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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Daniel Chodowiecki

damals nur wie zufällig, bruchstückweise und unvollkommen, ohne Konsequenz
und ohne Energie zu bringen wußten und daher verloren gehen ließen, das
hielt er fest zusammen und rundete es zu einem einheitlichen Werke ab.

Chodowiecki gehört zu den vielen deutschen Künstlern, die aus dem Kunst¬
handwerk emporgewachsen sind, und zwar ist es die Familie der Mutter, der
er seine Anlage und seinen Trieb zu danken hat. Wohl hat er selbst wieder¬
holt nicht ohne Stolz auf seine polnische Abkunft hingewiesen, sich oft genug
die richtige Aussprache seines Namens Cho-do-wi-ez-ki ausgebeten, und sein
Vater, der Kaufmann Gottfried Chodowiecki in Danzig, hatte sich nicht nur
als Kaufmannslehrling am Farbenkasten vergnügt, sondern liebte auch noch in
spätern Jahren, in Miniatur zu kopiren. Aber Daniel Chodowieckis Art ist
deutsch, und wie sein Vorname auf den Großvater mütterlicherseits weist, so
auch seine Begabung. Während Herr von Oettingen das Geschlecht der
Chodowiecki an der Hand einer alten Familienchronik bis in die Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts hinauf verfolgt, mögen daher hier aus Quellen des
Leipziger Ratsarchivs einige Angaben über die Ayrer folgen, denen des Künstlers
Mutter entstammt. Am 29. Mai 1661 wurde der Zuckerbäcker Daniel Arnold
Ayrer. Bürger von Leipzig. 1669 kaufte er hier von den Erben Kaspar Anckel-
manns ein Haus. Anckelmcmn war Gold- und Silberarbeiter gewesen und
1652 ganz jung gestorben. Seine Witwe hatte den Danziger Handelsmann
Joachim Dunkler geheiratet. So kam Ahrer wohl mit den Gold- und Silber¬
arbeitern und mit Danzig in Beziehungen. Am 8. September 1697 starb der
alte Ayrer siebzigjährig in Leipzig. Bei dem Erbvergleich, zu dem es zwischen
den drei Söhnen und der Tochter kam, handelte es sich außer um das Leip¬
ziger Haus noch um eine Gold- und Silberwarenfabrik in Zerbst und eine in
Danzig. Der jüngste Sohn, Daniel Adrian Ahrer, der in Zerbst seine Frau',
eine Nvfugive, kennen gelernt hatte und 1696 mit ihr nach Danzig gegangen
war, behielt auch nach dem Vergleich, bei dem er sich vertreten ließ, das
Danziger Geschäft. Den künstlerischen Sinn, der sich mit der andauernden
Beschäftigung mit Gold- und Silberarbeiten immer mehr in der Familie ent¬
wickeln mußte, bethätigten von seinen Kindern der Sohn Antoine Andrv. der
bereits in den dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts ein eignes
Berliner Quincailleriegeschäft leitete, und Fräulein Justine, Chodowieckis Tante,
deren kleine Miniaturmalereien gelegentlich im Geschäfte ihres Bruders ver¬
trieben wurden. Des dritten Geschwisters der beiden, der Maria Henriette
ältester Sohn ist Daniel Chodowiecki. Wie sein jüngerer Bruder Gottfried,
wurde er für den Handel, die Thätigkeit des Vaters, bestimmt, aber bei
beiden Brüdern hat sich der Ahrersche Kunstsinn dadurch Bahn brechen
können, daß beide in das Berliner Geschäft kamen. Gottfried wurde schon un¬
mittelbar reich dem frühen Tode des Vaters, im April 1740 zu seinem Paten,
dem Onkel Ayrer, gegeben, drei Jahre später folgte ihm der sechzehnjährige


Daniel Chodowiecki

damals nur wie zufällig, bruchstückweise und unvollkommen, ohne Konsequenz
und ohne Energie zu bringen wußten und daher verloren gehen ließen, das
hielt er fest zusammen und rundete es zu einem einheitlichen Werke ab.

Chodowiecki gehört zu den vielen deutschen Künstlern, die aus dem Kunst¬
handwerk emporgewachsen sind, und zwar ist es die Familie der Mutter, der
er seine Anlage und seinen Trieb zu danken hat. Wohl hat er selbst wieder¬
holt nicht ohne Stolz auf seine polnische Abkunft hingewiesen, sich oft genug
die richtige Aussprache seines Namens Cho-do-wi-ez-ki ausgebeten, und sein
Vater, der Kaufmann Gottfried Chodowiecki in Danzig, hatte sich nicht nur
als Kaufmannslehrling am Farbenkasten vergnügt, sondern liebte auch noch in
spätern Jahren, in Miniatur zu kopiren. Aber Daniel Chodowieckis Art ist
deutsch, und wie sein Vorname auf den Großvater mütterlicherseits weist, so
auch seine Begabung. Während Herr von Oettingen das Geschlecht der
Chodowiecki an der Hand einer alten Familienchronik bis in die Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts hinauf verfolgt, mögen daher hier aus Quellen des
Leipziger Ratsarchivs einige Angaben über die Ayrer folgen, denen des Künstlers
Mutter entstammt. Am 29. Mai 1661 wurde der Zuckerbäcker Daniel Arnold
Ayrer. Bürger von Leipzig. 1669 kaufte er hier von den Erben Kaspar Anckel-
manns ein Haus. Anckelmcmn war Gold- und Silberarbeiter gewesen und
1652 ganz jung gestorben. Seine Witwe hatte den Danziger Handelsmann
Joachim Dunkler geheiratet. So kam Ahrer wohl mit den Gold- und Silber¬
arbeitern und mit Danzig in Beziehungen. Am 8. September 1697 starb der
alte Ayrer siebzigjährig in Leipzig. Bei dem Erbvergleich, zu dem es zwischen
den drei Söhnen und der Tochter kam, handelte es sich außer um das Leip¬
ziger Haus noch um eine Gold- und Silberwarenfabrik in Zerbst und eine in
Danzig. Der jüngste Sohn, Daniel Adrian Ahrer, der in Zerbst seine Frau',
eine Nvfugive, kennen gelernt hatte und 1696 mit ihr nach Danzig gegangen
war, behielt auch nach dem Vergleich, bei dem er sich vertreten ließ, das
Danziger Geschäft. Den künstlerischen Sinn, der sich mit der andauernden
Beschäftigung mit Gold- und Silberarbeiten immer mehr in der Familie ent¬
wickeln mußte, bethätigten von seinen Kindern der Sohn Antoine Andrv. der
bereits in den dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts ein eignes
Berliner Quincailleriegeschäft leitete, und Fräulein Justine, Chodowieckis Tante,
deren kleine Miniaturmalereien gelegentlich im Geschäfte ihres Bruders ver¬
trieben wurden. Des dritten Geschwisters der beiden, der Maria Henriette
ältester Sohn ist Daniel Chodowiecki. Wie sein jüngerer Bruder Gottfried,
wurde er für den Handel, die Thätigkeit des Vaters, bestimmt, aber bei
beiden Brüdern hat sich der Ahrersche Kunstsinn dadurch Bahn brechen
können, daß beide in das Berliner Geschäft kamen. Gottfried wurde schon un¬
mittelbar reich dem frühen Tode des Vaters, im April 1740 zu seinem Paten,
dem Onkel Ayrer, gegeben, drei Jahre später folgte ihm der sechzehnjährige


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[0615] Daniel Chodowiecki damals nur wie zufällig, bruchstückweise und unvollkommen, ohne Konsequenz und ohne Energie zu bringen wußten und daher verloren gehen ließen, das hielt er fest zusammen und rundete es zu einem einheitlichen Werke ab. Chodowiecki gehört zu den vielen deutschen Künstlern, die aus dem Kunst¬ handwerk emporgewachsen sind, und zwar ist es die Familie der Mutter, der er seine Anlage und seinen Trieb zu danken hat. Wohl hat er selbst wieder¬ holt nicht ohne Stolz auf seine polnische Abkunft hingewiesen, sich oft genug die richtige Aussprache seines Namens Cho-do-wi-ez-ki ausgebeten, und sein Vater, der Kaufmann Gottfried Chodowiecki in Danzig, hatte sich nicht nur als Kaufmannslehrling am Farbenkasten vergnügt, sondern liebte auch noch in spätern Jahren, in Miniatur zu kopiren. Aber Daniel Chodowieckis Art ist deutsch, und wie sein Vorname auf den Großvater mütterlicherseits weist, so auch seine Begabung. Während Herr von Oettingen das Geschlecht der Chodowiecki an der Hand einer alten Familienchronik bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hinauf verfolgt, mögen daher hier aus Quellen des Leipziger Ratsarchivs einige Angaben über die Ayrer folgen, denen des Künstlers Mutter entstammt. Am 29. Mai 1661 wurde der Zuckerbäcker Daniel Arnold Ayrer. Bürger von Leipzig. 1669 kaufte er hier von den Erben Kaspar Anckel- manns ein Haus. Anckelmcmn war Gold- und Silberarbeiter gewesen und 1652 ganz jung gestorben. Seine Witwe hatte den Danziger Handelsmann Joachim Dunkler geheiratet. So kam Ahrer wohl mit den Gold- und Silber¬ arbeitern und mit Danzig in Beziehungen. Am 8. September 1697 starb der alte Ayrer siebzigjährig in Leipzig. Bei dem Erbvergleich, zu dem es zwischen den drei Söhnen und der Tochter kam, handelte es sich außer um das Leip¬ ziger Haus noch um eine Gold- und Silberwarenfabrik in Zerbst und eine in Danzig. Der jüngste Sohn, Daniel Adrian Ahrer, der in Zerbst seine Frau', eine Nvfugive, kennen gelernt hatte und 1696 mit ihr nach Danzig gegangen war, behielt auch nach dem Vergleich, bei dem er sich vertreten ließ, das Danziger Geschäft. Den künstlerischen Sinn, der sich mit der andauernden Beschäftigung mit Gold- und Silberarbeiten immer mehr in der Familie ent¬ wickeln mußte, bethätigten von seinen Kindern der Sohn Antoine Andrv. der bereits in den dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts ein eignes Berliner Quincailleriegeschäft leitete, und Fräulein Justine, Chodowieckis Tante, deren kleine Miniaturmalereien gelegentlich im Geschäfte ihres Bruders ver¬ trieben wurden. Des dritten Geschwisters der beiden, der Maria Henriette ältester Sohn ist Daniel Chodowiecki. Wie sein jüngerer Bruder Gottfried, wurde er für den Handel, die Thätigkeit des Vaters, bestimmt, aber bei beiden Brüdern hat sich der Ahrersche Kunstsinn dadurch Bahn brechen können, daß beide in das Berliner Geschäft kamen. Gottfried wurde schon un¬ mittelbar reich dem frühen Tode des Vaters, im April 1740 zu seinem Paten, dem Onkel Ayrer, gegeben, drei Jahre später folgte ihm der sechzehnjährige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/615>, abgerufen am 01.09.2024.