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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zum Börsengesetzentwurf

nachher ist es doch wahr gewesen, und durch das Eingreifen des Beamten sind
Hunderte von Leuten geschädigt worden? Es zeigt sich hier so recht, wohin
Voreingenommenheit und blinder Haß gegen die "Börse" führen kann. Zum
Glück hat jene Auffassung von der Stellung der Staatskommissare in der Kom¬
mission und bei den Regierungsvertretern energischen Widerspruch gefunden
und ist nicht durchgedrungen. Der Reichstag aber sollte bedenken, daß eine
zu weitgehende Ausdehnung der Befugnisse des Staatskommissars eine dem
Zwecke gerade entgegengesetzte Wirkung haben würde, und die Regierungs¬
vorlage wiederherstellen.

Nach dem Entwürfe soll als Sachverständigenorgan, das den Bundesrat
bei Erfüllung der vielen, ihm durch das Börsengesetz zugedachten Pflichten be¬
gutachtend unterstützen soll, ein Börsenausschuß gebildet werden. Von seinen
Mitgliedern sollen zwei Drittel auf Vorschlag der Börsenorgane vom Bundesrat
gewählt werden, das letzte Drittel soll der Bundesrat selbständig ernennen.
Die Kommission hat bezeichnenderweise das Vorschlagsrecht der Vörsenvrgane
auf die Hälfte der Mitglieder beschränkt. Ein besonders hitziges Mitglied
wünschte sogar, daß nur ein Drittel von den Handelsorganen vorgeschlagen,
zwei Drittel dagegen unter Ausschluß aller berufsmäßigen Börsenhändler ge¬
wühlt werden sollten. Man denke: ein Sachverständigenorgan, dessen Mit¬
glieder zu zwei Dritteln aus Leuten bestehen sollen, die berufsmäßig mit den
zu begutachtenden Angelegenheiten nichts zu thun haben! Eine nette Leistung
agrarischer Gesetzesmacherei, nicht wahr? Es ist nur gerecht und klug, den
Börsenansschnß so zusammenzusetzen, wie es der Entwurf will. Der Handel
wird in seinem eignen Interesse nur hervorragende und in jeder Hinsicht un¬
anfechtbare Vertreter vorschlagen. Im übrigen steht ja anch dem Bundesrat
allein die eigentliche Wahl zu.

Die Bestimmungen über das Ehrengericht, vor allem die auf die Be¬
fugnisse des Kommissars bezüglichen Paragraphen, sind in kaufmännischen
Kreisen nicht gerade freundlich aufgenommen worden. Bei verständiger Hand¬
habung des Gesetzes werden sich aber die gehegten Befürchtungen als über¬
trieben erweisen. Es ist auch nicht zu vergessen, daß eine energische Thätigkeit
dieser Ehrengerichte am besten geeignet sein wird, das in weiten Volkskreisen
vorhandne Mißtrauen und Vorurteil gegen die Börse allmählich zu beseitigen.
Die Börse selbst aber wird nur gut dabei fahren, wenn ungeeignete Leute
rücksichtslos ausgemerzt und entfernt werden.

Über das Kurs- und Maklerwesen -- ein ebenso wichtiges wie schwieriges '
Gebiet -- können wir hier hinweggehen, da die Neichstagstommission leine
wesentlichen Änderungen gemacht hat."

Was das Emissionswesen angeht, so ist vor allem ein "Antrag Kanitz
zu nennen, der sich an Verkehrtheit und Undurchführbarkeit seinem berühmten
Namensvetter würdig anschließt. Graf Kanitz will in Berlin eine Haupt-


Zum Börsengesetzentwurf

nachher ist es doch wahr gewesen, und durch das Eingreifen des Beamten sind
Hunderte von Leuten geschädigt worden? Es zeigt sich hier so recht, wohin
Voreingenommenheit und blinder Haß gegen die „Börse" führen kann. Zum
Glück hat jene Auffassung von der Stellung der Staatskommissare in der Kom¬
mission und bei den Regierungsvertretern energischen Widerspruch gefunden
und ist nicht durchgedrungen. Der Reichstag aber sollte bedenken, daß eine
zu weitgehende Ausdehnung der Befugnisse des Staatskommissars eine dem
Zwecke gerade entgegengesetzte Wirkung haben würde, und die Regierungs¬
vorlage wiederherstellen.

Nach dem Entwürfe soll als Sachverständigenorgan, das den Bundesrat
bei Erfüllung der vielen, ihm durch das Börsengesetz zugedachten Pflichten be¬
gutachtend unterstützen soll, ein Börsenausschuß gebildet werden. Von seinen
Mitgliedern sollen zwei Drittel auf Vorschlag der Börsenorgane vom Bundesrat
gewählt werden, das letzte Drittel soll der Bundesrat selbständig ernennen.
Die Kommission hat bezeichnenderweise das Vorschlagsrecht der Vörsenvrgane
auf die Hälfte der Mitglieder beschränkt. Ein besonders hitziges Mitglied
wünschte sogar, daß nur ein Drittel von den Handelsorganen vorgeschlagen,
zwei Drittel dagegen unter Ausschluß aller berufsmäßigen Börsenhändler ge¬
wühlt werden sollten. Man denke: ein Sachverständigenorgan, dessen Mit¬
glieder zu zwei Dritteln aus Leuten bestehen sollen, die berufsmäßig mit den
zu begutachtenden Angelegenheiten nichts zu thun haben! Eine nette Leistung
agrarischer Gesetzesmacherei, nicht wahr? Es ist nur gerecht und klug, den
Börsenansschnß so zusammenzusetzen, wie es der Entwurf will. Der Handel
wird in seinem eignen Interesse nur hervorragende und in jeder Hinsicht un¬
anfechtbare Vertreter vorschlagen. Im übrigen steht ja anch dem Bundesrat
allein die eigentliche Wahl zu.

Die Bestimmungen über das Ehrengericht, vor allem die auf die Be¬
fugnisse des Kommissars bezüglichen Paragraphen, sind in kaufmännischen
Kreisen nicht gerade freundlich aufgenommen worden. Bei verständiger Hand¬
habung des Gesetzes werden sich aber die gehegten Befürchtungen als über¬
trieben erweisen. Es ist auch nicht zu vergessen, daß eine energische Thätigkeit
dieser Ehrengerichte am besten geeignet sein wird, das in weiten Volkskreisen
vorhandne Mißtrauen und Vorurteil gegen die Börse allmählich zu beseitigen.
Die Börse selbst aber wird nur gut dabei fahren, wenn ungeeignete Leute
rücksichtslos ausgemerzt und entfernt werden.

Über das Kurs- und Maklerwesen — ein ebenso wichtiges wie schwieriges '
Gebiet — können wir hier hinweggehen, da die Neichstagstommission leine
wesentlichen Änderungen gemacht hat."

Was das Emissionswesen angeht, so ist vor allem ein „Antrag Kanitz
zu nennen, der sich an Verkehrtheit und Undurchführbarkeit seinem berühmten
Namensvetter würdig anschließt. Graf Kanitz will in Berlin eine Haupt-


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[0203] Zum Börsengesetzentwurf nachher ist es doch wahr gewesen, und durch das Eingreifen des Beamten sind Hunderte von Leuten geschädigt worden? Es zeigt sich hier so recht, wohin Voreingenommenheit und blinder Haß gegen die „Börse" führen kann. Zum Glück hat jene Auffassung von der Stellung der Staatskommissare in der Kom¬ mission und bei den Regierungsvertretern energischen Widerspruch gefunden und ist nicht durchgedrungen. Der Reichstag aber sollte bedenken, daß eine zu weitgehende Ausdehnung der Befugnisse des Staatskommissars eine dem Zwecke gerade entgegengesetzte Wirkung haben würde, und die Regierungs¬ vorlage wiederherstellen. Nach dem Entwürfe soll als Sachverständigenorgan, das den Bundesrat bei Erfüllung der vielen, ihm durch das Börsengesetz zugedachten Pflichten be¬ gutachtend unterstützen soll, ein Börsenausschuß gebildet werden. Von seinen Mitgliedern sollen zwei Drittel auf Vorschlag der Börsenorgane vom Bundesrat gewählt werden, das letzte Drittel soll der Bundesrat selbständig ernennen. Die Kommission hat bezeichnenderweise das Vorschlagsrecht der Vörsenvrgane auf die Hälfte der Mitglieder beschränkt. Ein besonders hitziges Mitglied wünschte sogar, daß nur ein Drittel von den Handelsorganen vorgeschlagen, zwei Drittel dagegen unter Ausschluß aller berufsmäßigen Börsenhändler ge¬ wühlt werden sollten. Man denke: ein Sachverständigenorgan, dessen Mit¬ glieder zu zwei Dritteln aus Leuten bestehen sollen, die berufsmäßig mit den zu begutachtenden Angelegenheiten nichts zu thun haben! Eine nette Leistung agrarischer Gesetzesmacherei, nicht wahr? Es ist nur gerecht und klug, den Börsenansschnß so zusammenzusetzen, wie es der Entwurf will. Der Handel wird in seinem eignen Interesse nur hervorragende und in jeder Hinsicht un¬ anfechtbare Vertreter vorschlagen. Im übrigen steht ja anch dem Bundesrat allein die eigentliche Wahl zu. Die Bestimmungen über das Ehrengericht, vor allem die auf die Be¬ fugnisse des Kommissars bezüglichen Paragraphen, sind in kaufmännischen Kreisen nicht gerade freundlich aufgenommen worden. Bei verständiger Hand¬ habung des Gesetzes werden sich aber die gehegten Befürchtungen als über¬ trieben erweisen. Es ist auch nicht zu vergessen, daß eine energische Thätigkeit dieser Ehrengerichte am besten geeignet sein wird, das in weiten Volkskreisen vorhandne Mißtrauen und Vorurteil gegen die Börse allmählich zu beseitigen. Die Börse selbst aber wird nur gut dabei fahren, wenn ungeeignete Leute rücksichtslos ausgemerzt und entfernt werden. Über das Kurs- und Maklerwesen — ein ebenso wichtiges wie schwieriges ' Gebiet — können wir hier hinweggehen, da die Neichstagstommission leine wesentlichen Änderungen gemacht hat." Was das Emissionswesen angeht, so ist vor allem ein „Antrag Kanitz zu nennen, der sich an Verkehrtheit und Undurchführbarkeit seinem berühmten Namensvetter würdig anschließt. Graf Kanitz will in Berlin eine Haupt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/203>, abgerufen am 26.06.2024.