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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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die Meere in den Händen hält- Bevor irgend welche feindliche Mächte die
englische Küste zu erzwingen suchen, werden sie sich um seine Außenwerke halten.
Wie und wo, unter welcher Beteiligung der dabei interessirten Mächte dies
geschehen wird, darüber kann niemand ein Wort sagen. Auch das ist möglich,
daß gerade die entscheidenden schlüge in der Nähe der englischen Häfen fallen,
aber niemand wird daran denken, erobernd den Fuß auf Englands Boden zu
setzen, bevor er seine Flotte so geschlagen hat, daß sie unfähig zum Handel"
geworden ist. Was giebt es da nicht alles für Möglichkeiten! Mag aber ge¬
schehen, was da will, mag man thörichterweise sogar daran denken, mitten
durch die englischen Schiffe hindurch Hunderttausende von Soldaten an irgend
einem Punkte der britischen Küste zu landen, ja alles dieses und noch vieles
andre zugegeben, so wird es doch ein Krieg sein, an dem niemand, der große
Hoffnungen ans ihn setzt, teilnehmen kann, ohne mit einer starken Flotte auf
dem Schauplatze zu erscheinen.

In frühern Kriegen der europäischen Mächte handelte es sich um Grenz¬
streitigkeiten, um Abtretung von Landstrichen und Provinzen, um die Erhal¬
tung des Gleichgewichts innerhalb der den Weltteil unischließenden Grenze; in
dem ersten Kriege der Zukunft wird die Regulirung der Weltherrschaft in
Frage stehen. Mit Schiffen und Kanonen wird mau die Entscheidung darüber
herbeiführen, ob einer von den Großstaaten die andern so mächtig überragen
darf, daß im Grunde er allein als gebietend erscheint. An der Lösung dieser
Frage hat Deutschland nicht bloß, wie man zu sagen pflegt, ein "hervorragendes
Interesse," sondern mit ihr ist geradezu die Sicherheit seiner Zukunft, seines
Bestehens verknüpft. Das deutsche Reich hat ein nicht von der Gnade andrer
abhängiges Gebiet zu beanspruchen, wohin es den Überschuß seiner Volkskraft
abführen kann, ohne ihn zu verlieren. Die soziale Frage, die bei uns so schwer
wiegt wie irgendwo, würde mit der sichern Festlegung unsers außereuropäischen
Machtgebietes zum guten Teile gelöst werden.

Daß dem so ist, mögen die Widersacher unsrer überseeischen Politik leugnen;
dennoch bleibt es eine Thatsache, eine Thatsache so unbezweifelbar wie die, daß
im grauen Altertum die Athener den phönizischen König Minos mit Schiffen
bekämpfen mußten, wenn anders sie nicht den schmählichen Tribut an Jüng¬
lingen und Jungfrauen, zu dem sie dem Phönizier verpflichtet waren, noch
weiter entrichten wollten. Tribut irgend welcher Art zu zahlen, dazu ist much
das deutsche Volk zu gut, und deshalb müssen wir gerüstet sein für den Augen¬
blick, wo die große Stunde der Abrechnung schlägt. Wir müssen Schiffe haben,
viel, viel mehr, als jetzt in unsern Häfen liegen, erzgepauzerte und mit ver¬
nichtenden Donner versehene große Schlachtschiffe, die den Stoß des Feindes
aufzunehmen imstande sind, und schnelle Kreuzer, die die weiten Meere durch¬
fahren und von der fernen Insel die gefangne Ariadne als Bellte heimbringen.
Wollte Gott, daß alle Deutschen diese große und doch so einfache Wahrheit


die Meere in den Händen hält- Bevor irgend welche feindliche Mächte die
englische Küste zu erzwingen suchen, werden sie sich um seine Außenwerke halten.
Wie und wo, unter welcher Beteiligung der dabei interessirten Mächte dies
geschehen wird, darüber kann niemand ein Wort sagen. Auch das ist möglich,
daß gerade die entscheidenden schlüge in der Nähe der englischen Häfen fallen,
aber niemand wird daran denken, erobernd den Fuß auf Englands Boden zu
setzen, bevor er seine Flotte so geschlagen hat, daß sie unfähig zum Handel»
geworden ist. Was giebt es da nicht alles für Möglichkeiten! Mag aber ge¬
schehen, was da will, mag man thörichterweise sogar daran denken, mitten
durch die englischen Schiffe hindurch Hunderttausende von Soldaten an irgend
einem Punkte der britischen Küste zu landen, ja alles dieses und noch vieles
andre zugegeben, so wird es doch ein Krieg sein, an dem niemand, der große
Hoffnungen ans ihn setzt, teilnehmen kann, ohne mit einer starken Flotte auf
dem Schauplatze zu erscheinen.

In frühern Kriegen der europäischen Mächte handelte es sich um Grenz¬
streitigkeiten, um Abtretung von Landstrichen und Provinzen, um die Erhal¬
tung des Gleichgewichts innerhalb der den Weltteil unischließenden Grenze; in
dem ersten Kriege der Zukunft wird die Regulirung der Weltherrschaft in
Frage stehen. Mit Schiffen und Kanonen wird mau die Entscheidung darüber
herbeiführen, ob einer von den Großstaaten die andern so mächtig überragen
darf, daß im Grunde er allein als gebietend erscheint. An der Lösung dieser
Frage hat Deutschland nicht bloß, wie man zu sagen pflegt, ein „hervorragendes
Interesse," sondern mit ihr ist geradezu die Sicherheit seiner Zukunft, seines
Bestehens verknüpft. Das deutsche Reich hat ein nicht von der Gnade andrer
abhängiges Gebiet zu beanspruchen, wohin es den Überschuß seiner Volkskraft
abführen kann, ohne ihn zu verlieren. Die soziale Frage, die bei uns so schwer
wiegt wie irgendwo, würde mit der sichern Festlegung unsers außereuropäischen
Machtgebietes zum guten Teile gelöst werden.

Daß dem so ist, mögen die Widersacher unsrer überseeischen Politik leugnen;
dennoch bleibt es eine Thatsache, eine Thatsache so unbezweifelbar wie die, daß
im grauen Altertum die Athener den phönizischen König Minos mit Schiffen
bekämpfen mußten, wenn anders sie nicht den schmählichen Tribut an Jüng¬
lingen und Jungfrauen, zu dem sie dem Phönizier verpflichtet waren, noch
weiter entrichten wollten. Tribut irgend welcher Art zu zahlen, dazu ist much
das deutsche Volk zu gut, und deshalb müssen wir gerüstet sein für den Augen¬
blick, wo die große Stunde der Abrechnung schlägt. Wir müssen Schiffe haben,
viel, viel mehr, als jetzt in unsern Häfen liegen, erzgepauzerte und mit ver¬
nichtenden Donner versehene große Schlachtschiffe, die den Stoß des Feindes
aufzunehmen imstande sind, und schnelle Kreuzer, die die weiten Meere durch¬
fahren und von der fernen Insel die gefangne Ariadne als Bellte heimbringen.
Wollte Gott, daß alle Deutschen diese große und doch so einfache Wahrheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/272>, abgerufen am 27.11.2024.