zogen, so weiß ich auch, daß sie in derselben Verblendung befangen sind, die damals den Dänen so verhängnisvoll wurde, und die für uns ebenfalls schäd¬ liche Wirkungen haben muß, wenn auch der ganzen Lage nach der Ausgang für uns nicht derselbe sein kann wie damals für die Dünen. Die Dünen sind schuld, so heißt es, sie sind die Angreifer, gegen die wir uns wehren müssen. Es ist richtig, daß die Dünen die Beilegung des nationalen Kampfes zu hindern suchen, aber sie verfahren so nicht aus grundsätzlicher Lust am Streit, sondern weil sie mit dem bestehenden Zustand nicht zufrieden sind und seine Beseitigung erstreben. Und -- wir haben es nicht besser gemacht zu der Zeit, als wir der Amboß und die Dänen der Hammer waren. Ebenso ein¬ seitig und befangen wie heute das Urteil der dänischen Nordschleswiger über Deutschland und alles Deutsche, war damals unser Urteil über Dänemark und die Dänen. Man wollte gute Eigenschaften weder dem dänischen Volke im ganzen noch dem einzelnen unter der deutschen Bevölkerung wohnenden Dänen zuerkennen. Vor meiner kindlichen Phantasie stand der Däne da als ein Mensch, dem man nichts gutes, wohl aber viel böses zutrauen könnte, und es ist mir bei meinem spätern Verkehr mit den Dänen mitunter ordentlich komisch ge¬ wesen, wenn ich daran zurückdachte, welche Anschauungen über die Dänen ich sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte. Man wollte von der dänischen Negierung keine Wohlthaten; man stieß den einzelnen Dänen zurück, wo er Annäherung versuchte. Der Gebildete mochte ihm nicht gastlich sein Haus öffnen, und wenn doch, was ja fast unvermeidlich war, ein Däne oder Dünen- freund Eingang in einen deutschen Familienkreis fand, so herrschte darin ein Gefühl der Beklommenheit, das erst wich, wenn sich der unwillkommne Gast verabschiedete. Was immer von dänischer Seite gegen uns gesündigt werden mochte, in diesem Verhalten der Deutschen lag doch eine Ungerechtigkeit, aber eine gewollte und bewußte Ungerechtigkeit, denn sie war die Schutzwehr unsrer Nationalität; sie sollte das Aufgehen in der dänischen Nationalität hindern.
Es ist nicht zu verwundern, daß bei dieser Stimmung die wohlwollende Ermahnung zur Besserung nichts fruchtet. Auch dies wiederholt sich. Man stellt den Dänen vor, wie gut man es mit ihnen meine, daß man nur ihr eignes Bestes wolle, indem man sie vollständig zu dem mache, was sie eigent¬ lich schon seien, zu Deutschen. Aber die nordschleswigschen Bauern sind ebenso schwer von Begriffen, wie es unter der Däuenherrschaft die Bewohner der Landschaft Angeln waren; sie haben für die ihnen zugedachte Wohlthat kein Verständnis. Auch die verlockende Aussicht, von allen Plackereien befreit zu werden, kann keine Bekehrung bewirken. Man sagt den Dänen,, ähnlich wie Herr von Stumm und seine Freunde auf die Sozialdemokratie einzuwirken suchen: Sobald ihr artige Kinder seid, legen wir die Rute weg. Aber den Dänen ist es gar nicht so sehr um Ruhe zu thun, wie hierbei vorausgesetzt wird. Sie wollen den ihnen cmgebotnen Frieden nicht, wenn dabei zur Be-
Ein ZVort zum deutsch-dänischen Streit
zogen, so weiß ich auch, daß sie in derselben Verblendung befangen sind, die damals den Dänen so verhängnisvoll wurde, und die für uns ebenfalls schäd¬ liche Wirkungen haben muß, wenn auch der ganzen Lage nach der Ausgang für uns nicht derselbe sein kann wie damals für die Dünen. Die Dünen sind schuld, so heißt es, sie sind die Angreifer, gegen die wir uns wehren müssen. Es ist richtig, daß die Dünen die Beilegung des nationalen Kampfes zu hindern suchen, aber sie verfahren so nicht aus grundsätzlicher Lust am Streit, sondern weil sie mit dem bestehenden Zustand nicht zufrieden sind und seine Beseitigung erstreben. Und — wir haben es nicht besser gemacht zu der Zeit, als wir der Amboß und die Dänen der Hammer waren. Ebenso ein¬ seitig und befangen wie heute das Urteil der dänischen Nordschleswiger über Deutschland und alles Deutsche, war damals unser Urteil über Dänemark und die Dänen. Man wollte gute Eigenschaften weder dem dänischen Volke im ganzen noch dem einzelnen unter der deutschen Bevölkerung wohnenden Dänen zuerkennen. Vor meiner kindlichen Phantasie stand der Däne da als ein Mensch, dem man nichts gutes, wohl aber viel böses zutrauen könnte, und es ist mir bei meinem spätern Verkehr mit den Dänen mitunter ordentlich komisch ge¬ wesen, wenn ich daran zurückdachte, welche Anschauungen über die Dänen ich sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte. Man wollte von der dänischen Negierung keine Wohlthaten; man stieß den einzelnen Dänen zurück, wo er Annäherung versuchte. Der Gebildete mochte ihm nicht gastlich sein Haus öffnen, und wenn doch, was ja fast unvermeidlich war, ein Däne oder Dünen- freund Eingang in einen deutschen Familienkreis fand, so herrschte darin ein Gefühl der Beklommenheit, das erst wich, wenn sich der unwillkommne Gast verabschiedete. Was immer von dänischer Seite gegen uns gesündigt werden mochte, in diesem Verhalten der Deutschen lag doch eine Ungerechtigkeit, aber eine gewollte und bewußte Ungerechtigkeit, denn sie war die Schutzwehr unsrer Nationalität; sie sollte das Aufgehen in der dänischen Nationalität hindern.
Es ist nicht zu verwundern, daß bei dieser Stimmung die wohlwollende Ermahnung zur Besserung nichts fruchtet. Auch dies wiederholt sich. Man stellt den Dänen vor, wie gut man es mit ihnen meine, daß man nur ihr eignes Bestes wolle, indem man sie vollständig zu dem mache, was sie eigent¬ lich schon seien, zu Deutschen. Aber die nordschleswigschen Bauern sind ebenso schwer von Begriffen, wie es unter der Däuenherrschaft die Bewohner der Landschaft Angeln waren; sie haben für die ihnen zugedachte Wohlthat kein Verständnis. Auch die verlockende Aussicht, von allen Plackereien befreit zu werden, kann keine Bekehrung bewirken. Man sagt den Dänen,, ähnlich wie Herr von Stumm und seine Freunde auf die Sozialdemokratie einzuwirken suchen: Sobald ihr artige Kinder seid, legen wir die Rute weg. Aber den Dänen ist es gar nicht so sehr um Ruhe zu thun, wie hierbei vorausgesetzt wird. Sie wollen den ihnen cmgebotnen Frieden nicht, wenn dabei zur Be-
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Ein ZVort zum deutsch-dänischen Streit
zogen, so weiß ich auch, daß sie in derselben Verblendung befangen sind, die
damals den Dänen so verhängnisvoll wurde, und die für uns ebenfalls schäd¬
liche Wirkungen haben muß, wenn auch der ganzen Lage nach der Ausgang
für uns nicht derselbe sein kann wie damals für die Dünen. Die Dünen
sind schuld, so heißt es, sie sind die Angreifer, gegen die wir uns wehren
müssen. Es ist richtig, daß die Dünen die Beilegung des nationalen Kampfes
zu hindern suchen, aber sie verfahren so nicht aus grundsätzlicher Lust am
Streit, sondern weil sie mit dem bestehenden Zustand nicht zufrieden sind und
seine Beseitigung erstreben. Und — wir haben es nicht besser gemacht zu der
Zeit, als wir der Amboß und die Dänen der Hammer waren. Ebenso ein¬
seitig und befangen wie heute das Urteil der dänischen Nordschleswiger über
Deutschland und alles Deutsche, war damals unser Urteil über Dänemark und
die Dänen. Man wollte gute Eigenschaften weder dem dänischen Volke im
ganzen noch dem einzelnen unter der deutschen Bevölkerung wohnenden Dänen
zuerkennen. Vor meiner kindlichen Phantasie stand der Däne da als ein Mensch,
dem man nichts gutes, wohl aber viel böses zutrauen könnte, und es ist mir
bei meinem spätern Verkehr mit den Dänen mitunter ordentlich komisch ge¬
wesen, wenn ich daran zurückdachte, welche Anschauungen über die Dänen ich
sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte. Man wollte von der dänischen
Negierung keine Wohlthaten; man stieß den einzelnen Dänen zurück, wo er
Annäherung versuchte. Der Gebildete mochte ihm nicht gastlich sein Haus
öffnen, und wenn doch, was ja fast unvermeidlich war, ein Däne oder Dünen-
freund Eingang in einen deutschen Familienkreis fand, so herrschte darin ein
Gefühl der Beklommenheit, das erst wich, wenn sich der unwillkommne Gast
verabschiedete. Was immer von dänischer Seite gegen uns gesündigt werden
mochte, in diesem Verhalten der Deutschen lag doch eine Ungerechtigkeit, aber
eine gewollte und bewußte Ungerechtigkeit, denn sie war die Schutzwehr unsrer
Nationalität; sie sollte das Aufgehen in der dänischen Nationalität hindern.
Es ist nicht zu verwundern, daß bei dieser Stimmung die wohlwollende
Ermahnung zur Besserung nichts fruchtet. Auch dies wiederholt sich. Man
stellt den Dänen vor, wie gut man es mit ihnen meine, daß man nur ihr
eignes Bestes wolle, indem man sie vollständig zu dem mache, was sie eigent¬
lich schon seien, zu Deutschen. Aber die nordschleswigschen Bauern sind ebenso
schwer von Begriffen, wie es unter der Däuenherrschaft die Bewohner der
Landschaft Angeln waren; sie haben für die ihnen zugedachte Wohlthat kein
Verständnis. Auch die verlockende Aussicht, von allen Plackereien befreit zu
werden, kann keine Bekehrung bewirken. Man sagt den Dänen,, ähnlich wie
Herr von Stumm und seine Freunde auf die Sozialdemokratie einzuwirken
suchen: Sobald ihr artige Kinder seid, legen wir die Rute weg. Aber den
Dänen ist es gar nicht so sehr um Ruhe zu thun, wie hierbei vorausgesetzt
wird. Sie wollen den ihnen cmgebotnen Frieden nicht, wenn dabei zur Be-
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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/597>, abgerufen am 25.01.2025.
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