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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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berg (in seinem Reformvorschläge: Bettelei, Landstreicherei und Armen¬
pflege. Düsseldorf, L. Schwamm, 1396) und A. Koßmann (in seinem "Neuen
Vorschlage zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit," Frankfurt a. M., Gebrüder
Kraner, 1895) sprechen sehr beachtenswerte Gedanken aus, die uuter einander
verwandt sind. Jener will, daß die Arbeitserzeuguisse der Sträflinge in einer
vom Staate zu regelnden Armenpflege ausschließlich den Hilflosen übermittelt werden
sollen, "ach Koßmauus Vorschlag aber sollen von beschäftigungslosen Bauhand¬
werkern Unterstützungswerkstätten errichtet werden, in denen beschäftigungslose
Schneider und Schuster die Kleidung für ihre beschäftigungslosen Kameraden aus
andern Berufszweigen liefern, und von diesen hinwiederum mit Nahrungsmitteln,
Werkzeugen und Geraden versorgt werden; die Rohstoffe wären von ländlichen
Arbeitertvlouien zu beschaffe". Gewiß ein höchst verständiger Plan! -- Der Frei¬
herr von Thielmciuu auf Jakobsdorf hält (wie er in feiner Schrift: Deutsche
Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft, Breslau, C. Dülfer, 1895, ausführt)
den Antrag Kauitz für sozialistisch und gerade darum sür höchst gefährlich, weil
er durchaus nicht unausführbar sei, der Geheime Regierungs- und Landrat a, D.
E. von Selchow auf Rubrik dagegen empfiehlt den Antrag Kanitz salsj eine
Forderung der Sittlichkeit (Berlin, Puttkammer und Mühlbrecht, 1896) dem
Reichstage, nur soll nicht der Staat, souderu eine Organisation landwirtschaftlicher
Körperschaften das Einfuhr- und Vertaufsmouopol handhaben; die Durchführung
dieses Vorschlags allein, davon ist er überzeugt, könne das deutsche Volk vom
drohenden sittlichen und wirtschaftlichen Untergange retten. Die beiden Herren
mögen ihre Meinungsverschiedenheit unter sich ausmachen, was sie, da sie beide in
Oberschlesien wohnen, sehr beqnem haben; vielleicht hätten sie patriotischer gehandelt,
wenn sie sich vor der Veröffentlichung ihrer Gedanken geeinigt hätten, anstatt dem
armen Publikum, dem ohnehin schon ganz dumm ist, ein neues Mühlrad in den
Kopf zu setzen. Der Freiherr von Thielmann erwartet alles Heil von einer Re¬
vision der Handelsverträge, als ob das deutsche Volk und namentlich auch der
Grundbcsitzerstand in der Zeit von 1878 bis 1892 so ungeheuer zufrieden ge¬
wesen wäre! Der Herr von Selchow andrerseits hat vollkommen Recht, wenn er
die scheußlichen Sittlichteitsverbrechcn unsrer Zeit mit den sozialen Zuständen in
Verbindung bringt und die Blutsbrüderlichkeit der alte" Kriegsgefolgschafteu preist,
deren Geist für den Zweck friedlicher Arbeit wieder zu beleben sei. Aber haben
denn die alten Germanen ihre Sittenreinheit auf die Weise gewahrt, daß sie fünfzig
Millionen Menschen von der Außenwelt abgesperrt und auf einen Hnnfen gedrängt,
durch Stantscinrichtungen die fortschreitende Übervölkerung uoch gefördert und die
besitzlose Mehrzahl gezwungen hätten, der besitzenden Minderzahl das Brot zu hohem
Preise abzukaufen? Von nlledem haben sie das Gegenteil gethan. Zu einer Zeit,
wo im Gebiete des heutigen deutschen Reichs keine zehn Millionen Menschen lebten
(die ungeheuern Germaueuheere existirten, wie Delbrück jüngst nachgewiesen hat,
bloß in der von Furcht erfüllten Phantasie der Römer), haben sie alljährlich ihre
junge Mannschaft ausgeschickt, um jenseits ihrer Grenzen Land und Beute zu er¬
obern, und das Getreide haben sie nicht zum Verkauf, souderu uur für deu eignen
Verbrauch gebaut. Der Herr von Selchow hat ein edles Gemüt und das Herz
ans dem rechten Fleck, aber seine Gedanken haben die verkehrte Richtung ein¬
geschlagen. Sein Satz: Ist der Bauer zufrieden, so ist allerwärts Frieden, war
unzweifelhaft richtig zu einer Zeit, wo Berlin ein kleines Nest war, und unter je
zehn deutschen Männern allermindestens sechs Bauern waren, aber er hat keinen
Sinn mehr in einer Zeit, wo auf zwölf deutsche Männer kaum ein Bauerguts¬
besitzer kommt, und Berlin auf die zweite Million losmarschiert. Noch dazu sind


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berg (in seinem Reformvorschläge: Bettelei, Landstreicherei und Armen¬
pflege. Düsseldorf, L. Schwamm, 1396) und A. Koßmann (in seinem „Neuen
Vorschlage zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit," Frankfurt a. M., Gebrüder
Kraner, 1895) sprechen sehr beachtenswerte Gedanken aus, die uuter einander
verwandt sind. Jener will, daß die Arbeitserzeuguisse der Sträflinge in einer
vom Staate zu regelnden Armenpflege ausschließlich den Hilflosen übermittelt werden
sollen, «ach Koßmauus Vorschlag aber sollen von beschäftigungslosen Bauhand¬
werkern Unterstützungswerkstätten errichtet werden, in denen beschäftigungslose
Schneider und Schuster die Kleidung für ihre beschäftigungslosen Kameraden aus
andern Berufszweigen liefern, und von diesen hinwiederum mit Nahrungsmitteln,
Werkzeugen und Geraden versorgt werden; die Rohstoffe wären von ländlichen
Arbeitertvlouien zu beschaffe«. Gewiß ein höchst verständiger Plan! — Der Frei¬
herr von Thielmciuu auf Jakobsdorf hält (wie er in feiner Schrift: Deutsche
Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft, Breslau, C. Dülfer, 1895, ausführt)
den Antrag Kauitz für sozialistisch und gerade darum sür höchst gefährlich, weil
er durchaus nicht unausführbar sei, der Geheime Regierungs- und Landrat a, D.
E. von Selchow auf Rubrik dagegen empfiehlt den Antrag Kanitz salsj eine
Forderung der Sittlichkeit (Berlin, Puttkammer und Mühlbrecht, 1896) dem
Reichstage, nur soll nicht der Staat, souderu eine Organisation landwirtschaftlicher
Körperschaften das Einfuhr- und Vertaufsmouopol handhaben; die Durchführung
dieses Vorschlags allein, davon ist er überzeugt, könne das deutsche Volk vom
drohenden sittlichen und wirtschaftlichen Untergange retten. Die beiden Herren
mögen ihre Meinungsverschiedenheit unter sich ausmachen, was sie, da sie beide in
Oberschlesien wohnen, sehr beqnem haben; vielleicht hätten sie patriotischer gehandelt,
wenn sie sich vor der Veröffentlichung ihrer Gedanken geeinigt hätten, anstatt dem
armen Publikum, dem ohnehin schon ganz dumm ist, ein neues Mühlrad in den
Kopf zu setzen. Der Freiherr von Thielmann erwartet alles Heil von einer Re¬
vision der Handelsverträge, als ob das deutsche Volk und namentlich auch der
Grundbcsitzerstand in der Zeit von 1878 bis 1892 so ungeheuer zufrieden ge¬
wesen wäre! Der Herr von Selchow andrerseits hat vollkommen Recht, wenn er
die scheußlichen Sittlichteitsverbrechcn unsrer Zeit mit den sozialen Zuständen in
Verbindung bringt und die Blutsbrüderlichkeit der alte» Kriegsgefolgschafteu preist,
deren Geist für den Zweck friedlicher Arbeit wieder zu beleben sei. Aber haben
denn die alten Germanen ihre Sittenreinheit auf die Weise gewahrt, daß sie fünfzig
Millionen Menschen von der Außenwelt abgesperrt und auf einen Hnnfen gedrängt,
durch Stantscinrichtungen die fortschreitende Übervölkerung uoch gefördert und die
besitzlose Mehrzahl gezwungen hätten, der besitzenden Minderzahl das Brot zu hohem
Preise abzukaufen? Von nlledem haben sie das Gegenteil gethan. Zu einer Zeit,
wo im Gebiete des heutigen deutschen Reichs keine zehn Millionen Menschen lebten
(die ungeheuern Germaueuheere existirten, wie Delbrück jüngst nachgewiesen hat,
bloß in der von Furcht erfüllten Phantasie der Römer), haben sie alljährlich ihre
junge Mannschaft ausgeschickt, um jenseits ihrer Grenzen Land und Beute zu er¬
obern, und das Getreide haben sie nicht zum Verkauf, souderu uur für deu eignen
Verbrauch gebaut. Der Herr von Selchow hat ein edles Gemüt und das Herz
ans dem rechten Fleck, aber seine Gedanken haben die verkehrte Richtung ein¬
geschlagen. Sein Satz: Ist der Bauer zufrieden, so ist allerwärts Frieden, war
unzweifelhaft richtig zu einer Zeit, wo Berlin ein kleines Nest war, und unter je
zehn deutschen Männern allermindestens sechs Bauern waren, aber er hat keinen
Sinn mehr in einer Zeit, wo auf zwölf deutsche Männer kaum ein Bauerguts¬
besitzer kommt, und Berlin auf die zweite Million losmarschiert. Noch dazu sind


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[0311] Litteratur berg (in seinem Reformvorschläge: Bettelei, Landstreicherei und Armen¬ pflege. Düsseldorf, L. Schwamm, 1396) und A. Koßmann (in seinem „Neuen Vorschlage zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit," Frankfurt a. M., Gebrüder Kraner, 1895) sprechen sehr beachtenswerte Gedanken aus, die uuter einander verwandt sind. Jener will, daß die Arbeitserzeuguisse der Sträflinge in einer vom Staate zu regelnden Armenpflege ausschließlich den Hilflosen übermittelt werden sollen, «ach Koßmauus Vorschlag aber sollen von beschäftigungslosen Bauhand¬ werkern Unterstützungswerkstätten errichtet werden, in denen beschäftigungslose Schneider und Schuster die Kleidung für ihre beschäftigungslosen Kameraden aus andern Berufszweigen liefern, und von diesen hinwiederum mit Nahrungsmitteln, Werkzeugen und Geraden versorgt werden; die Rohstoffe wären von ländlichen Arbeitertvlouien zu beschaffe«. Gewiß ein höchst verständiger Plan! — Der Frei¬ herr von Thielmciuu auf Jakobsdorf hält (wie er in feiner Schrift: Deutsche Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft, Breslau, C. Dülfer, 1895, ausführt) den Antrag Kauitz für sozialistisch und gerade darum sür höchst gefährlich, weil er durchaus nicht unausführbar sei, der Geheime Regierungs- und Landrat a, D. E. von Selchow auf Rubrik dagegen empfiehlt den Antrag Kanitz salsj eine Forderung der Sittlichkeit (Berlin, Puttkammer und Mühlbrecht, 1896) dem Reichstage, nur soll nicht der Staat, souderu eine Organisation landwirtschaftlicher Körperschaften das Einfuhr- und Vertaufsmouopol handhaben; die Durchführung dieses Vorschlags allein, davon ist er überzeugt, könne das deutsche Volk vom drohenden sittlichen und wirtschaftlichen Untergange retten. Die beiden Herren mögen ihre Meinungsverschiedenheit unter sich ausmachen, was sie, da sie beide in Oberschlesien wohnen, sehr beqnem haben; vielleicht hätten sie patriotischer gehandelt, wenn sie sich vor der Veröffentlichung ihrer Gedanken geeinigt hätten, anstatt dem armen Publikum, dem ohnehin schon ganz dumm ist, ein neues Mühlrad in den Kopf zu setzen. Der Freiherr von Thielmann erwartet alles Heil von einer Re¬ vision der Handelsverträge, als ob das deutsche Volk und namentlich auch der Grundbcsitzerstand in der Zeit von 1878 bis 1892 so ungeheuer zufrieden ge¬ wesen wäre! Der Herr von Selchow andrerseits hat vollkommen Recht, wenn er die scheußlichen Sittlichteitsverbrechcn unsrer Zeit mit den sozialen Zuständen in Verbindung bringt und die Blutsbrüderlichkeit der alte» Kriegsgefolgschafteu preist, deren Geist für den Zweck friedlicher Arbeit wieder zu beleben sei. Aber haben denn die alten Germanen ihre Sittenreinheit auf die Weise gewahrt, daß sie fünfzig Millionen Menschen von der Außenwelt abgesperrt und auf einen Hnnfen gedrängt, durch Stantscinrichtungen die fortschreitende Übervölkerung uoch gefördert und die besitzlose Mehrzahl gezwungen hätten, der besitzenden Minderzahl das Brot zu hohem Preise abzukaufen? Von nlledem haben sie das Gegenteil gethan. Zu einer Zeit, wo im Gebiete des heutigen deutschen Reichs keine zehn Millionen Menschen lebten (die ungeheuern Germaueuheere existirten, wie Delbrück jüngst nachgewiesen hat, bloß in der von Furcht erfüllten Phantasie der Römer), haben sie alljährlich ihre junge Mannschaft ausgeschickt, um jenseits ihrer Grenzen Land und Beute zu er¬ obern, und das Getreide haben sie nicht zum Verkauf, souderu uur für deu eignen Verbrauch gebaut. Der Herr von Selchow hat ein edles Gemüt und das Herz ans dem rechten Fleck, aber seine Gedanken haben die verkehrte Richtung ein¬ geschlagen. Sein Satz: Ist der Bauer zufrieden, so ist allerwärts Frieden, war unzweifelhaft richtig zu einer Zeit, wo Berlin ein kleines Nest war, und unter je zehn deutschen Männern allermindestens sechs Bauern waren, aber er hat keinen Sinn mehr in einer Zeit, wo auf zwölf deutsche Männer kaum ein Bauerguts¬ besitzer kommt, und Berlin auf die zweite Million losmarschiert. Noch dazu sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/311>, abgerufen am 01.09.2024.