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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

so sei "wider ihn weiter etwas nicht vorzunehmen." Doch wurden er, Böhme
und der Kupferstecher zu gleichen Teilen zu den Kosten verurteilt.

Royer war der Sohn eines kleinen Leipziger Tischlermeisters. Er hatte
Theologie studirt, war aber zu keinem Ende damit gekommen -- der Vater
war 1777 gestorben --, und so suchte er sich nun, ebenso wie Pott, durch
Schriftstellerei zu nähren. Den "Goldfitz Suseka" hatte er nicht geschrieben;
der wirkliche Verfasser blieb vorläufig unentdeckt. Die Sache hatte aber noch
ein Nachspiel. Als der Kupferstecher Weise seine Kosten bezahlen sollte, hieß
es, er befinde sich eben "auf dem academischen (^i-ehr in oustoclig.""); und
als Royer nochmals vorgefordert wurde, ließ er sagen, es sei ihm vom Rektor
und vom Syndikus der Universität untersagt worden, vor der Bücherkommission
zu erscheinen. Darauf wurde zum Rektor geschickt und angefragt, ob sich das
so verhielte, worauf der Rektor erklärte, "die löbliche Universität sei noch nicht
einig, ob ein Ltnäiosus vor die Bücher-Commission gefordert werden und vor
derselben erscheinen könne."

In der That hatte das Lonoillulli ac-säsmioniQ Röpern "nachdrücklich
verwiesen," daß er sich vor der Bücherkommission gestellt hatte, und das führte
zu einem großen Streit zwischen dein Rat und dem Concilium, ob die Vüchcr-
kommission überhaupt das Recht habe, einen Academiens vorzuladen und zu
vernehmen. Die Universität bestritt das in einem längern Schreiben an den
Rat vom 7. November 1787, worin sie die Grenzen der Befugnis der Bücher¬
kommission darlegte. Die Vücherkommission sei eine öffentliche Anstalt, die be¬
stimmt sei, "theils alles gemeinschädliche beim Buchhandel und Vücherwesen
zu verhüten, theils dasjenige, was zu dessen besserer Aufnahme gereichen könne,
zu befördern." Sie könne also zwar "Polizeiverfügungen treffen, welche z. B.
dahin gehen, daß Bücher, welche ohne Censur gedruckt worden sind, nicht ver¬
kaufet, und besonders solche, welche zum Nachtheil der Religion und sderj
guten Sitten oder auch zum Nachtheil des Staates gereichen dürften, unter¬
drückt und confiseiret werden"; aber "eine prozessualische Untersuchung zu ver¬
hängen" sei sie nicht befugt, sie sei lediglich eine Polizeianstalt, eine Gerichts¬
barkeit dürfe sie sich nicht anmaßen, am allerwenigsten fremden Jurisdiktions¬
verwandten gegenüber. Daß ein Universitätsprofessor Mitglied der Bücher¬
kommission sei, andre daran nichts; dieser sei "als Lonoommiss-u-of bloß zur
Aufrechterhaltung des Buchhandels und Handhabung der nöthigen Aufsicht
über das Bücherwesen bestellet, keinesweges aber in der Absicht, um durch diese
Zuziehung ein auch für ^og-clsinloos gültiges I'oruw daselbst zu begründen."

Der Rat erwiderte in einer ausführlichen Entgegnung, daß die Schranken,
die damit der Bücherkommission gezogen werden würden, weder dem höchsten
Auftrage, noch dem bisherigen Gebrauch entsprächen. Die Bücherkommission



") Die meisten Kupferstecher standen unter der akademischen Gerichtsbarkeit.
Grenzboten II 1896 71
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

so sei „wider ihn weiter etwas nicht vorzunehmen." Doch wurden er, Böhme
und der Kupferstecher zu gleichen Teilen zu den Kosten verurteilt.

Royer war der Sohn eines kleinen Leipziger Tischlermeisters. Er hatte
Theologie studirt, war aber zu keinem Ende damit gekommen — der Vater
war 1777 gestorben —, und so suchte er sich nun, ebenso wie Pott, durch
Schriftstellerei zu nähren. Den „Goldfitz Suseka" hatte er nicht geschrieben;
der wirkliche Verfasser blieb vorläufig unentdeckt. Die Sache hatte aber noch
ein Nachspiel. Als der Kupferstecher Weise seine Kosten bezahlen sollte, hieß
es, er befinde sich eben „auf dem academischen (^i-ehr in oustoclig.""); und
als Royer nochmals vorgefordert wurde, ließ er sagen, es sei ihm vom Rektor
und vom Syndikus der Universität untersagt worden, vor der Bücherkommission
zu erscheinen. Darauf wurde zum Rektor geschickt und angefragt, ob sich das
so verhielte, worauf der Rektor erklärte, „die löbliche Universität sei noch nicht
einig, ob ein Ltnäiosus vor die Bücher-Commission gefordert werden und vor
derselben erscheinen könne."

In der That hatte das Lonoillulli ac-säsmioniQ Röpern „nachdrücklich
verwiesen," daß er sich vor der Bücherkommission gestellt hatte, und das führte
zu einem großen Streit zwischen dein Rat und dem Concilium, ob die Vüchcr-
kommission überhaupt das Recht habe, einen Academiens vorzuladen und zu
vernehmen. Die Universität bestritt das in einem längern Schreiben an den
Rat vom 7. November 1787, worin sie die Grenzen der Befugnis der Bücher¬
kommission darlegte. Die Vücherkommission sei eine öffentliche Anstalt, die be¬
stimmt sei, „theils alles gemeinschädliche beim Buchhandel und Vücherwesen
zu verhüten, theils dasjenige, was zu dessen besserer Aufnahme gereichen könne,
zu befördern." Sie könne also zwar „Polizeiverfügungen treffen, welche z. B.
dahin gehen, daß Bücher, welche ohne Censur gedruckt worden sind, nicht ver¬
kaufet, und besonders solche, welche zum Nachtheil der Religion und sderj
guten Sitten oder auch zum Nachtheil des Staates gereichen dürften, unter¬
drückt und confiseiret werden"; aber „eine prozessualische Untersuchung zu ver¬
hängen" sei sie nicht befugt, sie sei lediglich eine Polizeianstalt, eine Gerichts¬
barkeit dürfe sie sich nicht anmaßen, am allerwenigsten fremden Jurisdiktions¬
verwandten gegenüber. Daß ein Universitätsprofessor Mitglied der Bücher¬
kommission sei, andre daran nichts; dieser sei „als Lonoommiss-u-of bloß zur
Aufrechterhaltung des Buchhandels und Handhabung der nöthigen Aufsicht
über das Bücherwesen bestellet, keinesweges aber in der Absicht, um durch diese
Zuziehung ein auch für ^og-clsinloos gültiges I'oruw daselbst zu begründen."

Der Rat erwiderte in einer ausführlichen Entgegnung, daß die Schranken,
die damit der Bücherkommission gezogen werden würden, weder dem höchsten
Auftrage, noch dem bisherigen Gebrauch entsprächen. Die Bücherkommission



") Die meisten Kupferstecher standen unter der akademischen Gerichtsbarkeit.
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[0569] Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts so sei „wider ihn weiter etwas nicht vorzunehmen." Doch wurden er, Böhme und der Kupferstecher zu gleichen Teilen zu den Kosten verurteilt. Royer war der Sohn eines kleinen Leipziger Tischlermeisters. Er hatte Theologie studirt, war aber zu keinem Ende damit gekommen — der Vater war 1777 gestorben —, und so suchte er sich nun, ebenso wie Pott, durch Schriftstellerei zu nähren. Den „Goldfitz Suseka" hatte er nicht geschrieben; der wirkliche Verfasser blieb vorläufig unentdeckt. Die Sache hatte aber noch ein Nachspiel. Als der Kupferstecher Weise seine Kosten bezahlen sollte, hieß es, er befinde sich eben „auf dem academischen (^i-ehr in oustoclig.""); und als Royer nochmals vorgefordert wurde, ließ er sagen, es sei ihm vom Rektor und vom Syndikus der Universität untersagt worden, vor der Bücherkommission zu erscheinen. Darauf wurde zum Rektor geschickt und angefragt, ob sich das so verhielte, worauf der Rektor erklärte, „die löbliche Universität sei noch nicht einig, ob ein Ltnäiosus vor die Bücher-Commission gefordert werden und vor derselben erscheinen könne." In der That hatte das Lonoillulli ac-säsmioniQ Röpern „nachdrücklich verwiesen," daß er sich vor der Bücherkommission gestellt hatte, und das führte zu einem großen Streit zwischen dein Rat und dem Concilium, ob die Vüchcr- kommission überhaupt das Recht habe, einen Academiens vorzuladen und zu vernehmen. Die Universität bestritt das in einem längern Schreiben an den Rat vom 7. November 1787, worin sie die Grenzen der Befugnis der Bücher¬ kommission darlegte. Die Vücherkommission sei eine öffentliche Anstalt, die be¬ stimmt sei, „theils alles gemeinschädliche beim Buchhandel und Vücherwesen zu verhüten, theils dasjenige, was zu dessen besserer Aufnahme gereichen könne, zu befördern." Sie könne also zwar „Polizeiverfügungen treffen, welche z. B. dahin gehen, daß Bücher, welche ohne Censur gedruckt worden sind, nicht ver¬ kaufet, und besonders solche, welche zum Nachtheil der Religion und sderj guten Sitten oder auch zum Nachtheil des Staates gereichen dürften, unter¬ drückt und confiseiret werden"; aber „eine prozessualische Untersuchung zu ver¬ hängen" sei sie nicht befugt, sie sei lediglich eine Polizeianstalt, eine Gerichts¬ barkeit dürfe sie sich nicht anmaßen, am allerwenigsten fremden Jurisdiktions¬ verwandten gegenüber. Daß ein Universitätsprofessor Mitglied der Bücher¬ kommission sei, andre daran nichts; dieser sei „als Lonoommiss-u-of bloß zur Aufrechterhaltung des Buchhandels und Handhabung der nöthigen Aufsicht über das Bücherwesen bestellet, keinesweges aber in der Absicht, um durch diese Zuziehung ein auch für ^og-clsinloos gültiges I'oruw daselbst zu begründen." Der Rat erwiderte in einer ausführlichen Entgegnung, daß die Schranken, die damit der Bücherkommission gezogen werden würden, weder dem höchsten Auftrage, noch dem bisherigen Gebrauch entsprächen. Die Bücherkommission ") Die meisten Kupferstecher standen unter der akademischen Gerichtsbarkeit. Grenzboten II 1896 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/569>, abgerufen am 22.07.2024.