Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Lenau und Sophie Schwab Ich habe in München Wechsel getroffen, die mir noch ein längeres Reisen O mein tief geliebter Freund! Wie selig war der Abend aller Abende! Ich Lebt wohl, meine Geliebten! Donnerstag sehen wir uns. Euer Freund Niembsch Ich ersuche dich, nichts nach Gmunden zu schicken; doch das weißt du nun Lenau kehrte also zu seinen Freunden zurück, wurde mit offnen Armen Vorgestern haben wir einen Gast von uns entlassen, dem wir recht mit Angst Lenau und Sophie Schwab Ich habe in München Wechsel getroffen, die mir noch ein längeres Reisen O mein tief geliebter Freund! Wie selig war der Abend aller Abende! Ich Lebt wohl, meine Geliebten! Donnerstag sehen wir uns. Euer Freund Niembsch Ich ersuche dich, nichts nach Gmunden zu schicken; doch das weißt du nun Lenau kehrte also zu seinen Freunden zurück, wurde mit offnen Armen Vorgestern haben wir einen Gast von uns entlassen, dem wir recht mit Angst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222628"/> <fw type="header" place="top"> Lenau und Sophie Schwab</fw><lb/> <p xml:id="ID_935"> Ich habe in München Wechsel getroffen, die mir noch ein längeres Reisen<lb/> möglich machen. Es versteht sich also von selbst, daß ich wieder nach Stuttgart<lb/> komme, um dich und meinen Pfizer noch einmal zu sehen, und wenn es euch<lb/> möglich ist, in eurer Gesellschaft Uhland zu besuchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_936"> O mein tief geliebter Freund! Wie selig war der Abend aller Abende! Ich<lb/> danke den Göttern, daß sie mir einen Heines von Poesie in die Brust geweht; der<lb/> hat mir dein Herz gewonnen und das meines geliebten Pfizer. Ich glaube, wir<lb/> werde» uns ewig lieben. Wie trage sind dagegen die Entwürfe der Freundschaft<lb/> im gewöhnlichen Menschenleben. Wir haben uns in wenigen Stunden erfaßt.<lb/> Segenvoll wird mir jener Abend sein fürs ganze Leben, und wenn ich je etwas<lb/> in der Dichtkunst leiste, ich werde nie vergessen, welchen Anteil du hast an meinem<lb/> Gedeihen durch die väterliche Huld, die du meiner Muse erwiesen, durch das<lb/> Selbstvertrauen, das du meiner Seele gegeben. Von solchen Männern ermuntert<lb/> zu werden, ist wohlthätig für den Beginnenden. Dein Wort ging wie ein milder<lb/> Frühlingshauch über die keimende Saat meiner Gefühle, meiner Gedanken.</p><lb/> <note type="closer"> Lebt wohl, meine Geliebten! Donnerstag sehen wir uns.<lb/><note type="bibl"> Euer Freund Niembsch</note></note><lb/> <p xml:id="ID_937"> Ich ersuche dich, nichts nach Gmunden zu schicken; doch das weißt du nun<lb/> ohne dies.</p><lb/> <p xml:id="ID_938"> Lenau kehrte also zu seinen Freunden zurück, wurde mit offnen Armen<lb/> empfangen und wohnte nun einige Wochen in Schwabs Hause. Eine schöne<lb/> Beleuchtung findet diese Zeit aus Lenens Leben in einem Briefe Sophiens an<lb/> ihre Freundin Lucie Meier in Bremen, die Mutter des noch lebenden Konsuls<lb/> und frühern Reichstagsabgeordneten H. H, Meier. Der Brief, datirt vom<lb/> 15. September 1831, lautet im Auszuge:</p><lb/> <p xml:id="ID_939" next="#ID_940"> Vorgestern haben wir einen Gast von uns entlassen, dem wir recht mit Angst<lb/> und Sorge nachblicken; denn er reist gerade aus nach Wien, der Cholera entgegen;<lb/> es ist ein ungarischer Edelmann, Niembsch von Strehlenan (wo du aber etwas<lb/> von ihm liesest, z. B. im Morgenblatt, nennt er sich Lenau) — er kam hierher,<lb/> um meinen lieben Mann kennen zu lernen, es blieb aber bei beiden einige Ent¬<lb/> fernung bis am letzten Abend seiner ersten Abreise; erst da lernte er meinen lieben<lb/> Mann und den jüngern Pfizer genauer kennen, teilte ihnen seine Gedichte mit, und<lb/> diese beiden waren so entzückt davon, daß mein lieber Mann nachts um zwölf Uhr<lb/> wie berauscht von Freude heimkam über diesen Menschen und Dichter; noch unter<lb/> dem Hause machten sie Brüderschaft und beklagten nur, daß er den andern Morgen<lb/> in aller Frühe abreise. Nach einigen Tagen kommt ein Brief von ihm aus<lb/> München, worin er schreibt, daß er dort gute Nachrichten von den Seinigen und<lb/> neue Wechsel getroffen hätte, und nun nichts besseres zu thun wüßte, als umzu¬<lb/> kehren, um die Freundschaft, die er mit Pfizer und meinem lieben Mann geschlossen,<lb/> noch einige Tage in ihrem Umgang zu genießen. So war er denn seit einem<lb/> Monat bei uns hier, und ich kann dir nicht beschreiben, welche genußreiche Zeit<lb/> dies für uns war; wir gewannen ihn täglich lieber, und auch er hat sich so innig<lb/> an uns angeschlossen, daß der Abschied recht schmerzlich für uns war. Während<lb/> dieser ganzen Zeit war in meinem Hause ein ordentlicher Strudel; denu jedermann<lb/> wollte ihn kennen lernen und nahm es uns übel, wenn wir keine Gelegenheit dazu<lb/> machten, und doch waren ihm alle Einladungen u. dergl. sehr unwillkommen; er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
Lenau und Sophie Schwab
Ich habe in München Wechsel getroffen, die mir noch ein längeres Reisen
möglich machen. Es versteht sich also von selbst, daß ich wieder nach Stuttgart
komme, um dich und meinen Pfizer noch einmal zu sehen, und wenn es euch
möglich ist, in eurer Gesellschaft Uhland zu besuchen.
O mein tief geliebter Freund! Wie selig war der Abend aller Abende! Ich
danke den Göttern, daß sie mir einen Heines von Poesie in die Brust geweht; der
hat mir dein Herz gewonnen und das meines geliebten Pfizer. Ich glaube, wir
werde» uns ewig lieben. Wie trage sind dagegen die Entwürfe der Freundschaft
im gewöhnlichen Menschenleben. Wir haben uns in wenigen Stunden erfaßt.
Segenvoll wird mir jener Abend sein fürs ganze Leben, und wenn ich je etwas
in der Dichtkunst leiste, ich werde nie vergessen, welchen Anteil du hast an meinem
Gedeihen durch die väterliche Huld, die du meiner Muse erwiesen, durch das
Selbstvertrauen, das du meiner Seele gegeben. Von solchen Männern ermuntert
zu werden, ist wohlthätig für den Beginnenden. Dein Wort ging wie ein milder
Frühlingshauch über die keimende Saat meiner Gefühle, meiner Gedanken.
Lebt wohl, meine Geliebten! Donnerstag sehen wir uns.
Euer Freund Niembsch
Ich ersuche dich, nichts nach Gmunden zu schicken; doch das weißt du nun
ohne dies.
Lenau kehrte also zu seinen Freunden zurück, wurde mit offnen Armen
empfangen und wohnte nun einige Wochen in Schwabs Hause. Eine schöne
Beleuchtung findet diese Zeit aus Lenens Leben in einem Briefe Sophiens an
ihre Freundin Lucie Meier in Bremen, die Mutter des noch lebenden Konsuls
und frühern Reichstagsabgeordneten H. H, Meier. Der Brief, datirt vom
15. September 1831, lautet im Auszuge:
Vorgestern haben wir einen Gast von uns entlassen, dem wir recht mit Angst
und Sorge nachblicken; denn er reist gerade aus nach Wien, der Cholera entgegen;
es ist ein ungarischer Edelmann, Niembsch von Strehlenan (wo du aber etwas
von ihm liesest, z. B. im Morgenblatt, nennt er sich Lenau) — er kam hierher,
um meinen lieben Mann kennen zu lernen, es blieb aber bei beiden einige Ent¬
fernung bis am letzten Abend seiner ersten Abreise; erst da lernte er meinen lieben
Mann und den jüngern Pfizer genauer kennen, teilte ihnen seine Gedichte mit, und
diese beiden waren so entzückt davon, daß mein lieber Mann nachts um zwölf Uhr
wie berauscht von Freude heimkam über diesen Menschen und Dichter; noch unter
dem Hause machten sie Brüderschaft und beklagten nur, daß er den andern Morgen
in aller Frühe abreise. Nach einigen Tagen kommt ein Brief von ihm aus
München, worin er schreibt, daß er dort gute Nachrichten von den Seinigen und
neue Wechsel getroffen hätte, und nun nichts besseres zu thun wüßte, als umzu¬
kehren, um die Freundschaft, die er mit Pfizer und meinem lieben Mann geschlossen,
noch einige Tage in ihrem Umgang zu genießen. So war er denn seit einem
Monat bei uns hier, und ich kann dir nicht beschreiben, welche genußreiche Zeit
dies für uns war; wir gewannen ihn täglich lieber, und auch er hat sich so innig
an uns angeschlossen, daß der Abschied recht schmerzlich für uns war. Während
dieser ganzen Zeit war in meinem Hause ein ordentlicher Strudel; denu jedermann
wollte ihn kennen lernen und nahm es uns übel, wenn wir keine Gelegenheit dazu
machten, und doch waren ihm alle Einladungen u. dergl. sehr unwillkommen; er
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