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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Gustav zu putlitz

Gemüt, die Putlitz später thun mußte, würde in der Zeit seiner frischen
Schaffenslust ausgereicht haben, seiner Spiegelung der umgebenden Welt den
unvergänglichen Grund zu geben, der ihr fehlte.

Putlitz selbst hoffte, durch den Wechsel der Stoffe, durch größere Maße
und einen bedeutender" Hintergrund seinen poetischen Gebilden bleibendes Leben
zu verleihen. Am Ausgang der fünfziger Jahre schrieb er sein erstes (und
bestes) vaterländisches Stück "Das Testament des großen Kurfürsten." Be¬
gonnen wurde dieses erfolgreichste Werk des Dichters in der Einsamkeit seines
Landguts in der Priegnitz, in einer Atmosphäre, die der Gestaltung und dem
Kolorit des Schauspiels günstig sein mußte, beendet in Wien, wohin ihn der
Wunsch zog, der ins Auge gefaßten ersten Darstellerin der Hauptrolle, der
Burgschauspielerm Julie Rettich, ihre Partie mundrecht zu machen. Halm,
als Freund seiner Freundin, als erfahrener Bühnenpmktikns. erteilte dabei
Ratschläge, die Putlitz mit bescheidner Unterordnung befolgte. Die erste Aus¬
führung fand in Breslau statt. Frau von Putlitz berichtet davon, die Leute
im Parkett hätten eine langweilige Fortsetzung der "Makkabäer" erwartet. "Das
Stück von Otto Ludwig war zwei Tage vorher ohne allen Erfolg gegeben
worden. Anna blickte mich an, ich sie, und nicht sehr ermutigt sahen wir den
Vorhang sich heben. Aber es kam ganz anders, denn von Akt zu Akt stieg
der Beifall, der zum Schluß eine solche Höhe erreichte, daß er alles mit fort¬
riß." Unmittelbar nachher erfreuten sich Putlitz und die Seinigen der gleichen
Erfolge in Wien und Berlin. "Diese drei ersten Testamentsanfführungen ge¬
hörten mit zu den schönsten Erinnerungen in Gustavs Leben und sind unvergessen
geblieben, so viele andre Erfolge auch später an ihn herantraten."

Wer hätte dem liebenswürdigen, das Beste erstrebenden, sein Bestes
gebenden Dichter solche Erfolge und Erinnerungen mißgönnen mögen? Doch
was wollen sie bedeuten, sobald man den Maßstab des eigentlichen bleibenden
poetischen Wertes anlegt? Frau von Putlitz rühmt den rauschenden Erfolg
gegenüber Ludwigs "Mattabäern." Aber die "Makkabäer" werden dieses und
das nächste Jahrhundert überdauern, weil ihre mächtigen Gestalten so von
innen heraus und mit dem poetischen Tiefblick in das Wesen der Welt ge¬
schaffen sind, wie Putlitz eben nicht zu schaffen vermochte. Er verharrte denn
"und zunächst auf dem Wege, den er mit dem historischen Schauspiel betreten
hatte, schrieb einen ..Waldemar." einen "Don Juan d'Austria," Stücke, die
ihm kaum mehr als jene Achtungserfolge brachten, wie sie Dramen höhern
Stils gegenüber üblich sind, dann hatte er mit dem Schauspiel "Wilhelm von
Dranien in Whitehall" wieder Glück. Es war die Zeit, wo sich Maeanlays
englische Geschichte in aller Händen befand, und der große Orcmier von allen
liberal Gestimmten als einer der wohlthätigsten Heroen verehrt wurde. Putlitz
selbst scheint freilich damals mehr Freude an seinen in der That vortrefflichen
"Vrandenbnrgischen Geschichten" (unter denen die ..Vernaner Bierflasche" ein


Gustav zu putlitz

Gemüt, die Putlitz später thun mußte, würde in der Zeit seiner frischen
Schaffenslust ausgereicht haben, seiner Spiegelung der umgebenden Welt den
unvergänglichen Grund zu geben, der ihr fehlte.

Putlitz selbst hoffte, durch den Wechsel der Stoffe, durch größere Maße
und einen bedeutender» Hintergrund seinen poetischen Gebilden bleibendes Leben
zu verleihen. Am Ausgang der fünfziger Jahre schrieb er sein erstes (und
bestes) vaterländisches Stück „Das Testament des großen Kurfürsten." Be¬
gonnen wurde dieses erfolgreichste Werk des Dichters in der Einsamkeit seines
Landguts in der Priegnitz, in einer Atmosphäre, die der Gestaltung und dem
Kolorit des Schauspiels günstig sein mußte, beendet in Wien, wohin ihn der
Wunsch zog, der ins Auge gefaßten ersten Darstellerin der Hauptrolle, der
Burgschauspielerm Julie Rettich, ihre Partie mundrecht zu machen. Halm,
als Freund seiner Freundin, als erfahrener Bühnenpmktikns. erteilte dabei
Ratschläge, die Putlitz mit bescheidner Unterordnung befolgte. Die erste Aus¬
führung fand in Breslau statt. Frau von Putlitz berichtet davon, die Leute
im Parkett hätten eine langweilige Fortsetzung der „Makkabäer" erwartet. „Das
Stück von Otto Ludwig war zwei Tage vorher ohne allen Erfolg gegeben
worden. Anna blickte mich an, ich sie, und nicht sehr ermutigt sahen wir den
Vorhang sich heben. Aber es kam ganz anders, denn von Akt zu Akt stieg
der Beifall, der zum Schluß eine solche Höhe erreichte, daß er alles mit fort¬
riß." Unmittelbar nachher erfreuten sich Putlitz und die Seinigen der gleichen
Erfolge in Wien und Berlin. „Diese drei ersten Testamentsanfführungen ge¬
hörten mit zu den schönsten Erinnerungen in Gustavs Leben und sind unvergessen
geblieben, so viele andre Erfolge auch später an ihn herantraten."

Wer hätte dem liebenswürdigen, das Beste erstrebenden, sein Bestes
gebenden Dichter solche Erfolge und Erinnerungen mißgönnen mögen? Doch
was wollen sie bedeuten, sobald man den Maßstab des eigentlichen bleibenden
poetischen Wertes anlegt? Frau von Putlitz rühmt den rauschenden Erfolg
gegenüber Ludwigs „Mattabäern." Aber die „Makkabäer" werden dieses und
das nächste Jahrhundert überdauern, weil ihre mächtigen Gestalten so von
innen heraus und mit dem poetischen Tiefblick in das Wesen der Welt ge¬
schaffen sind, wie Putlitz eben nicht zu schaffen vermochte. Er verharrte denn
"und zunächst auf dem Wege, den er mit dem historischen Schauspiel betreten
hatte, schrieb einen ..Waldemar." einen „Don Juan d'Austria," Stücke, die
ihm kaum mehr als jene Achtungserfolge brachten, wie sie Dramen höhern
Stils gegenüber üblich sind, dann hatte er mit dem Schauspiel „Wilhelm von
Dranien in Whitehall" wieder Glück. Es war die Zeit, wo sich Maeanlays
englische Geschichte in aller Händen befand, und der große Orcmier von allen
liberal Gestimmten als einer der wohlthätigsten Heroen verehrt wurde. Putlitz
selbst scheint freilich damals mehr Freude an seinen in der That vortrefflichen
"Vrandenbnrgischen Geschichten" (unter denen die ..Vernaner Bierflasche" ein


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[0479] Gustav zu putlitz Gemüt, die Putlitz später thun mußte, würde in der Zeit seiner frischen Schaffenslust ausgereicht haben, seiner Spiegelung der umgebenden Welt den unvergänglichen Grund zu geben, der ihr fehlte. Putlitz selbst hoffte, durch den Wechsel der Stoffe, durch größere Maße und einen bedeutender» Hintergrund seinen poetischen Gebilden bleibendes Leben zu verleihen. Am Ausgang der fünfziger Jahre schrieb er sein erstes (und bestes) vaterländisches Stück „Das Testament des großen Kurfürsten." Be¬ gonnen wurde dieses erfolgreichste Werk des Dichters in der Einsamkeit seines Landguts in der Priegnitz, in einer Atmosphäre, die der Gestaltung und dem Kolorit des Schauspiels günstig sein mußte, beendet in Wien, wohin ihn der Wunsch zog, der ins Auge gefaßten ersten Darstellerin der Hauptrolle, der Burgschauspielerm Julie Rettich, ihre Partie mundrecht zu machen. Halm, als Freund seiner Freundin, als erfahrener Bühnenpmktikns. erteilte dabei Ratschläge, die Putlitz mit bescheidner Unterordnung befolgte. Die erste Aus¬ führung fand in Breslau statt. Frau von Putlitz berichtet davon, die Leute im Parkett hätten eine langweilige Fortsetzung der „Makkabäer" erwartet. „Das Stück von Otto Ludwig war zwei Tage vorher ohne allen Erfolg gegeben worden. Anna blickte mich an, ich sie, und nicht sehr ermutigt sahen wir den Vorhang sich heben. Aber es kam ganz anders, denn von Akt zu Akt stieg der Beifall, der zum Schluß eine solche Höhe erreichte, daß er alles mit fort¬ riß." Unmittelbar nachher erfreuten sich Putlitz und die Seinigen der gleichen Erfolge in Wien und Berlin. „Diese drei ersten Testamentsanfführungen ge¬ hörten mit zu den schönsten Erinnerungen in Gustavs Leben und sind unvergessen geblieben, so viele andre Erfolge auch später an ihn herantraten." Wer hätte dem liebenswürdigen, das Beste erstrebenden, sein Bestes gebenden Dichter solche Erfolge und Erinnerungen mißgönnen mögen? Doch was wollen sie bedeuten, sobald man den Maßstab des eigentlichen bleibenden poetischen Wertes anlegt? Frau von Putlitz rühmt den rauschenden Erfolg gegenüber Ludwigs „Mattabäern." Aber die „Makkabäer" werden dieses und das nächste Jahrhundert überdauern, weil ihre mächtigen Gestalten so von innen heraus und mit dem poetischen Tiefblick in das Wesen der Welt ge¬ schaffen sind, wie Putlitz eben nicht zu schaffen vermochte. Er verharrte denn "und zunächst auf dem Wege, den er mit dem historischen Schauspiel betreten hatte, schrieb einen ..Waldemar." einen „Don Juan d'Austria," Stücke, die ihm kaum mehr als jene Achtungserfolge brachten, wie sie Dramen höhern Stils gegenüber üblich sind, dann hatte er mit dem Schauspiel „Wilhelm von Dranien in Whitehall" wieder Glück. Es war die Zeit, wo sich Maeanlays englische Geschichte in aller Händen befand, und der große Orcmier von allen liberal Gestimmten als einer der wohlthätigsten Heroen verehrt wurde. Putlitz selbst scheint freilich damals mehr Freude an seinen in der That vortrefflichen "Vrandenbnrgischen Geschichten" (unter denen die ..Vernaner Bierflasche" ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/479>, abgerufen am 01.09.2024.