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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die Mouroedoktriii

äußere Freundlichkeit und versteckte Unfreundlichkeit kaun aber nur eine un¬
amtliche sein, sie kann nur gemacht werden von der sogenannten öffentliche"
Meinung, durch Kundgebungen, durch die Zeitungen. Die amtliche deutsche
Welt muß sich selbstverständlich kühl, höflich und geheimnisvoll nach allen
Seiten verhalten, bis sie Gelegenheit hat, Vorteile, vielleicht Gebietsvorteile
zu erlangen, sobald dritte Mächte in den Kampf eintreten. Das sind Un¬
gewißheiten, die nur der einigermaßen überblickt, der selbst im politischen Amte
ist, die man nicht stören darf, wenn man außen steht, und die man nur
erörtert, damit der Beamte merkt, er habe die Volksmeinung hinter sich.

Wenn Englands Handel leidet, so gedeiht der unsre. Also müssen wir
uns freuen, wenn die Vereinigten Staaten wirksame Kaperei gegen England
treiben sollten. In Asien und Afrika ist es für uns von Vorteil, wenn Eng¬
land Abbruch geschieht; thatsächlich sowohl, als auch in der Anschauung der
Völker muß die Presse hierzu mithelfen. Sie muß die Schäden und Verluste
Englands verbreiten und den fremden Völkern England als Deutschlands Wider¬
sacher erscheinen lassen. Was ist dem gegenüber die Faselei der Kirchturms¬
staatsmänner, Europa dürfe von Amerika nicht diesen Faustschlag der Monroe-
doktriu hinnehmen? Ist etwa Europa eine Einheit? Haben die Staaten Europas
mehr Verbindung unter einander, als die Vereinigten Staaten mit Deutsch¬
land? Europa ist die ganze Erde. Und wir brauchen nicht zu fürchten, daß
die Vereinigten Staaten eigennütziger gegen uns verfahren werden, wenn sie
der Monroedoktrin die allerweiteste Anwendung geben, als wenn sie in ihren
jetzigen Grenzen bleiben. Sie werden immer so eigennützig und rücksichtslos
verfahren, wie sie können. Und warum sollten sie das auch nicht? Wir wollen
es auch thun; ihr Schaden ist unser Vorteil. Nicht deswegen müssen wir
den Vereinigten Staaten zur Zeit freundlich erscheinen, weil die Freundlichkeit
auf Dankbarkeit zu rechnen hätte -- denn Dank steht nicht im Wörterbuch
der Politik --, sondern weil das freundliche Gesicht gegen Amerika, der Schein
der Freundlichkeit uns die beste Sicherung nach allen Seiten bietet.

Dcirnm dürfen wir auch nicht wehklagen über die englische List, wenn sie
die amerikanischen Papiere auf den Markt schleudert und dadurch die Geldsäcke
der Wallstraße in Newyork schädigt. Es wird uus nicht schaden, wenn wir
die bisher guten amerikanischen Papiere zu tieferen Preise aufnehmen. Sie
werden gewiß während eines Krieges hier oder dort Not leiden, aber sicherlich
wieder gut werden. Denn die Vereinigten Staaten sind das Zukunftsreich
aller ausbeutenden Geldfürsten trotz aller Freiheitsredensarten der Zukunfts-
staat einer rücksichtslosen Sklaverei. Möge es den Vereinigten Staaten wohl
bekommen und ihren Gläubigern!

Darum, liebe Freunde von den deutschen Zeitungen, bedenkt den deutschen
Vorteil, der auch euerm Absatz um Zeitungen zuletzt Vorteil bringen muß.
Werft euch nicht zu Richtern über die Menschheit ans, sondern seid rücksichts-


Die Mouroedoktriii

äußere Freundlichkeit und versteckte Unfreundlichkeit kaun aber nur eine un¬
amtliche sein, sie kann nur gemacht werden von der sogenannten öffentliche»
Meinung, durch Kundgebungen, durch die Zeitungen. Die amtliche deutsche
Welt muß sich selbstverständlich kühl, höflich und geheimnisvoll nach allen
Seiten verhalten, bis sie Gelegenheit hat, Vorteile, vielleicht Gebietsvorteile
zu erlangen, sobald dritte Mächte in den Kampf eintreten. Das sind Un¬
gewißheiten, die nur der einigermaßen überblickt, der selbst im politischen Amte
ist, die man nicht stören darf, wenn man außen steht, und die man nur
erörtert, damit der Beamte merkt, er habe die Volksmeinung hinter sich.

Wenn Englands Handel leidet, so gedeiht der unsre. Also müssen wir
uns freuen, wenn die Vereinigten Staaten wirksame Kaperei gegen England
treiben sollten. In Asien und Afrika ist es für uns von Vorteil, wenn Eng¬
land Abbruch geschieht; thatsächlich sowohl, als auch in der Anschauung der
Völker muß die Presse hierzu mithelfen. Sie muß die Schäden und Verluste
Englands verbreiten und den fremden Völkern England als Deutschlands Wider¬
sacher erscheinen lassen. Was ist dem gegenüber die Faselei der Kirchturms¬
staatsmänner, Europa dürfe von Amerika nicht diesen Faustschlag der Monroe-
doktriu hinnehmen? Ist etwa Europa eine Einheit? Haben die Staaten Europas
mehr Verbindung unter einander, als die Vereinigten Staaten mit Deutsch¬
land? Europa ist die ganze Erde. Und wir brauchen nicht zu fürchten, daß
die Vereinigten Staaten eigennütziger gegen uns verfahren werden, wenn sie
der Monroedoktrin die allerweiteste Anwendung geben, als wenn sie in ihren
jetzigen Grenzen bleiben. Sie werden immer so eigennützig und rücksichtslos
verfahren, wie sie können. Und warum sollten sie das auch nicht? Wir wollen
es auch thun; ihr Schaden ist unser Vorteil. Nicht deswegen müssen wir
den Vereinigten Staaten zur Zeit freundlich erscheinen, weil die Freundlichkeit
auf Dankbarkeit zu rechnen hätte — denn Dank steht nicht im Wörterbuch
der Politik —, sondern weil das freundliche Gesicht gegen Amerika, der Schein
der Freundlichkeit uns die beste Sicherung nach allen Seiten bietet.

Dcirnm dürfen wir auch nicht wehklagen über die englische List, wenn sie
die amerikanischen Papiere auf den Markt schleudert und dadurch die Geldsäcke
der Wallstraße in Newyork schädigt. Es wird uus nicht schaden, wenn wir
die bisher guten amerikanischen Papiere zu tieferen Preise aufnehmen. Sie
werden gewiß während eines Krieges hier oder dort Not leiden, aber sicherlich
wieder gut werden. Denn die Vereinigten Staaten sind das Zukunftsreich
aller ausbeutenden Geldfürsten trotz aller Freiheitsredensarten der Zukunfts-
staat einer rücksichtslosen Sklaverei. Möge es den Vereinigten Staaten wohl
bekommen und ihren Gläubigern!

Darum, liebe Freunde von den deutschen Zeitungen, bedenkt den deutschen
Vorteil, der auch euerm Absatz um Zeitungen zuletzt Vorteil bringen muß.
Werft euch nicht zu Richtern über die Menschheit ans, sondern seid rücksichts-


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[0067] Die Mouroedoktriii äußere Freundlichkeit und versteckte Unfreundlichkeit kaun aber nur eine un¬ amtliche sein, sie kann nur gemacht werden von der sogenannten öffentliche» Meinung, durch Kundgebungen, durch die Zeitungen. Die amtliche deutsche Welt muß sich selbstverständlich kühl, höflich und geheimnisvoll nach allen Seiten verhalten, bis sie Gelegenheit hat, Vorteile, vielleicht Gebietsvorteile zu erlangen, sobald dritte Mächte in den Kampf eintreten. Das sind Un¬ gewißheiten, die nur der einigermaßen überblickt, der selbst im politischen Amte ist, die man nicht stören darf, wenn man außen steht, und die man nur erörtert, damit der Beamte merkt, er habe die Volksmeinung hinter sich. Wenn Englands Handel leidet, so gedeiht der unsre. Also müssen wir uns freuen, wenn die Vereinigten Staaten wirksame Kaperei gegen England treiben sollten. In Asien und Afrika ist es für uns von Vorteil, wenn Eng¬ land Abbruch geschieht; thatsächlich sowohl, als auch in der Anschauung der Völker muß die Presse hierzu mithelfen. Sie muß die Schäden und Verluste Englands verbreiten und den fremden Völkern England als Deutschlands Wider¬ sacher erscheinen lassen. Was ist dem gegenüber die Faselei der Kirchturms¬ staatsmänner, Europa dürfe von Amerika nicht diesen Faustschlag der Monroe- doktriu hinnehmen? Ist etwa Europa eine Einheit? Haben die Staaten Europas mehr Verbindung unter einander, als die Vereinigten Staaten mit Deutsch¬ land? Europa ist die ganze Erde. Und wir brauchen nicht zu fürchten, daß die Vereinigten Staaten eigennütziger gegen uns verfahren werden, wenn sie der Monroedoktrin die allerweiteste Anwendung geben, als wenn sie in ihren jetzigen Grenzen bleiben. Sie werden immer so eigennützig und rücksichtslos verfahren, wie sie können. Und warum sollten sie das auch nicht? Wir wollen es auch thun; ihr Schaden ist unser Vorteil. Nicht deswegen müssen wir den Vereinigten Staaten zur Zeit freundlich erscheinen, weil die Freundlichkeit auf Dankbarkeit zu rechnen hätte — denn Dank steht nicht im Wörterbuch der Politik —, sondern weil das freundliche Gesicht gegen Amerika, der Schein der Freundlichkeit uns die beste Sicherung nach allen Seiten bietet. Dcirnm dürfen wir auch nicht wehklagen über die englische List, wenn sie die amerikanischen Papiere auf den Markt schleudert und dadurch die Geldsäcke der Wallstraße in Newyork schädigt. Es wird uus nicht schaden, wenn wir die bisher guten amerikanischen Papiere zu tieferen Preise aufnehmen. Sie werden gewiß während eines Krieges hier oder dort Not leiden, aber sicherlich wieder gut werden. Denn die Vereinigten Staaten sind das Zukunftsreich aller ausbeutenden Geldfürsten trotz aller Freiheitsredensarten der Zukunfts- staat einer rücksichtslosen Sklaverei. Möge es den Vereinigten Staaten wohl bekommen und ihren Gläubigern! Darum, liebe Freunde von den deutschen Zeitungen, bedenkt den deutschen Vorteil, der auch euerm Absatz um Zeitungen zuletzt Vorteil bringen muß. Werft euch nicht zu Richtern über die Menschheit ans, sondern seid rücksichts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/67>, abgerufen am 25.11.2024.