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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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war Dürer ein Papist?

ablehnen und ihm bemerken, daß ich von ihm nur getadelt sein möchte. Was
die Sache betrifft, so kann ich ihm versichern, daß ich mich über seine Be¬
lehrung herzlich gefreut habe. Möchte er sich über die meinige ebenso freuein
Daß ein Verzeichnis lutherischer Schriften von irgendeiner beliebigen Hand
zu irgendeinem beliebigen Zweck angefertigt noch nicht für die lutherische Ge¬
sinnung des Schreibers Zeugnis ablegt, war uns, als wir jene Worte schrieben,
nicht unbekannt. Daß der Dr. Eck und jeder katholische Apologet und manche
Klosterbibliothek nicht nur Verzeichnisse von Luthers Schriften, sondern auch
diese selbst besaßen, konnten wir uns wohl denken. Leider war nun aber der
Maler Albrecht Dürer weder der Dr., Eck, noch ein katholischer Apologet (ob¬
wohl ihn Weber dazu stempeln möchte), noch eine Klosterbiblivthek, noch ein
Bibliothekar, sondern ein Künstler, der gar kein berufsmäßiges Interesse daran
hatte, sich irgend ein Bücherverzeichnis anzulegen. Er war zugleich ein Mann,
von dem wir aus ganz andern Quellen genau wissen, daß er von 1520 bis
1528, d. h. wahrscheinlich sogar bis zu seinem Tode, ein überzeugter Lutheraner
gewesen ist. Es war gewiß das mindeste, was man von uns als Heraus¬
geben? verlangen konnte, daß wir diese Notiz den übrigen ganz unzweideutigen
Beweisen von Dürers lutherischer Gesinnung "hinzufügte"." Herr Weber fragt
allerdings: "Warum hat Dürer das Verzeichnis nicht fortgesetzt? Das läßt
tief blicken" Er scheint sich also einzubilden, daß die erwähnte Notiz ein Teil
eines ausführlichen und. vollständigen Bibliothekkatalogs sei, sonst kann diese
Bemerkung überhaupt gar keinen Sinn haben.

Die Polemik, /die der Verfasser hier ohne jede Veranlassung vom Zaune
bricht, enthüllt uns gleichzeitig auch den Grund, warum er so böse auf uns
und unsre Düreransgabe ist. Wir haben das Verbrechen begangen, Dürers
schriftlichen Nachlaß in philologischer Weise Wort für Wort genau zu ver¬
öffentlichen. Die Zeugnisse für Dürers lutherische Gesinnung stehen jetzt un¬
zweideutig da> für jedermann verständlich, ohne Auslassungen und Verdrehungen,
ohne Verwirrung durch die altertümliche und ungleichmäßige Orthographie
des sechzehnten Jahrhunderts (die Herr Weber freilich, um seinem Publikum
Sand in die Augen zu streuen, überflüssigerweise wieder ausgegraben hat).
Wir haben mit Dürers schriftlichen Nachlaß dasselbe gethan, was Luther -- si
pA-vA Uo<ze vomxoinzrs um-mis -- mit der Bibel gethan hat. Und das ist un¬
angenehm, sehr unangenehm, das kann uns nicht verziehen werden: ^niMsnm sie.

Wenn Herr Weber besser in der Dürerlitteratur zu Hause wäre, als er
es ist, so würde er wissen j daß ich selbst vor einigen Jahren in den Grenz¬
boten die 'Frage nach Dürers Verhältnis zur Reformation in einer Weise be¬
handelt habe, die, wie^ ich glaube, von iEiuseitigkeit ziemlich frei war und ihm
vielleicht, manchen Fingerzeig, in seinem Sinne hätte geben können.*) Ich habe



4) Grenzboten 1892. l. S. 391.
war Dürer ein Papist?

ablehnen und ihm bemerken, daß ich von ihm nur getadelt sein möchte. Was
die Sache betrifft, so kann ich ihm versichern, daß ich mich über seine Be¬
lehrung herzlich gefreut habe. Möchte er sich über die meinige ebenso freuein
Daß ein Verzeichnis lutherischer Schriften von irgendeiner beliebigen Hand
zu irgendeinem beliebigen Zweck angefertigt noch nicht für die lutherische Ge¬
sinnung des Schreibers Zeugnis ablegt, war uns, als wir jene Worte schrieben,
nicht unbekannt. Daß der Dr. Eck und jeder katholische Apologet und manche
Klosterbibliothek nicht nur Verzeichnisse von Luthers Schriften, sondern auch
diese selbst besaßen, konnten wir uns wohl denken. Leider war nun aber der
Maler Albrecht Dürer weder der Dr., Eck, noch ein katholischer Apologet (ob¬
wohl ihn Weber dazu stempeln möchte), noch eine Klosterbiblivthek, noch ein
Bibliothekar, sondern ein Künstler, der gar kein berufsmäßiges Interesse daran
hatte, sich irgend ein Bücherverzeichnis anzulegen. Er war zugleich ein Mann,
von dem wir aus ganz andern Quellen genau wissen, daß er von 1520 bis
1528, d. h. wahrscheinlich sogar bis zu seinem Tode, ein überzeugter Lutheraner
gewesen ist. Es war gewiß das mindeste, was man von uns als Heraus¬
geben? verlangen konnte, daß wir diese Notiz den übrigen ganz unzweideutigen
Beweisen von Dürers lutherischer Gesinnung „hinzufügte«." Herr Weber fragt
allerdings: „Warum hat Dürer das Verzeichnis nicht fortgesetzt? Das läßt
tief blicken" Er scheint sich also einzubilden, daß die erwähnte Notiz ein Teil
eines ausführlichen und. vollständigen Bibliothekkatalogs sei, sonst kann diese
Bemerkung überhaupt gar keinen Sinn haben.

Die Polemik, /die der Verfasser hier ohne jede Veranlassung vom Zaune
bricht, enthüllt uns gleichzeitig auch den Grund, warum er so böse auf uns
und unsre Düreransgabe ist. Wir haben das Verbrechen begangen, Dürers
schriftlichen Nachlaß in philologischer Weise Wort für Wort genau zu ver¬
öffentlichen. Die Zeugnisse für Dürers lutherische Gesinnung stehen jetzt un¬
zweideutig da> für jedermann verständlich, ohne Auslassungen und Verdrehungen,
ohne Verwirrung durch die altertümliche und ungleichmäßige Orthographie
des sechzehnten Jahrhunderts (die Herr Weber freilich, um seinem Publikum
Sand in die Augen zu streuen, überflüssigerweise wieder ausgegraben hat).
Wir haben mit Dürers schriftlichen Nachlaß dasselbe gethan, was Luther — si
pA-vA Uo<ze vomxoinzrs um-mis — mit der Bibel gethan hat. Und das ist un¬
angenehm, sehr unangenehm, das kann uns nicht verziehen werden: ^niMsnm sie.

Wenn Herr Weber besser in der Dürerlitteratur zu Hause wäre, als er
es ist, so würde er wissen j daß ich selbst vor einigen Jahren in den Grenz¬
boten die 'Frage nach Dürers Verhältnis zur Reformation in einer Weise be¬
handelt habe, die, wie^ ich glaube, von iEiuseitigkeit ziemlich frei war und ihm
vielleicht, manchen Fingerzeig, in seinem Sinne hätte geben können.*) Ich habe



4) Grenzboten 1892. l. S. 391.
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[0284] war Dürer ein Papist? ablehnen und ihm bemerken, daß ich von ihm nur getadelt sein möchte. Was die Sache betrifft, so kann ich ihm versichern, daß ich mich über seine Be¬ lehrung herzlich gefreut habe. Möchte er sich über die meinige ebenso freuein Daß ein Verzeichnis lutherischer Schriften von irgendeiner beliebigen Hand zu irgendeinem beliebigen Zweck angefertigt noch nicht für die lutherische Ge¬ sinnung des Schreibers Zeugnis ablegt, war uns, als wir jene Worte schrieben, nicht unbekannt. Daß der Dr. Eck und jeder katholische Apologet und manche Klosterbibliothek nicht nur Verzeichnisse von Luthers Schriften, sondern auch diese selbst besaßen, konnten wir uns wohl denken. Leider war nun aber der Maler Albrecht Dürer weder der Dr., Eck, noch ein katholischer Apologet (ob¬ wohl ihn Weber dazu stempeln möchte), noch eine Klosterbiblivthek, noch ein Bibliothekar, sondern ein Künstler, der gar kein berufsmäßiges Interesse daran hatte, sich irgend ein Bücherverzeichnis anzulegen. Er war zugleich ein Mann, von dem wir aus ganz andern Quellen genau wissen, daß er von 1520 bis 1528, d. h. wahrscheinlich sogar bis zu seinem Tode, ein überzeugter Lutheraner gewesen ist. Es war gewiß das mindeste, was man von uns als Heraus¬ geben? verlangen konnte, daß wir diese Notiz den übrigen ganz unzweideutigen Beweisen von Dürers lutherischer Gesinnung „hinzufügte«." Herr Weber fragt allerdings: „Warum hat Dürer das Verzeichnis nicht fortgesetzt? Das läßt tief blicken" Er scheint sich also einzubilden, daß die erwähnte Notiz ein Teil eines ausführlichen und. vollständigen Bibliothekkatalogs sei, sonst kann diese Bemerkung überhaupt gar keinen Sinn haben. Die Polemik, /die der Verfasser hier ohne jede Veranlassung vom Zaune bricht, enthüllt uns gleichzeitig auch den Grund, warum er so böse auf uns und unsre Düreransgabe ist. Wir haben das Verbrechen begangen, Dürers schriftlichen Nachlaß in philologischer Weise Wort für Wort genau zu ver¬ öffentlichen. Die Zeugnisse für Dürers lutherische Gesinnung stehen jetzt un¬ zweideutig da> für jedermann verständlich, ohne Auslassungen und Verdrehungen, ohne Verwirrung durch die altertümliche und ungleichmäßige Orthographie des sechzehnten Jahrhunderts (die Herr Weber freilich, um seinem Publikum Sand in die Augen zu streuen, überflüssigerweise wieder ausgegraben hat). Wir haben mit Dürers schriftlichen Nachlaß dasselbe gethan, was Luther — si pA-vA Uo<ze vomxoinzrs um-mis — mit der Bibel gethan hat. Und das ist un¬ angenehm, sehr unangenehm, das kann uns nicht verziehen werden: ^niMsnm sie. Wenn Herr Weber besser in der Dürerlitteratur zu Hause wäre, als er es ist, so würde er wissen j daß ich selbst vor einigen Jahren in den Grenz¬ boten die 'Frage nach Dürers Verhältnis zur Reformation in einer Weise be¬ handelt habe, die, wie^ ich glaube, von iEiuseitigkeit ziemlich frei war und ihm vielleicht, manchen Fingerzeig, in seinem Sinne hätte geben können.*) Ich habe 4) Grenzboten 1892. l. S. 391.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/284>, abgerufen am 01.09.2024.