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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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ihn wieder und wurde nachdenklich und unruhig, und je öfter sie ihn las,
desto trauriger wurde sie, denn umso schwerer und schwerer drängte sich ihr
die Ahnung auf, daß ihr großer Erich ihr nur das Warten erleichtern und
die Hoffnung nicht rauben wollte, daß ihm selber um den Ausgang bangte,
und daß er schwere Sorge um die Zukunft hatte. Und Todesangst ergriff sie
bei dem Gedanken, wie er es wohl ertragen würde, wenn alle Hoffnung trog!

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vom agrarischen Kriegsschauplatz.

Es ist ein wirklich noch nicht da¬
gewesenes Schauspiel! Die Regierung, d. h. die Gesamtheit der im preußischen
Staate maßgebenden Männer: die Mitglieder des königlichen Hanfes, die Minister,
die Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten, die Landräte sind mit unbe¬
deutenden Ausnahmen teils Großgrundbesitzer, teils wenigstens Sprößlinge von
Großgrundbesitzcrfamilien. Der Reichskanzler ist einer der größten, der Lcmd-
wirtschaftsminister ist ein großer Großgrundbesitzer. An ihrer durch und dnrch
agrarischen Gesinnung, d. h. an ihrem (vollkommen berechtigten) Wunsche, die Land¬
wirtschaft so rentabel wie möglich zu machen, besteht nicht der geringste Zweifel.
Alle diese agrarischen Herren sind nicht allein selbst vollkommen kompetente Sach¬
verständige, sondern haben auch noch einen gewaltigen sachverständigen Beirat im
Landcsökonvmickollegium, in den landwirtschaftlichen Zentralvereinen und den Prv-
vinziallcmdtagen, deren Mitglieder ebenfalls teils ausnahmslos, teils der Mehrheit
nach agrarisch gesinnt sind. Und diese ganz vom reinsten agrarischen Geiste be¬
seelte Regierung wird vom Bunde der Landwirte als Feind bekämpft; und dieser
agrarische Großgrundbesitzer, der so unglücklich gewesen ist, zum Minister für Land¬
wirtschaft berufen zu werden, wird von den Agrariern schlechter behandelt, als vor
dreißig Jahren der Kultusminister von Muster von den Liberalen behandelt wurde!
In den ersten Tagen nach der Schlacht vom 17. Januar schien es, als ob sich die
Konservativen in die neue Lage finden wollten; ihre Organe beobachteten Zurück-
haltung, und thuen sehr nahe stehende mittelparteiliche Zeitungen bauten goldne
Brücken: es sei ja selbstverständlich, daß alle wirklich konservativen Männer die
maßlose Sprache der Deutschen Tageszeitung und der Bnndeskvrrespondenz mi߬
billigten, und daß man nunmehr bumms verzichten werde, unerreichbares zu er¬
streben. Dann aber brach ein Sturm scharfer und heftiger Erklärungen los, und
es wurde eine Kampagne veranstaltet, um dem Grafen Kanitz das Vertrauen und,
wie es in der einen Zuschrift hieß, den unbedingten Gehorsam der Bauern darzu¬
bringen. Die Wanderredner des Bundes trommeln ein Paar hundert Bauern zu¬
sammen, sagen ihr Sprüchet auf, lesen die Resolution vor, und da sich niemand
dagegen erklärt (wer dagegen ist, ist ein Bcmernfeiud, hat man ihnen vorher nach-


ihn wieder und wurde nachdenklich und unruhig, und je öfter sie ihn las,
desto trauriger wurde sie, denn umso schwerer und schwerer drängte sich ihr
die Ahnung auf, daß ihr großer Erich ihr nur das Warten erleichtern und
die Hoffnung nicht rauben wollte, daß ihm selber um den Ausgang bangte,
und daß er schwere Sorge um die Zukunft hatte. Und Todesangst ergriff sie
bei dem Gedanken, wie er es wohl ertragen würde, wenn alle Hoffnung trog!

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vom agrarischen Kriegsschauplatz.

Es ist ein wirklich noch nicht da¬
gewesenes Schauspiel! Die Regierung, d. h. die Gesamtheit der im preußischen
Staate maßgebenden Männer: die Mitglieder des königlichen Hanfes, die Minister,
die Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten, die Landräte sind mit unbe¬
deutenden Ausnahmen teils Großgrundbesitzer, teils wenigstens Sprößlinge von
Großgrundbesitzcrfamilien. Der Reichskanzler ist einer der größten, der Lcmd-
wirtschaftsminister ist ein großer Großgrundbesitzer. An ihrer durch und dnrch
agrarischen Gesinnung, d. h. an ihrem (vollkommen berechtigten) Wunsche, die Land¬
wirtschaft so rentabel wie möglich zu machen, besteht nicht der geringste Zweifel.
Alle diese agrarischen Herren sind nicht allein selbst vollkommen kompetente Sach¬
verständige, sondern haben auch noch einen gewaltigen sachverständigen Beirat im
Landcsökonvmickollegium, in den landwirtschaftlichen Zentralvereinen und den Prv-
vinziallcmdtagen, deren Mitglieder ebenfalls teils ausnahmslos, teils der Mehrheit
nach agrarisch gesinnt sind. Und diese ganz vom reinsten agrarischen Geiste be¬
seelte Regierung wird vom Bunde der Landwirte als Feind bekämpft; und dieser
agrarische Großgrundbesitzer, der so unglücklich gewesen ist, zum Minister für Land¬
wirtschaft berufen zu werden, wird von den Agrariern schlechter behandelt, als vor
dreißig Jahren der Kultusminister von Muster von den Liberalen behandelt wurde!
In den ersten Tagen nach der Schlacht vom 17. Januar schien es, als ob sich die
Konservativen in die neue Lage finden wollten; ihre Organe beobachteten Zurück-
haltung, und thuen sehr nahe stehende mittelparteiliche Zeitungen bauten goldne
Brücken: es sei ja selbstverständlich, daß alle wirklich konservativen Männer die
maßlose Sprache der Deutschen Tageszeitung und der Bnndeskvrrespondenz mi߬
billigten, und daß man nunmehr bumms verzichten werde, unerreichbares zu er¬
streben. Dann aber brach ein Sturm scharfer und heftiger Erklärungen los, und
es wurde eine Kampagne veranstaltet, um dem Grafen Kanitz das Vertrauen und,
wie es in der einen Zuschrift hieß, den unbedingten Gehorsam der Bauern darzu¬
bringen. Die Wanderredner des Bundes trommeln ein Paar hundert Bauern zu¬
sammen, sagen ihr Sprüchet auf, lesen die Resolution vor, und da sich niemand
dagegen erklärt (wer dagegen ist, ist ein Bcmernfeiud, hat man ihnen vorher nach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/302>, abgerufen am 01.09.2024.