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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Unser Aschenbrödel

n jüngster Zeit haben wohl die meisten denkenden Deutschen be¬
griffen, daß unsre Kriegsflotte noch ganz andre Zwecke zu er¬
füllen hat, als nur unsre Küsten vor feindlichen Angriffen zu
schützen. Ist es nicht jedem Vaterlandsfreunde klar geworden,
daß wir viele starke Schiffe haben müssen, um auf der ganzen
Erde unser gutes Recht wahren und unsre Kräfte entfalten zu können? Ledig¬
lich seinen Kriegsschiffen hat das kleine Jnselvolk die Weltherrschaft zu danken;
nur mit einer starken Flotte werden wir dereinst auch die englischen An¬
maßungen einschränken können. Kann das große deutsche Volk nicht ähnliches
zustande bringen, wie es die geknechteten Holländer vor drei Jahrhunderten
mit zäher Ausdauer erkämpften? Muffen wir nus im Flottenbau von den
Italienern beschämen lassen? An tapfern Herzen und kräftigen Armen fehlt
es doch wahrlich nicht bei uns, auch Eisen und Kohlen hat unser Land genug
zum Bane der stählernen Meerdrachen. Da fragen die Grenzboten (1896, Ur. 2)
mit Recht: "Wo sind die Bürger, die auf ihre Anteile ein den taurischen
Silberminen verzichten, um einem deutschen Themistokles Schiffe bauen zu
helfen?" Wer sich unsre volkswirtschaftliche Lage klar macht, der erkennt die
Notwendigkeit des deutschen Welthandels und das steigende Bedürfnis nach
Ausbreitung deutscher Volkskraft über größere Bodenflächen. Überall, wo
unser Welthandel schon jetzt blüht, in Ostasien, in der Türkei und Kleinasien,
in Süd- und Mittelamerika, in Marokko und in Transvaal, erregt er die
Eifersucht andrer Nationen. Die blutigsten Kriege sind aber schon aus Handels¬
eifersucht entstanden, das lehrt die Geschichte; man denke nur an die punischen
Kriege, an die schweren .Kampfe der alten Hanse, an die Kriege der Holländer
gegen die Engländer und an den nordameriknnischen Bürgerkrieg. Die Aus¬
breitung unsers Handels ist freilich nicht von der Stärke der Kreuzer, sondern
von der Güte der Waren abhängig. Aber der Bestand unsers Welthandels


Gvenzlwwi I 1WK 27


Unser Aschenbrödel

n jüngster Zeit haben wohl die meisten denkenden Deutschen be¬
griffen, daß unsre Kriegsflotte noch ganz andre Zwecke zu er¬
füllen hat, als nur unsre Küsten vor feindlichen Angriffen zu
schützen. Ist es nicht jedem Vaterlandsfreunde klar geworden,
daß wir viele starke Schiffe haben müssen, um auf der ganzen
Erde unser gutes Recht wahren und unsre Kräfte entfalten zu können? Ledig¬
lich seinen Kriegsschiffen hat das kleine Jnselvolk die Weltherrschaft zu danken;
nur mit einer starken Flotte werden wir dereinst auch die englischen An¬
maßungen einschränken können. Kann das große deutsche Volk nicht ähnliches
zustande bringen, wie es die geknechteten Holländer vor drei Jahrhunderten
mit zäher Ausdauer erkämpften? Muffen wir nus im Flottenbau von den
Italienern beschämen lassen? An tapfern Herzen und kräftigen Armen fehlt
es doch wahrlich nicht bei uns, auch Eisen und Kohlen hat unser Land genug
zum Bane der stählernen Meerdrachen. Da fragen die Grenzboten (1896, Ur. 2)
mit Recht: „Wo sind die Bürger, die auf ihre Anteile ein den taurischen
Silberminen verzichten, um einem deutschen Themistokles Schiffe bauen zu
helfen?" Wer sich unsre volkswirtschaftliche Lage klar macht, der erkennt die
Notwendigkeit des deutschen Welthandels und das steigende Bedürfnis nach
Ausbreitung deutscher Volkskraft über größere Bodenflächen. Überall, wo
unser Welthandel schon jetzt blüht, in Ostasien, in der Türkei und Kleinasien,
in Süd- und Mittelamerika, in Marokko und in Transvaal, erregt er die
Eifersucht andrer Nationen. Die blutigsten Kriege sind aber schon aus Handels¬
eifersucht entstanden, das lehrt die Geschichte; man denke nur an die punischen
Kriege, an die schweren .Kampfe der alten Hanse, an die Kriege der Holländer
gegen die Engländer und an den nordameriknnischen Bürgerkrieg. Die Aus¬
breitung unsers Handels ist freilich nicht von der Stärke der Kreuzer, sondern
von der Güte der Waren abhängig. Aber der Bestand unsers Welthandels


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[0217] [Abbildung] Unser Aschenbrödel n jüngster Zeit haben wohl die meisten denkenden Deutschen be¬ griffen, daß unsre Kriegsflotte noch ganz andre Zwecke zu er¬ füllen hat, als nur unsre Küsten vor feindlichen Angriffen zu schützen. Ist es nicht jedem Vaterlandsfreunde klar geworden, daß wir viele starke Schiffe haben müssen, um auf der ganzen Erde unser gutes Recht wahren und unsre Kräfte entfalten zu können? Ledig¬ lich seinen Kriegsschiffen hat das kleine Jnselvolk die Weltherrschaft zu danken; nur mit einer starken Flotte werden wir dereinst auch die englischen An¬ maßungen einschränken können. Kann das große deutsche Volk nicht ähnliches zustande bringen, wie es die geknechteten Holländer vor drei Jahrhunderten mit zäher Ausdauer erkämpften? Muffen wir nus im Flottenbau von den Italienern beschämen lassen? An tapfern Herzen und kräftigen Armen fehlt es doch wahrlich nicht bei uns, auch Eisen und Kohlen hat unser Land genug zum Bane der stählernen Meerdrachen. Da fragen die Grenzboten (1896, Ur. 2) mit Recht: „Wo sind die Bürger, die auf ihre Anteile ein den taurischen Silberminen verzichten, um einem deutschen Themistokles Schiffe bauen zu helfen?" Wer sich unsre volkswirtschaftliche Lage klar macht, der erkennt die Notwendigkeit des deutschen Welthandels und das steigende Bedürfnis nach Ausbreitung deutscher Volkskraft über größere Bodenflächen. Überall, wo unser Welthandel schon jetzt blüht, in Ostasien, in der Türkei und Kleinasien, in Süd- und Mittelamerika, in Marokko und in Transvaal, erregt er die Eifersucht andrer Nationen. Die blutigsten Kriege sind aber schon aus Handels¬ eifersucht entstanden, das lehrt die Geschichte; man denke nur an die punischen Kriege, an die schweren .Kampfe der alten Hanse, an die Kriege der Holländer gegen die Engländer und an den nordameriknnischen Bürgerkrieg. Die Aus¬ breitung unsers Handels ist freilich nicht von der Stärke der Kreuzer, sondern von der Güte der Waren abhängig. Aber der Bestand unsers Welthandels Gvenzlwwi I 1WK 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/217>, abgerufen am 24.11.2024.