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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Gin wirtschaftspolitischer Rückblick

as Jubiläum der Aufhebung der KoruMe in England hat unsre
Hochschutzzöllner nervös gemacht. Sie haben den Freihcmdels-
gedcmkeu lange für einen Toten gehalten und für einen Toten
erklärt; daß er noch Lebenszeichen verrät, kommt ihnen, wie es
scheint, nicht ganz gelegen. Zwar daß er tot sei und nie wieder
zum Leben zurückkehren könne, behaupten sie auch noch. Sie geben ihrer Ver¬
achtung den stärksten Ausdruck. In der üblichen Weise wird übertrieben,
werden die eignen Parteianschauungen für die Stimme des Volkes ausgegeben,
während auf der andern Seite nur eine geringe Zahl verbissener Doktrinäre
stehen soll. Dennoch klingt einige Besorgnis durch, daß ähnliche Bestrebungen,
wie die, die damals den Sieg errangen, wieder mächtig werden könnten.

Nun ist es ja verkehrt, zu meinen, daß sich der heutige wirtschaftspolitische
Kampf in dem Gegensatz von Freihandel und Schutzzoll erschöpfe, oder daß er
ihm auch nur hauptsächlich das Gepräge gebe. Dieser Gegensatz deckt sich
'"ehe einmal mit dem. der für den heutige" Kampf hauptsächlich bezeichnend
ist. Mancher, der nicht grundsätzlich Freihändler ist und jeden Schutzzoll ver¬
wirft, mißbilligt doch entschieden die heute von den Agrariern vertretncn Be¬
strebungen. Die ganze Schutzzollfrage ist heute, wenn auch uur vorläufig,
ziemlich zurückgetreten. Das Verlangen, daß die Kornzölle aufgehoben werden
sollen, wird zur Zeit uicht gestellt. Näher, als durch Hervorheben der Gegen¬
sätze auf diesem Gebiet, kommt man daher wohl der Sache, wenn man sagt,
es handle sich darum, ob sich der Staat einmischen solle oder nicht. Aber
auch das ist uicht ganz zutreffend. Viele sind nicht grundsätzliche Gegner
jeder Staatseiumischuug, aber sie wollen doch nicht, daß der Staat in der
Weise das wirtschaftliche Leben bevormunde und überwache, wie es heute von
gewisser Seite verlangt wird. Am richtigsten aber ist es wohl, zu sagen, daß
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zn III 1896 W


Gin wirtschaftspolitischer Rückblick

as Jubiläum der Aufhebung der KoruMe in England hat unsre
Hochschutzzöllner nervös gemacht. Sie haben den Freihcmdels-
gedcmkeu lange für einen Toten gehalten und für einen Toten
erklärt; daß er noch Lebenszeichen verrät, kommt ihnen, wie es
scheint, nicht ganz gelegen. Zwar daß er tot sei und nie wieder
zum Leben zurückkehren könne, behaupten sie auch noch. Sie geben ihrer Ver¬
achtung den stärksten Ausdruck. In der üblichen Weise wird übertrieben,
werden die eignen Parteianschauungen für die Stimme des Volkes ausgegeben,
während auf der andern Seite nur eine geringe Zahl verbissener Doktrinäre
stehen soll. Dennoch klingt einige Besorgnis durch, daß ähnliche Bestrebungen,
wie die, die damals den Sieg errangen, wieder mächtig werden könnten.

Nun ist es ja verkehrt, zu meinen, daß sich der heutige wirtschaftspolitische
Kampf in dem Gegensatz von Freihandel und Schutzzoll erschöpfe, oder daß er
ihm auch nur hauptsächlich das Gepräge gebe. Dieser Gegensatz deckt sich
'"ehe einmal mit dem. der für den heutige» Kampf hauptsächlich bezeichnend
ist. Mancher, der nicht grundsätzlich Freihändler ist und jeden Schutzzoll ver¬
wirft, mißbilligt doch entschieden die heute von den Agrariern vertretncn Be¬
strebungen. Die ganze Schutzzollfrage ist heute, wenn auch uur vorläufig,
ziemlich zurückgetreten. Das Verlangen, daß die Kornzölle aufgehoben werden
sollen, wird zur Zeit uicht gestellt. Näher, als durch Hervorheben der Gegen¬
sätze auf diesem Gebiet, kommt man daher wohl der Sache, wenn man sagt,
es handle sich darum, ob sich der Staat einmischen solle oder nicht. Aber
auch das ist uicht ganz zutreffend. Viele sind nicht grundsätzliche Gegner
jeder Staatseiumischuug, aber sie wollen doch nicht, daß der Staat in der
Weise das wirtschaftliche Leben bevormunde und überwache, wie es heute von
gewisser Seite verlangt wird. Am richtigsten aber ist es wohl, zu sagen, daß
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[0153] [Abbildung] Gin wirtschaftspolitischer Rückblick as Jubiläum der Aufhebung der KoruMe in England hat unsre Hochschutzzöllner nervös gemacht. Sie haben den Freihcmdels- gedcmkeu lange für einen Toten gehalten und für einen Toten erklärt; daß er noch Lebenszeichen verrät, kommt ihnen, wie es scheint, nicht ganz gelegen. Zwar daß er tot sei und nie wieder zum Leben zurückkehren könne, behaupten sie auch noch. Sie geben ihrer Ver¬ achtung den stärksten Ausdruck. In der üblichen Weise wird übertrieben, werden die eignen Parteianschauungen für die Stimme des Volkes ausgegeben, während auf der andern Seite nur eine geringe Zahl verbissener Doktrinäre stehen soll. Dennoch klingt einige Besorgnis durch, daß ähnliche Bestrebungen, wie die, die damals den Sieg errangen, wieder mächtig werden könnten. Nun ist es ja verkehrt, zu meinen, daß sich der heutige wirtschaftspolitische Kampf in dem Gegensatz von Freihandel und Schutzzoll erschöpfe, oder daß er ihm auch nur hauptsächlich das Gepräge gebe. Dieser Gegensatz deckt sich '"ehe einmal mit dem. der für den heutige» Kampf hauptsächlich bezeichnend ist. Mancher, der nicht grundsätzlich Freihändler ist und jeden Schutzzoll ver¬ wirft, mißbilligt doch entschieden die heute von den Agrariern vertretncn Be¬ strebungen. Die ganze Schutzzollfrage ist heute, wenn auch uur vorläufig, ziemlich zurückgetreten. Das Verlangen, daß die Kornzölle aufgehoben werden sollen, wird zur Zeit uicht gestellt. Näher, als durch Hervorheben der Gegen¬ sätze auf diesem Gebiet, kommt man daher wohl der Sache, wenn man sagt, es handle sich darum, ob sich der Staat einmischen solle oder nicht. Aber auch das ist uicht ganz zutreffend. Viele sind nicht grundsätzliche Gegner jeder Staatseiumischuug, aber sie wollen doch nicht, daß der Staat in der Weise das wirtschaftliche Leben bevormunde und überwache, wie es heute von gewisser Seite verlangt wird. Am richtigsten aber ist es wohl, zu sagen, daß Grcnlwtc zn III 1896 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/153>, abgerufen am 25.11.2024.