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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Der Zwischenhandel

dem Risiko, das er mit dem Verkauf dieser Ware übernimmt. Bei Waren,
die sehr leicht altmodisch werden oder verderben können, bei Luxuswaren, bei
denen man leicht den Geschmack des Publikums verfehlen kann, wird der
Verdienst höher sein als beim Verkauf von Spiritus und Schieferstiften. Dazu
kommt, daß sich die Menschen leichter entschließen, mit sogenannten Stapelartikeln
als mit riskantem Waren zu handeln; infolgedessen ist für die Stapelartikel die
Konkurrenz am größten und der Verdienst am kleinsten. Deshalb sammeln
auch die Inhaber der Bazare für Proletarierbedarf so schwer größere Vermögen.
Während an Waren, die für den Kulturmenschen unumgänglich notwendig sind,
sehr wenig verdient wird, wird an Waren, die einem wenn auch noch so geringen
Luxus dienen, verhältnismäßig viel verdient. Der Verdienst beläuft sich nament¬
lich dann oft auf 50 bis 100 Prozent, wenn die Ausgabe an sich gering ist,
die Abnutzung des betreffenden Gegenstandes aber ziemlich langsam vor sich geht,
z. B. bei Cigarrenspitzen. Daß Verleger hausindustrieller Ware durch maßlose
Ausbeutung der Arbeitskräfte oft enorme Verdienste herauswirtschaften, ist
bekannt. Es wird dann meistens der Preis verlangt und bezahlt, den die
Ware in Anbetracht ihrer primitiven Herstellung mit der Hand oder an kleinen
Maschinen ohne Motorenbetrieb haben müßte, wenn der Arbeiter den Durch¬
schnittslohn für gelernte Arbeit erhielte.

Niemand wird bestreikn, daß die Zersplitterung des Detailhandels, die
zur Zeit wohl aber ihre größte Ausdehnung schon überschritten hat, einen
großen Schaden für die Volkswirtschaft bedeutet. Wir haben aber gesehen,
daß diese Zersplitterung nur eine Stufe in dem Entwicklungsgange des Handels
ist, die auch wieder überwunden werden wird. Und da wir die Entwicklung als
notwendig erkannt haben, wird es niemandem in den Sinn kommen, logische
Ergebnisse durch Gewalt oder freundliche Worte aus der Welt schaffen zu
wollen. Am letzten Ende der Entwicklung steht wohl das, was sich Uhlenhorst
wünscht: Organisirung der Konsumenten als solcher in Konsumvereinen, Ge¬
meinde- und Staatssozialismus. Derartige Einrichtungen aber einer Zeit
aufdrängen wollen, die noch nicht reif dafür ist, ist sinnlos.




Der Zwischenhandel

dem Risiko, das er mit dem Verkauf dieser Ware übernimmt. Bei Waren,
die sehr leicht altmodisch werden oder verderben können, bei Luxuswaren, bei
denen man leicht den Geschmack des Publikums verfehlen kann, wird der
Verdienst höher sein als beim Verkauf von Spiritus und Schieferstiften. Dazu
kommt, daß sich die Menschen leichter entschließen, mit sogenannten Stapelartikeln
als mit riskantem Waren zu handeln; infolgedessen ist für die Stapelartikel die
Konkurrenz am größten und der Verdienst am kleinsten. Deshalb sammeln
auch die Inhaber der Bazare für Proletarierbedarf so schwer größere Vermögen.
Während an Waren, die für den Kulturmenschen unumgänglich notwendig sind,
sehr wenig verdient wird, wird an Waren, die einem wenn auch noch so geringen
Luxus dienen, verhältnismäßig viel verdient. Der Verdienst beläuft sich nament¬
lich dann oft auf 50 bis 100 Prozent, wenn die Ausgabe an sich gering ist,
die Abnutzung des betreffenden Gegenstandes aber ziemlich langsam vor sich geht,
z. B. bei Cigarrenspitzen. Daß Verleger hausindustrieller Ware durch maßlose
Ausbeutung der Arbeitskräfte oft enorme Verdienste herauswirtschaften, ist
bekannt. Es wird dann meistens der Preis verlangt und bezahlt, den die
Ware in Anbetracht ihrer primitiven Herstellung mit der Hand oder an kleinen
Maschinen ohne Motorenbetrieb haben müßte, wenn der Arbeiter den Durch¬
schnittslohn für gelernte Arbeit erhielte.

Niemand wird bestreikn, daß die Zersplitterung des Detailhandels, die
zur Zeit wohl aber ihre größte Ausdehnung schon überschritten hat, einen
großen Schaden für die Volkswirtschaft bedeutet. Wir haben aber gesehen,
daß diese Zersplitterung nur eine Stufe in dem Entwicklungsgange des Handels
ist, die auch wieder überwunden werden wird. Und da wir die Entwicklung als
notwendig erkannt haben, wird es niemandem in den Sinn kommen, logische
Ergebnisse durch Gewalt oder freundliche Worte aus der Welt schaffen zu
wollen. Am letzten Ende der Entwicklung steht wohl das, was sich Uhlenhorst
wünscht: Organisirung der Konsumenten als solcher in Konsumvereinen, Ge¬
meinde- und Staatssozialismus. Derartige Einrichtungen aber einer Zeit
aufdrängen wollen, die noch nicht reif dafür ist, ist sinnlos.




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[0072] Der Zwischenhandel dem Risiko, das er mit dem Verkauf dieser Ware übernimmt. Bei Waren, die sehr leicht altmodisch werden oder verderben können, bei Luxuswaren, bei denen man leicht den Geschmack des Publikums verfehlen kann, wird der Verdienst höher sein als beim Verkauf von Spiritus und Schieferstiften. Dazu kommt, daß sich die Menschen leichter entschließen, mit sogenannten Stapelartikeln als mit riskantem Waren zu handeln; infolgedessen ist für die Stapelartikel die Konkurrenz am größten und der Verdienst am kleinsten. Deshalb sammeln auch die Inhaber der Bazare für Proletarierbedarf so schwer größere Vermögen. Während an Waren, die für den Kulturmenschen unumgänglich notwendig sind, sehr wenig verdient wird, wird an Waren, die einem wenn auch noch so geringen Luxus dienen, verhältnismäßig viel verdient. Der Verdienst beläuft sich nament¬ lich dann oft auf 50 bis 100 Prozent, wenn die Ausgabe an sich gering ist, die Abnutzung des betreffenden Gegenstandes aber ziemlich langsam vor sich geht, z. B. bei Cigarrenspitzen. Daß Verleger hausindustrieller Ware durch maßlose Ausbeutung der Arbeitskräfte oft enorme Verdienste herauswirtschaften, ist bekannt. Es wird dann meistens der Preis verlangt und bezahlt, den die Ware in Anbetracht ihrer primitiven Herstellung mit der Hand oder an kleinen Maschinen ohne Motorenbetrieb haben müßte, wenn der Arbeiter den Durch¬ schnittslohn für gelernte Arbeit erhielte. Niemand wird bestreikn, daß die Zersplitterung des Detailhandels, die zur Zeit wohl aber ihre größte Ausdehnung schon überschritten hat, einen großen Schaden für die Volkswirtschaft bedeutet. Wir haben aber gesehen, daß diese Zersplitterung nur eine Stufe in dem Entwicklungsgange des Handels ist, die auch wieder überwunden werden wird. Und da wir die Entwicklung als notwendig erkannt haben, wird es niemandem in den Sinn kommen, logische Ergebnisse durch Gewalt oder freundliche Worte aus der Welt schaffen zu wollen. Am letzten Ende der Entwicklung steht wohl das, was sich Uhlenhorst wünscht: Organisirung der Konsumenten als solcher in Konsumvereinen, Ge¬ meinde- und Staatssozialismus. Derartige Einrichtungen aber einer Zeit aufdrängen wollen, die noch nicht reif dafür ist, ist sinnlos.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/72>, abgerufen am 24.08.2024.