Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Die Homerische Frage Mitte zwischen diese beiden vollständig gesicherten Arm"; und (S. 79): "Nach Etwa hundert Jahre nach Trojas Einnahme setzt Knötel (mich den zu¬ Der Fürstenhof, an dem Homer zunächst dichtete und sang, war nach Die Homerische Frage Mitte zwischen diese beiden vollständig gesicherten Arm"; und (S. 79): „Nach Etwa hundert Jahre nach Trojas Einnahme setzt Knötel (mich den zu¬ Der Fürstenhof, an dem Homer zunächst dichtete und sang, war nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222037"/> <fw type="header" place="top"> Die Homerische Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1284" prev="#ID_1283"> Mitte zwischen diese beiden vollständig gesicherten Arm"; und (S. 79): „Nach<lb/> der etruskischen Zeitrechnung fiel die Stiftung des Tuskerstaates neun Säkula<lb/> vor 44 v. Chr. sein Komet und Cäsars Tod, Anfang des zehnten), die im<lb/> einzelnen schwankend, im Durchschnitt IIIV^, etwa 1003 bis 1004 Jahre er¬<lb/> geben. Der Tuskerstaat, ein Bund von zwölf Städten, wäre demnach um<lb/> 1047 v. Chr., also genau zur Zeit der Zerstörung Trojas gestiftet worden" —<lb/> dann die Sage von Äueas damit in Verbindung bringt. Daß übrigens wirklich<lb/> ein großer Zug von Griechenland aus nach Kleinasien stattgefunden habe, der<lb/> trojanische Krieg also geschichtlich sei, nehmen jetzt auch andre Forscher auf<lb/> diesen: Gebiete an, wenn auch über die Zeit und den Ort, von wo die Unter¬<lb/> nehmung ausgegangen ist, keine Übereinstimmung herrscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> Etwa hundert Jahre nach Trojas Einnahme setzt Knötel (mich den zu¬<lb/> verlässigsten Angaben des Altertums) die Blütezeit Homers, von dem er nun<lb/> auf Grund der Hymnen, die er alle für echt homerisch hält, und der fälsch¬<lb/> lich dem Herodot zugeschriebnen Epigramme, sowie vereinzelter andrer Angaben<lb/> bei alten Schriftstellern folgendes Lebensbild entwirft: Er war geboren in<lb/> Smyrna; seine Herkunft ist dunkel, da ein Vater nicht sicher bekannt ist, seine<lb/> Mutter eine Flötenspielerin gewesen sein soll. Er gehörte also wohl einer<lb/> „fahrenden Sängerfamilie" an. Doch muß er sich bald hervorgethan haben<lb/> und an einen Fürstenhof als Sänger gekommen sein. Denn was Homer singt,<lb/> ist nichts weniger als „Volkslied" im gewöhnlichen Sinne des Wortes; es be¬<lb/> handelt vielmehr die Thaten und Anschauungen der Führer und Fürsten des<lb/> Volks. Das niedre Volk wird in seinen Dichtungen fast gar nicht erwähnt:<lb/> in der Ilias höchstens einmal, wenn wir annehmen, daß Thersites, der Aga-<lb/> memnon schmäht und dafür von Odysseus gezüchtigt wird, dem „Volke" an¬<lb/> gehörte. In der Odyssee spielt zwar Eumüvs, der „göttliche Snuhirt," eine<lb/> gewisse Rolle; dafür macht ihn aber auch der Dichter zu einem Fürsteukiude,<lb/> das nur durch die Untreue seiner Wärtern, in die Sklaverei gekommen ist und<lb/> uun Knechtsarbeit verrichten muß. Er bleibt jedoch selbst hier der „Ordner der<lb/> Männer," wie ein Völkerfürst der Ilias. Es muß ans diesen Punkt hier nach¬<lb/> drücklich hingewiesen werden, damit der falsche Begriff von Volksdichtung, den<lb/> man noch immer mit Ilias und Odyssee wie mit unsern Nibelungen verbindet,<lb/> endlich ausgerottet wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Der Fürstenhof, an dem Homer zunächst dichtete und sang, war nach<lb/> Knötels Annahme der der Arcaden und Hektoriden in Skepsis in der Troas.<lb/> Die Gründe, die er dafür vorbringt, möge man bei dem Verfasser selbst nach¬<lb/> lesen (II, S. 21 ff.); sie sind äußerst bestechend, reichen aber nicht ans, die<lb/> Gründe, die gegen die Annahme sprechen, daß die Ilias sür Troer gedichtet<lb/> sei, zu widerlegen, sondern sie beweisen nur den hohen Grad von Unpartei¬<lb/> lichkeit, den der Dichter erstrebt und erreicht hat. Zwar haben schon im Alter¬<lb/> tum manche den Dichter zu einem Troer machen wollen, weil er dem troischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391]
Die Homerische Frage
Mitte zwischen diese beiden vollständig gesicherten Arm"; und (S. 79): „Nach
der etruskischen Zeitrechnung fiel die Stiftung des Tuskerstaates neun Säkula
vor 44 v. Chr. sein Komet und Cäsars Tod, Anfang des zehnten), die im
einzelnen schwankend, im Durchschnitt IIIV^, etwa 1003 bis 1004 Jahre er¬
geben. Der Tuskerstaat, ein Bund von zwölf Städten, wäre demnach um
1047 v. Chr., also genau zur Zeit der Zerstörung Trojas gestiftet worden" —
dann die Sage von Äueas damit in Verbindung bringt. Daß übrigens wirklich
ein großer Zug von Griechenland aus nach Kleinasien stattgefunden habe, der
trojanische Krieg also geschichtlich sei, nehmen jetzt auch andre Forscher auf
diesen: Gebiete an, wenn auch über die Zeit und den Ort, von wo die Unter¬
nehmung ausgegangen ist, keine Übereinstimmung herrscht.
Etwa hundert Jahre nach Trojas Einnahme setzt Knötel (mich den zu¬
verlässigsten Angaben des Altertums) die Blütezeit Homers, von dem er nun
auf Grund der Hymnen, die er alle für echt homerisch hält, und der fälsch¬
lich dem Herodot zugeschriebnen Epigramme, sowie vereinzelter andrer Angaben
bei alten Schriftstellern folgendes Lebensbild entwirft: Er war geboren in
Smyrna; seine Herkunft ist dunkel, da ein Vater nicht sicher bekannt ist, seine
Mutter eine Flötenspielerin gewesen sein soll. Er gehörte also wohl einer
„fahrenden Sängerfamilie" an. Doch muß er sich bald hervorgethan haben
und an einen Fürstenhof als Sänger gekommen sein. Denn was Homer singt,
ist nichts weniger als „Volkslied" im gewöhnlichen Sinne des Wortes; es be¬
handelt vielmehr die Thaten und Anschauungen der Führer und Fürsten des
Volks. Das niedre Volk wird in seinen Dichtungen fast gar nicht erwähnt:
in der Ilias höchstens einmal, wenn wir annehmen, daß Thersites, der Aga-
memnon schmäht und dafür von Odysseus gezüchtigt wird, dem „Volke" an¬
gehörte. In der Odyssee spielt zwar Eumüvs, der „göttliche Snuhirt," eine
gewisse Rolle; dafür macht ihn aber auch der Dichter zu einem Fürsteukiude,
das nur durch die Untreue seiner Wärtern, in die Sklaverei gekommen ist und
uun Knechtsarbeit verrichten muß. Er bleibt jedoch selbst hier der „Ordner der
Männer," wie ein Völkerfürst der Ilias. Es muß ans diesen Punkt hier nach¬
drücklich hingewiesen werden, damit der falsche Begriff von Volksdichtung, den
man noch immer mit Ilias und Odyssee wie mit unsern Nibelungen verbindet,
endlich ausgerottet wird.
Der Fürstenhof, an dem Homer zunächst dichtete und sang, war nach
Knötels Annahme der der Arcaden und Hektoriden in Skepsis in der Troas.
Die Gründe, die er dafür vorbringt, möge man bei dem Verfasser selbst nach¬
lesen (II, S. 21 ff.); sie sind äußerst bestechend, reichen aber nicht ans, die
Gründe, die gegen die Annahme sprechen, daß die Ilias sür Troer gedichtet
sei, zu widerlegen, sondern sie beweisen nur den hohen Grad von Unpartei¬
lichkeit, den der Dichter erstrebt und erreicht hat. Zwar haben schon im Alter¬
tum manche den Dichter zu einem Troer machen wollen, weil er dem troischen
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