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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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die Mensche" selber verachten gelernt hat, und obgleich er ein lacliss Icillsr
genannt wird, wem, auch nicht mit diesen Worten, so haftet ihm doch manches
an, was ihn hindert, in das bekannte Jenseits hinüberzuspringen. Den letzten
Rest soll ihm der andre geben, der, wenn man seinen Worten glauben darf,
im Besitz aller Weihen im Orden der Übermenschen ist. Das ist der allmäch¬
tige Minister in dem Fürstentum Hechelkram, der Freiherr vou Lindenau, ein
Autokrat und wahrer Tyrann, der seinen Fürsten dnrch Intriguen lenkt und
in den Unterthanen alle Regungen und Anläufe zu zeitgemäßen Besserungen
mit schwerer Faust niederhält. Dieser, das Urbild des Nietzschischeu Radikal¬
aristokraten nach Hehses Vorstellung, hat den Plan, dem von ihm regierten
Krähwinkel noch vor seinem Tode einen Nachfolger in der Beherrschung des
Landes zu geben, der, von denselben Grundsätzen geleitet, Sorge trägt, daß
nicht mit seinem Hinscheiden das glückliche Volk der Hechelkramer der in den
Nachbarstaaten beliebten Herdeuviehverwaltuug anheimfällt. Um diesen Plan
zu verwirkliche", bedarf es eines kongenialen Mannes, der sich sonst im ganzen
Fürstentum nicht findet, aber plötzlich und zu guter Stunde in der Person
des Herrn von Friese" auf der Bühne erscheint. Auch sonst läßt sich die
Sache gut an. Den" da der j""ge Diplomat mit allen andern Dingen außer
mit seiner Liebe ganz vortrefflich von der Stelle kommen kann, so zögert er
nicht lange, den Vorschlägen des Ministers Gehör zu geben. Als Gemahl der
Tochter des mächtigen Mannes und als Günstling der Fürstin will er lernen,
Land und Volk in dem gewünschten übermenschlichen Sinne zu regieren. Alles
ist bestens eingeleitet. Schon ist er im Begriff, in einen" zärtlichen tot" ii low
mit der jungen, schönen Landesmutter über die Grenze hinwegzusetzen, a"
deren andern Seite ihm die Unterscheidung zwischen Gut und Böse kein Mi߬
behagen mehr machen soll, da verhindert den ganzen schönen Plan -- der Zufall.
Es ist die Malerin Leue Valentin, die gerade noch zur rechten Zeit kommt,
"in den Geliebte" zwar für sich zu verlieren, aber für das Diesseits zu
retten.

Selbstverständlich ist "ut dieser unbeabsichtigten Intervention alles in die
Brüche gegangen. Freilich die Liebe wird im Sturm noch irgendeine Planke
finden und sich in den stillen Hafen retten; aber mit den Plänen für das
Glück des Hechelkramischen Volks ist es ein für allemal vorbei. Der Minister
ist zwar wütend, als er hört, daß sei" Zögling ans dem fürstlichen Schlosse
entflohen ist und nicht dahin zurückkehren will, aber das hilft ihm nichts.
Im Gegenteil, selbst er, der doch so selbstherrlich über alles Menschengewimmel
hinwegschreitet, "ruß wieder zurück in die Welt, in der man an Gute u"d
Böse glaubt. Den Legativnsrat rettet der Zufall, ihn selbst die menschliche
Schwäche, die auch sei" Erbteil ist. Infolge von Verdauungsbeschwerden oder
aus irgendeinem andern Grunde trifft ihn der Schlag, da findet er in der
Friedlosigkeit, die auf weichem Lager sei" Gemüt quält, uur Ruhe in den


die Mensche» selber verachten gelernt hat, und obgleich er ein lacliss Icillsr
genannt wird, wem, auch nicht mit diesen Worten, so haftet ihm doch manches
an, was ihn hindert, in das bekannte Jenseits hinüberzuspringen. Den letzten
Rest soll ihm der andre geben, der, wenn man seinen Worten glauben darf,
im Besitz aller Weihen im Orden der Übermenschen ist. Das ist der allmäch¬
tige Minister in dem Fürstentum Hechelkram, der Freiherr vou Lindenau, ein
Autokrat und wahrer Tyrann, der seinen Fürsten dnrch Intriguen lenkt und
in den Unterthanen alle Regungen und Anläufe zu zeitgemäßen Besserungen
mit schwerer Faust niederhält. Dieser, das Urbild des Nietzschischeu Radikal¬
aristokraten nach Hehses Vorstellung, hat den Plan, dem von ihm regierten
Krähwinkel noch vor seinem Tode einen Nachfolger in der Beherrschung des
Landes zu geben, der, von denselben Grundsätzen geleitet, Sorge trägt, daß
nicht mit seinem Hinscheiden das glückliche Volk der Hechelkramer der in den
Nachbarstaaten beliebten Herdeuviehverwaltuug anheimfällt. Um diesen Plan
zu verwirkliche», bedarf es eines kongenialen Mannes, der sich sonst im ganzen
Fürstentum nicht findet, aber plötzlich und zu guter Stunde in der Person
des Herrn von Friese» auf der Bühne erscheint. Auch sonst läßt sich die
Sache gut an. Den» da der j»»ge Diplomat mit allen andern Dingen außer
mit seiner Liebe ganz vortrefflich von der Stelle kommen kann, so zögert er
nicht lange, den Vorschlägen des Ministers Gehör zu geben. Als Gemahl der
Tochter des mächtigen Mannes und als Günstling der Fürstin will er lernen,
Land und Volk in dem gewünschten übermenschlichen Sinne zu regieren. Alles
ist bestens eingeleitet. Schon ist er im Begriff, in einen» zärtlichen tot« ii low
mit der jungen, schönen Landesmutter über die Grenze hinwegzusetzen, a»
deren andern Seite ihm die Unterscheidung zwischen Gut und Böse kein Mi߬
behagen mehr machen soll, da verhindert den ganzen schönen Plan — der Zufall.
Es ist die Malerin Leue Valentin, die gerade noch zur rechten Zeit kommt,
»in den Geliebte» zwar für sich zu verlieren, aber für das Diesseits zu
retten.

Selbstverständlich ist »ut dieser unbeabsichtigten Intervention alles in die
Brüche gegangen. Freilich die Liebe wird im Sturm noch irgendeine Planke
finden und sich in den stillen Hafen retten; aber mit den Plänen für das
Glück des Hechelkramischen Volks ist es ein für allemal vorbei. Der Minister
ist zwar wütend, als er hört, daß sei» Zögling ans dem fürstlichen Schlosse
entflohen ist und nicht dahin zurückkehren will, aber das hilft ihm nichts.
Im Gegenteil, selbst er, der doch so selbstherrlich über alles Menschengewimmel
hinwegschreitet, »ruß wieder zurück in die Welt, in der man an Gute u»d
Böse glaubt. Den Legativnsrat rettet der Zufall, ihn selbst die menschliche
Schwäche, die auch sei» Erbteil ist. Infolge von Verdauungsbeschwerden oder
aus irgendeinem andern Grunde trifft ihn der Schlag, da findet er in der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/147>, abgerufen am 27.11.2024.