber dem Verbände gute Dienste leisten könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/167>, abgerufen am 01.09.2024.