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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Gustav zu Putlitz

als die der Biographie einverleibten Briefe an und von Putlitz eine schätzbare
Fundgrube bleiben.

Nach einer Reihe von Jahren (1867) zog es Putlitz vor, die Schweriner
Theaterleitung aufzugeben und sich dem wohlgemeinten Drängen des Kron¬
prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen zu fügen, der den Dichter zum Hof¬
marschall wünschte. Die Stellung forderte eine dauernde Übersiedlung nach
Berlin. Frau von Putlitz sagt: "Beide Herrschaften (der Prinz und seine
Gemahlin, die Kronprinzessin Viktoria) sprachen sich sehr beglückt aus über
Gustavs Eintreten in ihren Dienst, und ich hatte wenigstens die befriedigende
Empfindung, daß das vollste Vertrauen der Herrschaften Gustav seine Stellung
erleichtern würde, denn ich kann es nicht leugnen, daß ich mich sehr schwer
in die neuen Verhältnisse hineindachte und das häufige Getrenntsein schmerz¬
lich empfand."

Es fragte sich, ob der Dichter gewinnen würde, was der Mensch in diesen
neuen Verhältnissen unzweifelhaft verlor. An einer reichen Fülle äußerer Ein¬
drücke und Erlebnisse konnte es ihm nicht fehlen. Reisen, Feste, Begegnungen
aller Art drängten sich in ununterbrochner Folge, seine einflußreiche Stellung
gab ihm in dem großen Jahre 1870 Gelegenheit, im größten Stil in patrio¬
tischer Hilfs- und Liebesthätigkeit zu wirken. Die Biographie spiegelt Be¬
wegung. Wechsel und Drang dieses Lebens sehr anschaulich wieder. Ob eS
den Dichter bereicherte, ihm tiefere Offenbarungen aus Weltlauf und Menschen¬
geschick gewährte, ob es ihn auch nur in dem Sinne beglückte, daß er sich
Poetisch dadurch angeregt fühlte, wird nicht recht ersichtlich. Über seinen Briefen
aus dieser Zeit liegt oft ein Hauch der Verstimmung, der Müdigkeit. That¬
sache ist, daß ihn all diese Pflichten und Genüsse nicht an litterarischer Ar¬
beit hinderten. Er schrieb den Roman "Die Nachtigall" und einige neue kleine
Stücke, immer wieder stellte sich heraus, daß auch von ihm das alte Komö¬
diantenwort galt: "Wer auf den Brettern ein paar Schuhe zerrissen hat, der
kann nicht wieder davon los." Im Frühjahr 1873 kam der Großherzog
Friedrich von Baden nach Berlin, ließ Putlitz rufen und trug ihm die Lei¬
tung seines Hoftheaters an. das vorher unter Eduard Devrients Leitung ge¬
standen hatte. Obwohl Putlitz im ersten Augenblick die weite Entfernung von
seinen Gütern als ein unüberwindliches Hindernis betrachtete, begann er sich
doch bald mit dem Gedanken zu befreunden, Frau Elisabeth von Putlitz aber
schrieb an die getreue Freundin Marianne in Hamburg: "Du siehst, wie die
Entschließungen der nächsten Zeit wahrscheinlich unsre ganzen Verhältnisse um¬
wandeln werden. Wenn ich alles ganz objektiv betrachte, kann ich nnr Gott
danken, daß Gustav in eine Thätigkeit kommt, die ihm lieb ist, der er ge¬
wachsen ist. und die neben mancherlei Schwierigkeiten doch reichen Ersatz im
Schaffen selbst gewährt. Dem muß sich alles andre unterordnen." Diese
Briefstelle wirst rückwärts ein Licht auf die Berliner Jahre des Dichters.


Grenzboten I 1896 60
Gustav zu Putlitz

als die der Biographie einverleibten Briefe an und von Putlitz eine schätzbare
Fundgrube bleiben.

Nach einer Reihe von Jahren (1867) zog es Putlitz vor, die Schweriner
Theaterleitung aufzugeben und sich dem wohlgemeinten Drängen des Kron¬
prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen zu fügen, der den Dichter zum Hof¬
marschall wünschte. Die Stellung forderte eine dauernde Übersiedlung nach
Berlin. Frau von Putlitz sagt: „Beide Herrschaften (der Prinz und seine
Gemahlin, die Kronprinzessin Viktoria) sprachen sich sehr beglückt aus über
Gustavs Eintreten in ihren Dienst, und ich hatte wenigstens die befriedigende
Empfindung, daß das vollste Vertrauen der Herrschaften Gustav seine Stellung
erleichtern würde, denn ich kann es nicht leugnen, daß ich mich sehr schwer
in die neuen Verhältnisse hineindachte und das häufige Getrenntsein schmerz¬
lich empfand."

Es fragte sich, ob der Dichter gewinnen würde, was der Mensch in diesen
neuen Verhältnissen unzweifelhaft verlor. An einer reichen Fülle äußerer Ein¬
drücke und Erlebnisse konnte es ihm nicht fehlen. Reisen, Feste, Begegnungen
aller Art drängten sich in ununterbrochner Folge, seine einflußreiche Stellung
gab ihm in dem großen Jahre 1870 Gelegenheit, im größten Stil in patrio¬
tischer Hilfs- und Liebesthätigkeit zu wirken. Die Biographie spiegelt Be¬
wegung. Wechsel und Drang dieses Lebens sehr anschaulich wieder. Ob eS
den Dichter bereicherte, ihm tiefere Offenbarungen aus Weltlauf und Menschen¬
geschick gewährte, ob es ihn auch nur in dem Sinne beglückte, daß er sich
Poetisch dadurch angeregt fühlte, wird nicht recht ersichtlich. Über seinen Briefen
aus dieser Zeit liegt oft ein Hauch der Verstimmung, der Müdigkeit. That¬
sache ist, daß ihn all diese Pflichten und Genüsse nicht an litterarischer Ar¬
beit hinderten. Er schrieb den Roman „Die Nachtigall" und einige neue kleine
Stücke, immer wieder stellte sich heraus, daß auch von ihm das alte Komö¬
diantenwort galt: „Wer auf den Brettern ein paar Schuhe zerrissen hat, der
kann nicht wieder davon los." Im Frühjahr 1873 kam der Großherzog
Friedrich von Baden nach Berlin, ließ Putlitz rufen und trug ihm die Lei¬
tung seines Hoftheaters an. das vorher unter Eduard Devrients Leitung ge¬
standen hatte. Obwohl Putlitz im ersten Augenblick die weite Entfernung von
seinen Gütern als ein unüberwindliches Hindernis betrachtete, begann er sich
doch bald mit dem Gedanken zu befreunden, Frau Elisabeth von Putlitz aber
schrieb an die getreue Freundin Marianne in Hamburg: „Du siehst, wie die
Entschließungen der nächsten Zeit wahrscheinlich unsre ganzen Verhältnisse um¬
wandeln werden. Wenn ich alles ganz objektiv betrachte, kann ich nnr Gott
danken, daß Gustav in eine Thätigkeit kommt, die ihm lieb ist, der er ge¬
wachsen ist. und die neben mancherlei Schwierigkeiten doch reichen Ersatz im
Schaffen selbst gewährt. Dem muß sich alles andre unterordnen." Diese
Briefstelle wirst rückwärts ein Licht auf die Berliner Jahre des Dichters.


Grenzboten I 1896 60
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[0481] Gustav zu Putlitz als die der Biographie einverleibten Briefe an und von Putlitz eine schätzbare Fundgrube bleiben. Nach einer Reihe von Jahren (1867) zog es Putlitz vor, die Schweriner Theaterleitung aufzugeben und sich dem wohlgemeinten Drängen des Kron¬ prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen zu fügen, der den Dichter zum Hof¬ marschall wünschte. Die Stellung forderte eine dauernde Übersiedlung nach Berlin. Frau von Putlitz sagt: „Beide Herrschaften (der Prinz und seine Gemahlin, die Kronprinzessin Viktoria) sprachen sich sehr beglückt aus über Gustavs Eintreten in ihren Dienst, und ich hatte wenigstens die befriedigende Empfindung, daß das vollste Vertrauen der Herrschaften Gustav seine Stellung erleichtern würde, denn ich kann es nicht leugnen, daß ich mich sehr schwer in die neuen Verhältnisse hineindachte und das häufige Getrenntsein schmerz¬ lich empfand." Es fragte sich, ob der Dichter gewinnen würde, was der Mensch in diesen neuen Verhältnissen unzweifelhaft verlor. An einer reichen Fülle äußerer Ein¬ drücke und Erlebnisse konnte es ihm nicht fehlen. Reisen, Feste, Begegnungen aller Art drängten sich in ununterbrochner Folge, seine einflußreiche Stellung gab ihm in dem großen Jahre 1870 Gelegenheit, im größten Stil in patrio¬ tischer Hilfs- und Liebesthätigkeit zu wirken. Die Biographie spiegelt Be¬ wegung. Wechsel und Drang dieses Lebens sehr anschaulich wieder. Ob eS den Dichter bereicherte, ihm tiefere Offenbarungen aus Weltlauf und Menschen¬ geschick gewährte, ob es ihn auch nur in dem Sinne beglückte, daß er sich Poetisch dadurch angeregt fühlte, wird nicht recht ersichtlich. Über seinen Briefen aus dieser Zeit liegt oft ein Hauch der Verstimmung, der Müdigkeit. That¬ sache ist, daß ihn all diese Pflichten und Genüsse nicht an litterarischer Ar¬ beit hinderten. Er schrieb den Roman „Die Nachtigall" und einige neue kleine Stücke, immer wieder stellte sich heraus, daß auch von ihm das alte Komö¬ diantenwort galt: „Wer auf den Brettern ein paar Schuhe zerrissen hat, der kann nicht wieder davon los." Im Frühjahr 1873 kam der Großherzog Friedrich von Baden nach Berlin, ließ Putlitz rufen und trug ihm die Lei¬ tung seines Hoftheaters an. das vorher unter Eduard Devrients Leitung ge¬ standen hatte. Obwohl Putlitz im ersten Augenblick die weite Entfernung von seinen Gütern als ein unüberwindliches Hindernis betrachtete, begann er sich doch bald mit dem Gedanken zu befreunden, Frau Elisabeth von Putlitz aber schrieb an die getreue Freundin Marianne in Hamburg: „Du siehst, wie die Entschließungen der nächsten Zeit wahrscheinlich unsre ganzen Verhältnisse um¬ wandeln werden. Wenn ich alles ganz objektiv betrachte, kann ich nnr Gott danken, daß Gustav in eine Thätigkeit kommt, die ihm lieb ist, der er ge¬ wachsen ist. und die neben mancherlei Schwierigkeiten doch reichen Ersatz im Schaffen selbst gewährt. Dem muß sich alles andre unterordnen." Diese Briefstelle wirst rückwärts ein Licht auf die Berliner Jahre des Dichters. Grenzboten I 1896 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/481>, abgerufen am 01.09.2024.