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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Großvater

verstorbner Gattin, Terna heißt und eben im Begriff ist, ins Leben hinauszutreten.
Er findet aber gleichzeitig eine dunkle Wolke über dem Hause schweben. Die eigen¬
willige schöne Frau, zu deu Naturen gehörig, die nur schwer von der Jngend Ab¬
schied nehmen, sich in bescheidnen Verhältnissen nie bescheiden können, erscheint von
vornherein in einem bedenklichen Zwielicht. Ihr Gatte, der Arzt, von dem Be¬
wußtsein gequellt, daß sich Frau Stephanie in seinem Heim nicht heimisch findet,
von geheimem eifersüchtigen Mißtrauen erfüllt, nicht sicher, ob er ihre Liebe besitzt,
und doch jeden Gedanken weit von sich weisend, die Freiheit seiner Frau zu be¬
schränken, ihren Launen und Wünschen schrankenlos nachgebend, steht zwischen Vater
und Frau, zwischen Frau und Kindern mit dem dumpfen Gefühl, daß er der Lage
nicht gewachsen sei. Der alte Zollinspektor und, was schlimmer ist, die halberwachsenen
Kinder ahnen, daß Glück und Ehre des Hauses bedroht sind, aber umsonst versucht
der Großvater deu Sturz in die Tiefe aufzuhalten. Die Frau, die längst zu Konsul
Wingaard in einem schuldvollen Verhältnis steht, entwickelt dem vertrauenden wie
dem mißtrauenden Gatten gegenüber wahre Schlangenkünste und das verderbliche
Talent, ihre verbotnen Wege in Dunkel zu hüllen. Für den Großvater ist ihre
Natur von dem Augenblick um durchsichtig, wo sie auf dem ersten Ball, ans dem
ihre eben erwachsene Tochter miltanzt, den ersten jungen Anbeter, der Interesse an
ihrem Kinde zeigt, an sich zieht und mit ihrer Koketterie bestrickt. Die Atmosphäre
um das Haus und in dem Hause des Arztes wird täglich schwüler, der Aufent¬
halt auf einer kleinen ländlichen Besitzung bringt nur vorübergehend Erleichterung.
Der Großvater merkt, daß sich die älteren Kinder mehr und mehr von der Mutter
abwenden, daß sich der Sohn voll innerlicher Verzweiflung gegen die Erkenntnis
der wahren Sachlage wehrt. Er möchte eine Katastrophe abwenden, die immer
näher rückt, und möchte zugleich dem Dache entfliehen, unter dem ihm nicht mehr
Wohl ist. Nun kommt der zweite Winter, das einsame Häuschen auf dem Lande
liegt verschlossen. Der Korpsarzt kann aber nicht umhin, von Zeit zu Zeit dort
einzusprechen. Mit einemmal entdeckt er Spuren, daß es nicht immer einsam dort
gewesen ist. Ein Blitzstrahl jähen Argwohns zuckt vor ihm nieder, er verrät seinem
Vater genug vou der leidenschaftlichen Sorge, die ihn erfaßt hat, aber er verschließt
den furchtbaren und finstern Vorsatz zu einer Art Gottesgericht in seiner Brust.
Wenn Stephanie unschuldig ist, wenn sie keine Zusammenkünfte in dem verschlossenen
Sommerhaus hält, so wird sichs ja bald zeigen. Umgekehrt: wenn sie schuldig ist,
so wird sie die Rache unfehlbar heute oder morgen ereilen. Die schöne Frau, zu
deren Charakteristik ihre Naschhaftigkeit gehört, hat einen großen Topf Himbeergelee,
ihre Lieblingsnäscherei, in einem Schrank des Landhauses verschlossen aufbewahrt.
Der Korpsarzt, der gewiß zu sein vermeint, daß niemand außer Stephanie zu
diesem gelangen kann, vergiftet es mit einem raschwirkenden tötlichen Gift. Es
fällt ihm nicht ein, daß doch ein verhängnisvoller Zufall irgend einen Unschuldigen
zu dem vergifteten Gelee führen könne, seine eignen Kindern, die Frau mit deu
Kindern, oder auch einen armen hungrigen Einbrecher, der nichts andres als Lebens¬
mittel in dem verlassenen Häuschen sucht. Er ist überzeugt, daß in der einen
Wagschale die vollkommene, von ihm noch immer heimlich gehoffte Schuldlosigkeit
der Frau und die Unberührtheit der vergifteten Näscherei, in der andern das ge¬
heime Stelldichein mit Wingaard, ein verbrecherisches Picknick und der Tod der
Schuldigen liegt. Und es kommt, wie er gerechnet hat. An einem Winterabend,
an dem Frau Stephanie außer dem Hause, angeblich auf Besuch bei einer Freundin
weilt und schon mit Bangen erwartet wird, donnert plötzlich der Schlitten des
Konsuls vor das Haus des Arztes, der totenbleiche Schuldige stottert etwas vou


Großvater

verstorbner Gattin, Terna heißt und eben im Begriff ist, ins Leben hinauszutreten.
Er findet aber gleichzeitig eine dunkle Wolke über dem Hause schweben. Die eigen¬
willige schöne Frau, zu deu Naturen gehörig, die nur schwer von der Jngend Ab¬
schied nehmen, sich in bescheidnen Verhältnissen nie bescheiden können, erscheint von
vornherein in einem bedenklichen Zwielicht. Ihr Gatte, der Arzt, von dem Be¬
wußtsein gequellt, daß sich Frau Stephanie in seinem Heim nicht heimisch findet,
von geheimem eifersüchtigen Mißtrauen erfüllt, nicht sicher, ob er ihre Liebe besitzt,
und doch jeden Gedanken weit von sich weisend, die Freiheit seiner Frau zu be¬
schränken, ihren Launen und Wünschen schrankenlos nachgebend, steht zwischen Vater
und Frau, zwischen Frau und Kindern mit dem dumpfen Gefühl, daß er der Lage
nicht gewachsen sei. Der alte Zollinspektor und, was schlimmer ist, die halberwachsenen
Kinder ahnen, daß Glück und Ehre des Hauses bedroht sind, aber umsonst versucht
der Großvater deu Sturz in die Tiefe aufzuhalten. Die Frau, die längst zu Konsul
Wingaard in einem schuldvollen Verhältnis steht, entwickelt dem vertrauenden wie
dem mißtrauenden Gatten gegenüber wahre Schlangenkünste und das verderbliche
Talent, ihre verbotnen Wege in Dunkel zu hüllen. Für den Großvater ist ihre
Natur von dem Augenblick um durchsichtig, wo sie auf dem ersten Ball, ans dem
ihre eben erwachsene Tochter miltanzt, den ersten jungen Anbeter, der Interesse an
ihrem Kinde zeigt, an sich zieht und mit ihrer Koketterie bestrickt. Die Atmosphäre
um das Haus und in dem Hause des Arztes wird täglich schwüler, der Aufent¬
halt auf einer kleinen ländlichen Besitzung bringt nur vorübergehend Erleichterung.
Der Großvater merkt, daß sich die älteren Kinder mehr und mehr von der Mutter
abwenden, daß sich der Sohn voll innerlicher Verzweiflung gegen die Erkenntnis
der wahren Sachlage wehrt. Er möchte eine Katastrophe abwenden, die immer
näher rückt, und möchte zugleich dem Dache entfliehen, unter dem ihm nicht mehr
Wohl ist. Nun kommt der zweite Winter, das einsame Häuschen auf dem Lande
liegt verschlossen. Der Korpsarzt kann aber nicht umhin, von Zeit zu Zeit dort
einzusprechen. Mit einemmal entdeckt er Spuren, daß es nicht immer einsam dort
gewesen ist. Ein Blitzstrahl jähen Argwohns zuckt vor ihm nieder, er verrät seinem
Vater genug vou der leidenschaftlichen Sorge, die ihn erfaßt hat, aber er verschließt
den furchtbaren und finstern Vorsatz zu einer Art Gottesgericht in seiner Brust.
Wenn Stephanie unschuldig ist, wenn sie keine Zusammenkünfte in dem verschlossenen
Sommerhaus hält, so wird sichs ja bald zeigen. Umgekehrt: wenn sie schuldig ist,
so wird sie die Rache unfehlbar heute oder morgen ereilen. Die schöne Frau, zu
deren Charakteristik ihre Naschhaftigkeit gehört, hat einen großen Topf Himbeergelee,
ihre Lieblingsnäscherei, in einem Schrank des Landhauses verschlossen aufbewahrt.
Der Korpsarzt, der gewiß zu sein vermeint, daß niemand außer Stephanie zu
diesem gelangen kann, vergiftet es mit einem raschwirkenden tötlichen Gift. Es
fällt ihm nicht ein, daß doch ein verhängnisvoller Zufall irgend einen Unschuldigen
zu dem vergifteten Gelee führen könne, seine eignen Kindern, die Frau mit deu
Kindern, oder auch einen armen hungrigen Einbrecher, der nichts andres als Lebens¬
mittel in dem verlassenen Häuschen sucht. Er ist überzeugt, daß in der einen
Wagschale die vollkommene, von ihm noch immer heimlich gehoffte Schuldlosigkeit
der Frau und die Unberührtheit der vergifteten Näscherei, in der andern das ge¬
heime Stelldichein mit Wingaard, ein verbrecherisches Picknick und der Tod der
Schuldigen liegt. Und es kommt, wie er gerechnet hat. An einem Winterabend,
an dem Frau Stephanie außer dem Hause, angeblich auf Besuch bei einer Freundin
weilt und schon mit Bangen erwartet wird, donnert plötzlich der Schlitten des
Konsuls vor das Haus des Arztes, der totenbleiche Schuldige stottert etwas vou


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[0574] Großvater verstorbner Gattin, Terna heißt und eben im Begriff ist, ins Leben hinauszutreten. Er findet aber gleichzeitig eine dunkle Wolke über dem Hause schweben. Die eigen¬ willige schöne Frau, zu deu Naturen gehörig, die nur schwer von der Jngend Ab¬ schied nehmen, sich in bescheidnen Verhältnissen nie bescheiden können, erscheint von vornherein in einem bedenklichen Zwielicht. Ihr Gatte, der Arzt, von dem Be¬ wußtsein gequellt, daß sich Frau Stephanie in seinem Heim nicht heimisch findet, von geheimem eifersüchtigen Mißtrauen erfüllt, nicht sicher, ob er ihre Liebe besitzt, und doch jeden Gedanken weit von sich weisend, die Freiheit seiner Frau zu be¬ schränken, ihren Launen und Wünschen schrankenlos nachgebend, steht zwischen Vater und Frau, zwischen Frau und Kindern mit dem dumpfen Gefühl, daß er der Lage nicht gewachsen sei. Der alte Zollinspektor und, was schlimmer ist, die halberwachsenen Kinder ahnen, daß Glück und Ehre des Hauses bedroht sind, aber umsonst versucht der Großvater deu Sturz in die Tiefe aufzuhalten. Die Frau, die längst zu Konsul Wingaard in einem schuldvollen Verhältnis steht, entwickelt dem vertrauenden wie dem mißtrauenden Gatten gegenüber wahre Schlangenkünste und das verderbliche Talent, ihre verbotnen Wege in Dunkel zu hüllen. Für den Großvater ist ihre Natur von dem Augenblick um durchsichtig, wo sie auf dem ersten Ball, ans dem ihre eben erwachsene Tochter miltanzt, den ersten jungen Anbeter, der Interesse an ihrem Kinde zeigt, an sich zieht und mit ihrer Koketterie bestrickt. Die Atmosphäre um das Haus und in dem Hause des Arztes wird täglich schwüler, der Aufent¬ halt auf einer kleinen ländlichen Besitzung bringt nur vorübergehend Erleichterung. Der Großvater merkt, daß sich die älteren Kinder mehr und mehr von der Mutter abwenden, daß sich der Sohn voll innerlicher Verzweiflung gegen die Erkenntnis der wahren Sachlage wehrt. Er möchte eine Katastrophe abwenden, die immer näher rückt, und möchte zugleich dem Dache entfliehen, unter dem ihm nicht mehr Wohl ist. Nun kommt der zweite Winter, das einsame Häuschen auf dem Lande liegt verschlossen. Der Korpsarzt kann aber nicht umhin, von Zeit zu Zeit dort einzusprechen. Mit einemmal entdeckt er Spuren, daß es nicht immer einsam dort gewesen ist. Ein Blitzstrahl jähen Argwohns zuckt vor ihm nieder, er verrät seinem Vater genug vou der leidenschaftlichen Sorge, die ihn erfaßt hat, aber er verschließt den furchtbaren und finstern Vorsatz zu einer Art Gottesgericht in seiner Brust. Wenn Stephanie unschuldig ist, wenn sie keine Zusammenkünfte in dem verschlossenen Sommerhaus hält, so wird sichs ja bald zeigen. Umgekehrt: wenn sie schuldig ist, so wird sie die Rache unfehlbar heute oder morgen ereilen. Die schöne Frau, zu deren Charakteristik ihre Naschhaftigkeit gehört, hat einen großen Topf Himbeergelee, ihre Lieblingsnäscherei, in einem Schrank des Landhauses verschlossen aufbewahrt. Der Korpsarzt, der gewiß zu sein vermeint, daß niemand außer Stephanie zu diesem gelangen kann, vergiftet es mit einem raschwirkenden tötlichen Gift. Es fällt ihm nicht ein, daß doch ein verhängnisvoller Zufall irgend einen Unschuldigen zu dem vergifteten Gelee führen könne, seine eignen Kindern, die Frau mit deu Kindern, oder auch einen armen hungrigen Einbrecher, der nichts andres als Lebens¬ mittel in dem verlassenen Häuschen sucht. Er ist überzeugt, daß in der einen Wagschale die vollkommene, von ihm noch immer heimlich gehoffte Schuldlosigkeit der Frau und die Unberührtheit der vergifteten Näscherei, in der andern das ge¬ heime Stelldichein mit Wingaard, ein verbrecherisches Picknick und der Tod der Schuldigen liegt. Und es kommt, wie er gerechnet hat. An einem Winterabend, an dem Frau Stephanie außer dem Hause, angeblich auf Besuch bei einer Freundin weilt und schon mit Bangen erwartet wird, donnert plötzlich der Schlitten des Konsuls vor das Haus des Arztes, der totenbleiche Schuldige stottert etwas vou

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/574>, abgerufen am 01.09.2024.