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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Pflicht im Transvaal

Portugal, und womöglich mit Frankreich und den Vereinigten Staaten für
die Südafrikanische Republik den Weg zum Meere frei macht, der für ihr selb¬
ständiges Gedeihen unentbehrlich ist. Das ist die klare, aus den Dingen sich
ergebende Lösung, die vergiftende Halbheiten beseitigen wird. Die Republik
hat Rechte auf den dabei in Frage kommenden Küstenstrich, das Tongaland,
deren Anerkennung England an ihren Eintritt in den südafrikanischen Zoll¬
verein geknüpft hat. Das ganz ähnlich zur südafrikanischen Republik liegende
Swasiland haben sie ihr letztes Jahr zurückgeben müssen. Es ist weniger wert¬
voll, weil es nicht das Meer berührt. Nur mit dieser freien Küste können
sich die Vurenfreistaaten wirtschaftlich frei erhalten, und das ist endlich doch
immer die Vorbedingung der Loslösung von der unerträglichen Abhängigkeit
von England, die 1884 ohne zwingende Not eingegangen wurde. Von den
Transvaalburen muß das Joch genommen werden, daß sie alle Verträge (außer
denen mit dem Oranje-Freistaat) mit andern Mächten, auch selbst mit Neger¬
fürsten, England zur Genehmigung vorlegen müssen. Wir wissen Wohl, daß
es für England ein bitterer Bissen sein wird, den man ihm wahrscheinlich nicht
in der ersten Überraschung beibringen kann. Wir hoffen aber, daß es unsrer
Negierung mit Ausdauer und Unerschrockenheit gelingt. Sollte es eines Tages
sogar möglich werden, einen der dem Transvaal vorgelagerten portugiesischen
Küstenstriche des sogenannten Freistaats von Ostafrika für Deutschland zu ge¬
winnen -- warum sollte nicht ein Gebietstausch zwischen dem Süden Deutsch¬
ostafrikas und dem Süden Portugiesischostafrikas möglich sein? --, so stünde
Deutschland dem unabhängigen Transvaal unmittelbar zur Seite. Das wäre
eine Lösung im großen Stil, die nur eins entschieden verlangt, was hoffent-
lich Deutschland jetzt leichter geworden ist als sonst: eine Politik von ge¬
sundem Egoismus, die stets bereit ist, England einen kleinen Teil der Rück¬
sichtslosigkeit heimzuzahlen, die es seit lange an Deutschland verschwendet hat.

Viel mehr als die Staatskunst kann aber auch in diesem Falle die Nation
selbst mit der unablässigen Arbeit der Einzelnen leisten. Sympathiekund¬
gebungen sind schön. Aber das sind nur Sträußchen, die durch die Luft
fliegen; sie liegen dann am Boden und welken. So wie es nicht die Haltung
der englischen Staatsmänner und Kolonialbeamten ist, die die Gefahr für die
Burenstaaten bildet, sondern die vielberufnen 60000 Engländer auf dem
Boden der südafrikanischen Republik, so nutzt die Haltung unsrer Diplo¬
matie, und wäre sie noch so wirksam, nichts ohne den Rückhalt der deutschen
Kolonisation, des deutschen Handels und Verkehrs. An den Fäden, die in
dieser Beziehung angesponnen sind, muß rüstig weitergesponuen werden, sie
müssen stärker, dichter, zahlreicher werden. Denn nur die Macht steht fest,
die im Boden wurzelt, und der Fleiß der Einzelnen ist das Mark der Politik.




Unsre Pflicht im Transvaal

Portugal, und womöglich mit Frankreich und den Vereinigten Staaten für
die Südafrikanische Republik den Weg zum Meere frei macht, der für ihr selb¬
ständiges Gedeihen unentbehrlich ist. Das ist die klare, aus den Dingen sich
ergebende Lösung, die vergiftende Halbheiten beseitigen wird. Die Republik
hat Rechte auf den dabei in Frage kommenden Küstenstrich, das Tongaland,
deren Anerkennung England an ihren Eintritt in den südafrikanischen Zoll¬
verein geknüpft hat. Das ganz ähnlich zur südafrikanischen Republik liegende
Swasiland haben sie ihr letztes Jahr zurückgeben müssen. Es ist weniger wert¬
voll, weil es nicht das Meer berührt. Nur mit dieser freien Küste können
sich die Vurenfreistaaten wirtschaftlich frei erhalten, und das ist endlich doch
immer die Vorbedingung der Loslösung von der unerträglichen Abhängigkeit
von England, die 1884 ohne zwingende Not eingegangen wurde. Von den
Transvaalburen muß das Joch genommen werden, daß sie alle Verträge (außer
denen mit dem Oranje-Freistaat) mit andern Mächten, auch selbst mit Neger¬
fürsten, England zur Genehmigung vorlegen müssen. Wir wissen Wohl, daß
es für England ein bitterer Bissen sein wird, den man ihm wahrscheinlich nicht
in der ersten Überraschung beibringen kann. Wir hoffen aber, daß es unsrer
Negierung mit Ausdauer und Unerschrockenheit gelingt. Sollte es eines Tages
sogar möglich werden, einen der dem Transvaal vorgelagerten portugiesischen
Küstenstriche des sogenannten Freistaats von Ostafrika für Deutschland zu ge¬
winnen — warum sollte nicht ein Gebietstausch zwischen dem Süden Deutsch¬
ostafrikas und dem Süden Portugiesischostafrikas möglich sein? —, so stünde
Deutschland dem unabhängigen Transvaal unmittelbar zur Seite. Das wäre
eine Lösung im großen Stil, die nur eins entschieden verlangt, was hoffent-
lich Deutschland jetzt leichter geworden ist als sonst: eine Politik von ge¬
sundem Egoismus, die stets bereit ist, England einen kleinen Teil der Rück¬
sichtslosigkeit heimzuzahlen, die es seit lange an Deutschland verschwendet hat.

Viel mehr als die Staatskunst kann aber auch in diesem Falle die Nation
selbst mit der unablässigen Arbeit der Einzelnen leisten. Sympathiekund¬
gebungen sind schön. Aber das sind nur Sträußchen, die durch die Luft
fliegen; sie liegen dann am Boden und welken. So wie es nicht die Haltung
der englischen Staatsmänner und Kolonialbeamten ist, die die Gefahr für die
Burenstaaten bildet, sondern die vielberufnen 60000 Engländer auf dem
Boden der südafrikanischen Republik, so nutzt die Haltung unsrer Diplo¬
matie, und wäre sie noch so wirksam, nichts ohne den Rückhalt der deutschen
Kolonisation, des deutschen Handels und Verkehrs. An den Fäden, die in
dieser Beziehung angesponnen sind, muß rüstig weitergesponuen werden, sie
müssen stärker, dichter, zahlreicher werden. Denn nur die Macht steht fest,
die im Boden wurzelt, und der Fleiß der Einzelnen ist das Mark der Politik.




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[0094] Unsre Pflicht im Transvaal Portugal, und womöglich mit Frankreich und den Vereinigten Staaten für die Südafrikanische Republik den Weg zum Meere frei macht, der für ihr selb¬ ständiges Gedeihen unentbehrlich ist. Das ist die klare, aus den Dingen sich ergebende Lösung, die vergiftende Halbheiten beseitigen wird. Die Republik hat Rechte auf den dabei in Frage kommenden Küstenstrich, das Tongaland, deren Anerkennung England an ihren Eintritt in den südafrikanischen Zoll¬ verein geknüpft hat. Das ganz ähnlich zur südafrikanischen Republik liegende Swasiland haben sie ihr letztes Jahr zurückgeben müssen. Es ist weniger wert¬ voll, weil es nicht das Meer berührt. Nur mit dieser freien Küste können sich die Vurenfreistaaten wirtschaftlich frei erhalten, und das ist endlich doch immer die Vorbedingung der Loslösung von der unerträglichen Abhängigkeit von England, die 1884 ohne zwingende Not eingegangen wurde. Von den Transvaalburen muß das Joch genommen werden, daß sie alle Verträge (außer denen mit dem Oranje-Freistaat) mit andern Mächten, auch selbst mit Neger¬ fürsten, England zur Genehmigung vorlegen müssen. Wir wissen Wohl, daß es für England ein bitterer Bissen sein wird, den man ihm wahrscheinlich nicht in der ersten Überraschung beibringen kann. Wir hoffen aber, daß es unsrer Negierung mit Ausdauer und Unerschrockenheit gelingt. Sollte es eines Tages sogar möglich werden, einen der dem Transvaal vorgelagerten portugiesischen Küstenstriche des sogenannten Freistaats von Ostafrika für Deutschland zu ge¬ winnen — warum sollte nicht ein Gebietstausch zwischen dem Süden Deutsch¬ ostafrikas und dem Süden Portugiesischostafrikas möglich sein? —, so stünde Deutschland dem unabhängigen Transvaal unmittelbar zur Seite. Das wäre eine Lösung im großen Stil, die nur eins entschieden verlangt, was hoffent- lich Deutschland jetzt leichter geworden ist als sonst: eine Politik von ge¬ sundem Egoismus, die stets bereit ist, England einen kleinen Teil der Rück¬ sichtslosigkeit heimzuzahlen, die es seit lange an Deutschland verschwendet hat. Viel mehr als die Staatskunst kann aber auch in diesem Falle die Nation selbst mit der unablässigen Arbeit der Einzelnen leisten. Sympathiekund¬ gebungen sind schön. Aber das sind nur Sträußchen, die durch die Luft fliegen; sie liegen dann am Boden und welken. So wie es nicht die Haltung der englischen Staatsmänner und Kolonialbeamten ist, die die Gefahr für die Burenstaaten bildet, sondern die vielberufnen 60000 Engländer auf dem Boden der südafrikanischen Republik, so nutzt die Haltung unsrer Diplo¬ matie, und wäre sie noch so wirksam, nichts ohne den Rückhalt der deutschen Kolonisation, des deutschen Handels und Verkehrs. An den Fäden, die in dieser Beziehung angesponnen sind, muß rüstig weitergesponuen werden, sie müssen stärker, dichter, zahlreicher werden. Denn nur die Macht steht fest, die im Boden wurzelt, und der Fleiß der Einzelnen ist das Mark der Politik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/94>, abgerufen am 01.09.2024.