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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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An Bord von S, M. S. Brandenburg

das Deck, das nicht mehr die schöne, glatte, freie Fläche bildet wie ehedem; aus
dem ganzen, schwer übersichtlichen Gewirr ragen ein paar Gruppen hoher Venti¬
lationsröhren, zwei oder drei kolossale, turmartige Schornsteine und ein paar, vom
Wasserspiegel aus gerechnet, etwa 20 Meter hohe, 1 Meter starke, hohle, von
Warten aus Drahtseilen gehaltne Masten auf, die unter der letzten Stenge für
den Flaggenstock den gepanzerten Gefechtsmars, ein rundes, korbartiges Eisengefäß
mit Maschinengewehren und Schnellfeuergeschützen lind unter diesem eine raaen-
artige Querstange, für die Signalgebuug (Signalraa), vorn aber je einen großen
elektrischen Scheinwerfer tragen. Von Takelage ist keine Spur mehr zu sehen,
die bewegende Kraft des Eisenkolosses bilden lediglich seine Maschinen.

So lag an jenem Morgen auch die "Brandenburg" vor mir. Erst allmäh¬
lich kamen mir die gewaltigen Maße zum Bewußtsein: 110,5 Meter Länge,
19,5 Meter größte Breite (ungefähr die Länge eines Wohnhauses von 7 bis
8 Fenstern Front) zwischen den nach unten etwas ausgebauchten Seitenwänden;
fast 7 Meter, etwa zwei Etagenhöhen, ragte das hohe Vorderschiff ans dem Wasser,
während das Achterschiff beinahe um die Hälfte niedriger (3,5 Meter über dem
Wasserspiegel) liegt, und 7,5 Meter tief taucht das ausgerüstete, armirte und be¬
mannte Fahrzeug. Eine endlose Reihe von runden Fenstern (Ochsenaugen, bull
e^L, im Mntrosendeutsch Bullaugen), die von fern wie kleine Öffnungen aussehen und
doch einem Menschen zur Not gestatten, sich durchzuzwängen, zieht sich rings um
den Rumpf, wie bei großen Passagierdampfern, im Vorderschiff in doppelter Reihe
über einander, achterm die "Kammern" der Offiziere, vorn die Mannschaftsräume
bezeichnend, und an den Seiten hängen die langen stählernen Spieren herab,
die das Torpedoschutznetz ausspreizen können. Von dem mächtigen Pauzergürtel aus
Nickclstahl (40 Centimeter stark, vorn 30 Centimeter) sah man gar nichts, von
der furchtbaren Artillerie- und Torpedoausrüstung nnr wenig: einige Paar riesiger
Geschützrohre, die ans kuppelartiger Bedachungen herausstarrten, eine Reihe kleinerer
Geschütze etwa mittschiffs in der Gegend der Schornsteine und die Öffnungen
der Laneierrohre für die Torpedos (im ganzen sechs). Inzwischen war mein
Boot hinangekommen und legte am Fallreep (Treppe) der Backbordseite an, ziem¬
lich weit achterm. Da ich erwartet wurde, machte der obensteheude Fallreeps¬
gefreite keine Schwierigkeiten, und mit wenigen Schritten war ich an Deck, ange¬
sichts des mittlern Panzerdrehturms hinter den Schornsteinen und vor der Offiziers¬
messe mit der Kommandantenwohnnng und zwei Offizierswohnungen, die in einem
achteckigen, auf Deck stehenden kastenartigen, natürlich grau gestrichen, durch "Bulleys"
und "Skylights" (Oberlichtfenster) erhellten Aufbau bereinigt sind. Ein Gang trennt
beide Teile. Beim Eintreten erstaunte ich über den verhältnismäßig großen, wenn
auch etwas niedrigen Runen der hellgemalten Messe, in der ganz bequem einige
Dutzend Personen speisen können und die dienstfreien Offiziere sich gewöhnlich tags¬
über aufhalten. Ein paar Tische und eine Anzahl Stühle, drei Sofas, ein Büffet¬
schrank mit Gläsern, zwei große Wandspiegel und ein Zeitungsgestell bildeten die
Ausstattung des einfach-behaglichen saalartigen Gerlachs; an den Wänden hingen
die Bilder von Kaiser Wilhelm I. und II., Bismarck, Moltke u. a. in.. an der
einen Querwand ein großer Stich in Eichenrahmen, die brandenburgische Flotte
unter dem Großen Kurfürsten darstellend, ein Geschenk des Kaisers (nach dem
Gemälde in seinem Arbeitszimmer).

Vom ersten Augenblick an war ich gewissermaßen in die Hausgenossenschaft
aufgenommen, und die Offiziere -- außer dem Kommandanten waren neun an
Bord, nicht ganz die volle Zahl, dazu zwei Ärzte und vier Ingenieure mit


An Bord von S, M. S. Brandenburg

das Deck, das nicht mehr die schöne, glatte, freie Fläche bildet wie ehedem; aus
dem ganzen, schwer übersichtlichen Gewirr ragen ein paar Gruppen hoher Venti¬
lationsröhren, zwei oder drei kolossale, turmartige Schornsteine und ein paar, vom
Wasserspiegel aus gerechnet, etwa 20 Meter hohe, 1 Meter starke, hohle, von
Warten aus Drahtseilen gehaltne Masten auf, die unter der letzten Stenge für
den Flaggenstock den gepanzerten Gefechtsmars, ein rundes, korbartiges Eisengefäß
mit Maschinengewehren und Schnellfeuergeschützen lind unter diesem eine raaen-
artige Querstange, für die Signalgebuug (Signalraa), vorn aber je einen großen
elektrischen Scheinwerfer tragen. Von Takelage ist keine Spur mehr zu sehen,
die bewegende Kraft des Eisenkolosses bilden lediglich seine Maschinen.

So lag an jenem Morgen auch die „Brandenburg" vor mir. Erst allmäh¬
lich kamen mir die gewaltigen Maße zum Bewußtsein: 110,5 Meter Länge,
19,5 Meter größte Breite (ungefähr die Länge eines Wohnhauses von 7 bis
8 Fenstern Front) zwischen den nach unten etwas ausgebauchten Seitenwänden;
fast 7 Meter, etwa zwei Etagenhöhen, ragte das hohe Vorderschiff ans dem Wasser,
während das Achterschiff beinahe um die Hälfte niedriger (3,5 Meter über dem
Wasserspiegel) liegt, und 7,5 Meter tief taucht das ausgerüstete, armirte und be¬
mannte Fahrzeug. Eine endlose Reihe von runden Fenstern (Ochsenaugen, bull
e^L, im Mntrosendeutsch Bullaugen), die von fern wie kleine Öffnungen aussehen und
doch einem Menschen zur Not gestatten, sich durchzuzwängen, zieht sich rings um
den Rumpf, wie bei großen Passagierdampfern, im Vorderschiff in doppelter Reihe
über einander, achterm die „Kammern" der Offiziere, vorn die Mannschaftsräume
bezeichnend, und an den Seiten hängen die langen stählernen Spieren herab,
die das Torpedoschutznetz ausspreizen können. Von dem mächtigen Pauzergürtel aus
Nickclstahl (40 Centimeter stark, vorn 30 Centimeter) sah man gar nichts, von
der furchtbaren Artillerie- und Torpedoausrüstung nnr wenig: einige Paar riesiger
Geschützrohre, die ans kuppelartiger Bedachungen herausstarrten, eine Reihe kleinerer
Geschütze etwa mittschiffs in der Gegend der Schornsteine und die Öffnungen
der Laneierrohre für die Torpedos (im ganzen sechs). Inzwischen war mein
Boot hinangekommen und legte am Fallreep (Treppe) der Backbordseite an, ziem¬
lich weit achterm. Da ich erwartet wurde, machte der obensteheude Fallreeps¬
gefreite keine Schwierigkeiten, und mit wenigen Schritten war ich an Deck, ange¬
sichts des mittlern Panzerdrehturms hinter den Schornsteinen und vor der Offiziers¬
messe mit der Kommandantenwohnnng und zwei Offizierswohnungen, die in einem
achteckigen, auf Deck stehenden kastenartigen, natürlich grau gestrichen, durch „Bulleys"
und „Skylights" (Oberlichtfenster) erhellten Aufbau bereinigt sind. Ein Gang trennt
beide Teile. Beim Eintreten erstaunte ich über den verhältnismäßig großen, wenn
auch etwas niedrigen Runen der hellgemalten Messe, in der ganz bequem einige
Dutzend Personen speisen können und die dienstfreien Offiziere sich gewöhnlich tags¬
über aufhalten. Ein paar Tische und eine Anzahl Stühle, drei Sofas, ein Büffet¬
schrank mit Gläsern, zwei große Wandspiegel und ein Zeitungsgestell bildeten die
Ausstattung des einfach-behaglichen saalartigen Gerlachs; an den Wänden hingen
die Bilder von Kaiser Wilhelm I. und II., Bismarck, Moltke u. a. in.. an der
einen Querwand ein großer Stich in Eichenrahmen, die brandenburgische Flotte
unter dem Großen Kurfürsten darstellend, ein Geschenk des Kaisers (nach dem
Gemälde in seinem Arbeitszimmer).

Vom ersten Augenblick an war ich gewissermaßen in die Hausgenossenschaft
aufgenommen, und die Offiziere — außer dem Kommandanten waren neun an
Bord, nicht ganz die volle Zahl, dazu zwei Ärzte und vier Ingenieure mit


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[0485] An Bord von S, M. S. Brandenburg das Deck, das nicht mehr die schöne, glatte, freie Fläche bildet wie ehedem; aus dem ganzen, schwer übersichtlichen Gewirr ragen ein paar Gruppen hoher Venti¬ lationsröhren, zwei oder drei kolossale, turmartige Schornsteine und ein paar, vom Wasserspiegel aus gerechnet, etwa 20 Meter hohe, 1 Meter starke, hohle, von Warten aus Drahtseilen gehaltne Masten auf, die unter der letzten Stenge für den Flaggenstock den gepanzerten Gefechtsmars, ein rundes, korbartiges Eisengefäß mit Maschinengewehren und Schnellfeuergeschützen lind unter diesem eine raaen- artige Querstange, für die Signalgebuug (Signalraa), vorn aber je einen großen elektrischen Scheinwerfer tragen. Von Takelage ist keine Spur mehr zu sehen, die bewegende Kraft des Eisenkolosses bilden lediglich seine Maschinen. So lag an jenem Morgen auch die „Brandenburg" vor mir. Erst allmäh¬ lich kamen mir die gewaltigen Maße zum Bewußtsein: 110,5 Meter Länge, 19,5 Meter größte Breite (ungefähr die Länge eines Wohnhauses von 7 bis 8 Fenstern Front) zwischen den nach unten etwas ausgebauchten Seitenwänden; fast 7 Meter, etwa zwei Etagenhöhen, ragte das hohe Vorderschiff ans dem Wasser, während das Achterschiff beinahe um die Hälfte niedriger (3,5 Meter über dem Wasserspiegel) liegt, und 7,5 Meter tief taucht das ausgerüstete, armirte und be¬ mannte Fahrzeug. Eine endlose Reihe von runden Fenstern (Ochsenaugen, bull e^L, im Mntrosendeutsch Bullaugen), die von fern wie kleine Öffnungen aussehen und doch einem Menschen zur Not gestatten, sich durchzuzwängen, zieht sich rings um den Rumpf, wie bei großen Passagierdampfern, im Vorderschiff in doppelter Reihe über einander, achterm die „Kammern" der Offiziere, vorn die Mannschaftsräume bezeichnend, und an den Seiten hängen die langen stählernen Spieren herab, die das Torpedoschutznetz ausspreizen können. Von dem mächtigen Pauzergürtel aus Nickclstahl (40 Centimeter stark, vorn 30 Centimeter) sah man gar nichts, von der furchtbaren Artillerie- und Torpedoausrüstung nnr wenig: einige Paar riesiger Geschützrohre, die ans kuppelartiger Bedachungen herausstarrten, eine Reihe kleinerer Geschütze etwa mittschiffs in der Gegend der Schornsteine und die Öffnungen der Laneierrohre für die Torpedos (im ganzen sechs). Inzwischen war mein Boot hinangekommen und legte am Fallreep (Treppe) der Backbordseite an, ziem¬ lich weit achterm. Da ich erwartet wurde, machte der obensteheude Fallreeps¬ gefreite keine Schwierigkeiten, und mit wenigen Schritten war ich an Deck, ange¬ sichts des mittlern Panzerdrehturms hinter den Schornsteinen und vor der Offiziers¬ messe mit der Kommandantenwohnnng und zwei Offizierswohnungen, die in einem achteckigen, auf Deck stehenden kastenartigen, natürlich grau gestrichen, durch „Bulleys" und „Skylights" (Oberlichtfenster) erhellten Aufbau bereinigt sind. Ein Gang trennt beide Teile. Beim Eintreten erstaunte ich über den verhältnismäßig großen, wenn auch etwas niedrigen Runen der hellgemalten Messe, in der ganz bequem einige Dutzend Personen speisen können und die dienstfreien Offiziere sich gewöhnlich tags¬ über aufhalten. Ein paar Tische und eine Anzahl Stühle, drei Sofas, ein Büffet¬ schrank mit Gläsern, zwei große Wandspiegel und ein Zeitungsgestell bildeten die Ausstattung des einfach-behaglichen saalartigen Gerlachs; an den Wänden hingen die Bilder von Kaiser Wilhelm I. und II., Bismarck, Moltke u. a. in.. an der einen Querwand ein großer Stich in Eichenrahmen, die brandenburgische Flotte unter dem Großen Kurfürsten darstellend, ein Geschenk des Kaisers (nach dem Gemälde in seinem Arbeitszimmer). Vom ersten Augenblick an war ich gewissermaßen in die Hausgenossenschaft aufgenommen, und die Offiziere — außer dem Kommandanten waren neun an Bord, nicht ganz die volle Zahl, dazu zwei Ärzte und vier Ingenieure mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/485>, abgerufen am 26.11.2024.