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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Lin Mort zum deutsch-dänischen Streit

der Kampf um die Sprache verderblich. Man beschränkt sich nicht darauf,
die dünische Sprache aus der Schule zu verbannen; man legt auch den Be¬
mühungen der Dänen, außerhalb der Schule für dänischen Unterricht ihrer
Kinder zu sorgen, möglichst Hindernisse in den Weg. Es wird nicht gelitten,
daß mehrere Familien gemeinschaftlich einen Privatlehrer für diesen Zweck an¬
nehmen usw. Bei dem in Nordschleswig herrschenden Germanisirungseifer ist
es ja begreiflich, daß jeder dänische Sprachunterricht nicht allein als über¬
flüssig, sondern sogar als den Zwecken der Schule zuwiderlaufend, als ein
Hemmnis für andre Unterrichtsgegenstünde betrachtet wird. Das ist aber genau
dieselbe kleinliche Art, wie früher die Dünen jede Pflege deutscher Bildung zu
hemmen suchten.

Wie die Verdrängung der dänischen Volkssprache, so ist auch die Ver¬
drängung des dänischen Nationalgefühls durch deu Schulunterricht nicht eine
so leichte Aufgabe, wie sie sich manche denken. Was die Schule in dem Kampfe
mit dem Hause vermag, lehrt unter anderen die Entwicklung der Sozialdemo¬
kratie im deutschen Reiche, die im Gegegensatz zu allen Einflüssen der Schule
gewachsen und erstarkt ist. Bei dem Bemühen, in einer Bevölkerung mit
deutschfeindlicher Gesinnung durch die Schule deutsches Nationalgefühl zu
pflanzen, ist jedenfalls mit viel Takt und Vorsicht zu verfahren, wenn sich nicht
das Wort bewähren soll, daß "man Absicht merkt und verstimmt wird.",
Wenn unsre nordschleswigschen Chauvinisten der Schule die Aufgabe stellen,
geradezu eine Kampfanstalt gegen das Dänentum zu sein, so bezweifle ich, daß
dadurch günstige Wirkungen erzielt werden. Es wird als ein besonders wirk¬
sames Germanisirungsmittel betrachtet, daß überall von den Schulhäusern die
deutsche Fahne weht, was doch anderswo nicht für nötig gehalten wird. Die
Schuljugend soll beim Ein- und Ausgehen bestündig darein erinnert werden,
daß sie im deutschen Reiche wohnt; sie soll ihre Gefühle rechtzeitig dieser ihrer
Staatsangehörigkeit anpassen. Das ist gewiß sehr schön ausgedacht, wenn nur
nicht die Dünen, die es an nächsten angeht, selbst ein Wort in der Sache
mitzusprechen hätten und sich einen Einfluß auf die Entwicklung ihrer Kinder
zu wahren wüßten. Thatsächlich trägt das Fahnenaufpflanzen zur Verschärfung
des Gegensatzes zwischen Schule und Haus bei. Die Fahnen bieten einen
Angriffspunkt für deutschfeindliche Gesinnung und Zerstörungslust. Mit un¬
verkennbarem Behagen wird in dänischen Blättern berichtet, daß hie und da
eine Fahne zerstört worden sei, was dann wieder zu Untersuchungen und
Strafprozessen Anlaß giebt.

Nicht bessern Erfolg hat das Bemühen, den Erwachsenen die dünische Ge¬
sinnung auszutreiben. Man ist hierbei allmählich zu einer Verschärfung des
Verfahrens gelangt. Die dänischen Blätter Nordschleswigs brachten um die
Jahreswende spaltenlange Übersichten über die im abgelaufuen Jahre vorge-
kommnen politischen Strafprozesse. Es wäre zu wünschen, daß dies Verzeichnis


Lin Mort zum deutsch-dänischen Streit

der Kampf um die Sprache verderblich. Man beschränkt sich nicht darauf,
die dünische Sprache aus der Schule zu verbannen; man legt auch den Be¬
mühungen der Dänen, außerhalb der Schule für dänischen Unterricht ihrer
Kinder zu sorgen, möglichst Hindernisse in den Weg. Es wird nicht gelitten,
daß mehrere Familien gemeinschaftlich einen Privatlehrer für diesen Zweck an¬
nehmen usw. Bei dem in Nordschleswig herrschenden Germanisirungseifer ist
es ja begreiflich, daß jeder dänische Sprachunterricht nicht allein als über¬
flüssig, sondern sogar als den Zwecken der Schule zuwiderlaufend, als ein
Hemmnis für andre Unterrichtsgegenstünde betrachtet wird. Das ist aber genau
dieselbe kleinliche Art, wie früher die Dünen jede Pflege deutscher Bildung zu
hemmen suchten.

Wie die Verdrängung der dänischen Volkssprache, so ist auch die Ver¬
drängung des dänischen Nationalgefühls durch deu Schulunterricht nicht eine
so leichte Aufgabe, wie sie sich manche denken. Was die Schule in dem Kampfe
mit dem Hause vermag, lehrt unter anderen die Entwicklung der Sozialdemo¬
kratie im deutschen Reiche, die im Gegegensatz zu allen Einflüssen der Schule
gewachsen und erstarkt ist. Bei dem Bemühen, in einer Bevölkerung mit
deutschfeindlicher Gesinnung durch die Schule deutsches Nationalgefühl zu
pflanzen, ist jedenfalls mit viel Takt und Vorsicht zu verfahren, wenn sich nicht
das Wort bewähren soll, daß „man Absicht merkt und verstimmt wird.",
Wenn unsre nordschleswigschen Chauvinisten der Schule die Aufgabe stellen,
geradezu eine Kampfanstalt gegen das Dänentum zu sein, so bezweifle ich, daß
dadurch günstige Wirkungen erzielt werden. Es wird als ein besonders wirk¬
sames Germanisirungsmittel betrachtet, daß überall von den Schulhäusern die
deutsche Fahne weht, was doch anderswo nicht für nötig gehalten wird. Die
Schuljugend soll beim Ein- und Ausgehen bestündig darein erinnert werden,
daß sie im deutschen Reiche wohnt; sie soll ihre Gefühle rechtzeitig dieser ihrer
Staatsangehörigkeit anpassen. Das ist gewiß sehr schön ausgedacht, wenn nur
nicht die Dünen, die es an nächsten angeht, selbst ein Wort in der Sache
mitzusprechen hätten und sich einen Einfluß auf die Entwicklung ihrer Kinder
zu wahren wüßten. Thatsächlich trägt das Fahnenaufpflanzen zur Verschärfung
des Gegensatzes zwischen Schule und Haus bei. Die Fahnen bieten einen
Angriffspunkt für deutschfeindliche Gesinnung und Zerstörungslust. Mit un¬
verkennbarem Behagen wird in dänischen Blättern berichtet, daß hie und da
eine Fahne zerstört worden sei, was dann wieder zu Untersuchungen und
Strafprozessen Anlaß giebt.

Nicht bessern Erfolg hat das Bemühen, den Erwachsenen die dünische Ge¬
sinnung auszutreiben. Man ist hierbei allmählich zu einer Verschärfung des
Verfahrens gelangt. Die dänischen Blätter Nordschleswigs brachten um die
Jahreswende spaltenlange Übersichten über die im abgelaufuen Jahre vorge-
kommnen politischen Strafprozesse. Es wäre zu wünschen, daß dies Verzeichnis


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[0554] Lin Mort zum deutsch-dänischen Streit der Kampf um die Sprache verderblich. Man beschränkt sich nicht darauf, die dünische Sprache aus der Schule zu verbannen; man legt auch den Be¬ mühungen der Dänen, außerhalb der Schule für dänischen Unterricht ihrer Kinder zu sorgen, möglichst Hindernisse in den Weg. Es wird nicht gelitten, daß mehrere Familien gemeinschaftlich einen Privatlehrer für diesen Zweck an¬ nehmen usw. Bei dem in Nordschleswig herrschenden Germanisirungseifer ist es ja begreiflich, daß jeder dänische Sprachunterricht nicht allein als über¬ flüssig, sondern sogar als den Zwecken der Schule zuwiderlaufend, als ein Hemmnis für andre Unterrichtsgegenstünde betrachtet wird. Das ist aber genau dieselbe kleinliche Art, wie früher die Dünen jede Pflege deutscher Bildung zu hemmen suchten. Wie die Verdrängung der dänischen Volkssprache, so ist auch die Ver¬ drängung des dänischen Nationalgefühls durch deu Schulunterricht nicht eine so leichte Aufgabe, wie sie sich manche denken. Was die Schule in dem Kampfe mit dem Hause vermag, lehrt unter anderen die Entwicklung der Sozialdemo¬ kratie im deutschen Reiche, die im Gegegensatz zu allen Einflüssen der Schule gewachsen und erstarkt ist. Bei dem Bemühen, in einer Bevölkerung mit deutschfeindlicher Gesinnung durch die Schule deutsches Nationalgefühl zu pflanzen, ist jedenfalls mit viel Takt und Vorsicht zu verfahren, wenn sich nicht das Wort bewähren soll, daß „man Absicht merkt und verstimmt wird.", Wenn unsre nordschleswigschen Chauvinisten der Schule die Aufgabe stellen, geradezu eine Kampfanstalt gegen das Dänentum zu sein, so bezweifle ich, daß dadurch günstige Wirkungen erzielt werden. Es wird als ein besonders wirk¬ sames Germanisirungsmittel betrachtet, daß überall von den Schulhäusern die deutsche Fahne weht, was doch anderswo nicht für nötig gehalten wird. Die Schuljugend soll beim Ein- und Ausgehen bestündig darein erinnert werden, daß sie im deutschen Reiche wohnt; sie soll ihre Gefühle rechtzeitig dieser ihrer Staatsangehörigkeit anpassen. Das ist gewiß sehr schön ausgedacht, wenn nur nicht die Dünen, die es an nächsten angeht, selbst ein Wort in der Sache mitzusprechen hätten und sich einen Einfluß auf die Entwicklung ihrer Kinder zu wahren wüßten. Thatsächlich trägt das Fahnenaufpflanzen zur Verschärfung des Gegensatzes zwischen Schule und Haus bei. Die Fahnen bieten einen Angriffspunkt für deutschfeindliche Gesinnung und Zerstörungslust. Mit un¬ verkennbarem Behagen wird in dänischen Blättern berichtet, daß hie und da eine Fahne zerstört worden sei, was dann wieder zu Untersuchungen und Strafprozessen Anlaß giebt. Nicht bessern Erfolg hat das Bemühen, den Erwachsenen die dünische Ge¬ sinnung auszutreiben. Man ist hierbei allmählich zu einer Verschärfung des Verfahrens gelangt. Die dänischen Blätter Nordschleswigs brachten um die Jahreswende spaltenlange Übersichten über die im abgelaufuen Jahre vorge- kommnen politischen Strafprozesse. Es wäre zu wünschen, daß dies Verzeichnis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/554>, abgerufen am 22.07.2024.