Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Wandlungen des Ich im Zeitenstrome (l). Die Exkommunikation in Idyll mag so schön sein, wie es will, für sich allem füllt es Es handelte sich um eine Maßregel der geistlichen Behörde gegen die Wandlungen des Ich im Zeitenstrome (l). Die Exkommunikation in Idyll mag so schön sein, wie es will, für sich allem füllt es Es handelte sich um eine Maßregel der geistlichen Behörde gegen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221979"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_221645/figures/grenzboten_341863_221645_221979_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wandlungen des Ich im Zeitenstrome<lb/> (l). Die Exkommunikation </head><lb/> <p xml:id="ID_1074"> in Idyll mag so schön sein, wie es will, für sich allem füllt es<lb/> das Gemüt eines arbeitslustigen Mannes von vierzig Jahren<lb/> nicht aus. Dazu kam die unbehagliche Empfindung, den Wirr¬<lb/> nissen des Kircheustreits zusehen zu müssen und nicht eingreifen<lb/> zu dürfen, und endlich war ich auch der materiellen Sorgen nicht<lb/> überhoben; denn bei einem Einkommen von noch nicht fünfhundert Thalern<lb/> konnte ich, wenn ich teilweise dienstuntauglich wurde, keinen Kaplan halten,<lb/> und vor Eintritt der Untauglichkeit eine andre Stelle zu bekommen, daran war<lb/> nach Ausbruch des Kulturkampfs nicht zu denken. Man wird es unter diesen<lb/> Umständen begreiflich finden, daß Hartmanns Philosophie des Unbewußten,<lb/> die mir damals in die Hände fiel, einigen Eindruck auf mich machte. Jeden¬<lb/> falls mußte ich an etwas denken, was mir die Zeit und die Seele ausfüllte<lb/> und womöglich auch das Einkommen ein wenig verbesserte. Um Dorfromane<lb/> schreiben zu können, hätte ich Dichter sein müssen, was ich leider nicht bin;<lb/> für gelehrte Arbeiten würden mir nicht allein die Hilfsmittel gefehlt haben,<lb/> sondern auch der ^cgensiaud, denn welchen der mir nahe liegenden Gegen¬<lb/> stände >>vite ich l'ebandeln können, ol,»e mis<i »ein> in ,Uvnflil« mit meinen<lb/> Glaubensgenossen zu geraten? Wie glücklich ist doch in „sothanem fährlichen<lb/> und geschwinden Läufften" der Mann, der sein Herz an die Ergründung eines<lb/> vorgeschichtlichen Problems, etwa der Atlantisfrage gehängt hat! So blieb die<lb/> Publizistik übrig, aber doch nur die anonyme, die unter solchen Verhältnisse»<lb/> eigentlich unanständig war und mir widerstrebte. Dennoch schickte ich ein paar<lb/> Sachen an die Schlesische Zeitung. Der eine Artikel, ein harmloser Bericht<lb/> über ein eben erschienenes Buch (Briefwechsel zwischen Diepenbrock und Passa¬<lb/> vant), brachte mir zwanzig Mark ein, ein andrer wurde mir zurückgeschickt,<lb/> und das war mir eigentlich lieb, denn seine Veröffentlichung hätte die Illoyalität,<lb/> deren ich mich dabei schuldig machte, vollendet; heute kann ich darüber reden,<lb/> ohne etwas Unrechtes zu begehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1075" next="#ID_1076"> Es handelte sich um eine Maßregel der geistlichen Behörde gegen die<lb/> Zivilehe. Bekanntlich wird nach dem vortridentinischen Recht die Ehe, wenn<lb/> kein trennendes Ehehindernis obwaltet, dnrch den erklärten vonsiMNis der Braut¬<lb/> leute geschlossen. Das Tridentinum hat angeordnet, daß die Ehe fortan nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
[Abbildung]
Wandlungen des Ich im Zeitenstrome
(l). Die Exkommunikation
in Idyll mag so schön sein, wie es will, für sich allem füllt es
das Gemüt eines arbeitslustigen Mannes von vierzig Jahren
nicht aus. Dazu kam die unbehagliche Empfindung, den Wirr¬
nissen des Kircheustreits zusehen zu müssen und nicht eingreifen
zu dürfen, und endlich war ich auch der materiellen Sorgen nicht
überhoben; denn bei einem Einkommen von noch nicht fünfhundert Thalern
konnte ich, wenn ich teilweise dienstuntauglich wurde, keinen Kaplan halten,
und vor Eintritt der Untauglichkeit eine andre Stelle zu bekommen, daran war
nach Ausbruch des Kulturkampfs nicht zu denken. Man wird es unter diesen
Umständen begreiflich finden, daß Hartmanns Philosophie des Unbewußten,
die mir damals in die Hände fiel, einigen Eindruck auf mich machte. Jeden¬
falls mußte ich an etwas denken, was mir die Zeit und die Seele ausfüllte
und womöglich auch das Einkommen ein wenig verbesserte. Um Dorfromane
schreiben zu können, hätte ich Dichter sein müssen, was ich leider nicht bin;
für gelehrte Arbeiten würden mir nicht allein die Hilfsmittel gefehlt haben,
sondern auch der ^cgensiaud, denn welchen der mir nahe liegenden Gegen¬
stände >>vite ich l'ebandeln können, ol,»e mis<i »ein> in ,Uvnflil« mit meinen
Glaubensgenossen zu geraten? Wie glücklich ist doch in „sothanem fährlichen
und geschwinden Läufften" der Mann, der sein Herz an die Ergründung eines
vorgeschichtlichen Problems, etwa der Atlantisfrage gehängt hat! So blieb die
Publizistik übrig, aber doch nur die anonyme, die unter solchen Verhältnisse»
eigentlich unanständig war und mir widerstrebte. Dennoch schickte ich ein paar
Sachen an die Schlesische Zeitung. Der eine Artikel, ein harmloser Bericht
über ein eben erschienenes Buch (Briefwechsel zwischen Diepenbrock und Passa¬
vant), brachte mir zwanzig Mark ein, ein andrer wurde mir zurückgeschickt,
und das war mir eigentlich lieb, denn seine Veröffentlichung hätte die Illoyalität,
deren ich mich dabei schuldig machte, vollendet; heute kann ich darüber reden,
ohne etwas Unrechtes zu begehen.
Es handelte sich um eine Maßregel der geistlichen Behörde gegen die
Zivilehe. Bekanntlich wird nach dem vortridentinischen Recht die Ehe, wenn
kein trennendes Ehehindernis obwaltet, dnrch den erklärten vonsiMNis der Braut¬
leute geschlossen. Das Tridentinum hat angeordnet, daß die Ehe fortan nur
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