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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Zum ^3. Januar

überm Weltmeere viel zu wenig zum Ausdruck gekommen. Während Deutsch¬
land zerrissen, machtlos, verblendet war, hat das englische Polypenreich die
Welt mit seinen Armen umschlungen, überall saugt es die besten Lebenskräfte
an sich und sucht uns den Weg zu sperren. Mit dieser Politik ist es unser
schlimmster Feind, denn es versagt uns den Raum, den wir brauchen, wenn
die reichen Kräfte unsers Volkes nicht stocken und verkümmern sollen, d. h. es
will uns um unsre Zukunft bringen. Deutschland muß also zur Weltmacht
werden, um weiter leben zu können, und das wird es, wenn es ernstlich will.

Und es will. Oder vielmehr: der Mann, den Gott an die rechte Stelle
gesetzt hat, der will es. Mit seinem Telegramm an den Präsidenten Krüger
vom Transvaal, das die Lage blitzartig beleuchtete, hat unser Kaiser, so hoffen
wir, ein neues Zeitalter eröffnet, ein Zeitalter deutscher Weltpolitik. Ein
Sturm der Zustimmung und des Jubels ging in diesen Tagen durch Deutsch¬
land, ohne Unterschied der Partei. Und tiefer als jemals haben wir es em¬
pfunden, was das Reich für uns bedeutet. Wir sind jetzt einig und mächtig,
und wir sehen klar, was uns notthut. "Glück winken die Planeten uns her¬
unter!" Es ist der Staatskunst unsers Kaisers, deren weit vorausschauende
Weisheit wir erst jetzt würdigen, gelungen, dnrch geduldiges, hochherziges
und doch festes Auftreten ein erträgliches Verhältnis zu Frankreich, ein, wie
es scheint, recht gutes zu Nußland herzustellen und so der Überwindung des
verhängnisvollen toten Punktes, unsers scheinbar unversöhnlichen Gegensatzes
zu Frankreich, näher zu kommen. Er hat dann rasch entschlossen mit beiden
Nachbarmächten zusammen bestimmend in Ostasien eingegriffen. Eine Verbin¬
dung der festländischen Großmächte ist im Werden, die der Weltpolitik neue
Bahnen weisen kann und soll. Wir wissen es wohl: wir sind in dieser Ver¬
bindung nicht die stärkste, sondern noch die schwächste Macht, denn nicht unser
Heer kann hier entscheidend eingreifen, sondern nur unsre Flotte, und die ist
leider noch dazu zu schwach, soviel sie auch dem Kaiser schon verdankt. In
unserm Interesse liegt also eine ruhige, fest und besonnen geleitete Politik, die
niemandem nehmen will, was ihm gehört, aber auch andern nicht überlassen will,
was wir selbst bedürfen. Der Weg ist uns vorgezeichnet, es fragt sich nicht
mehr, ob wir ihn gehen wollen. Und so begrüßen wir heute den 18. Januar
mit dankbarem Rückblick in die Vergangenheit, mit Zuversicht auf die Zukunft
und mit dem festen Entschluß, den Männern von 1870 zu danken durch
Thaten, wie sie unsre Zeit von uns fordert- Gott segne Kaiser und Reich!




Zum ^3. Januar

überm Weltmeere viel zu wenig zum Ausdruck gekommen. Während Deutsch¬
land zerrissen, machtlos, verblendet war, hat das englische Polypenreich die
Welt mit seinen Armen umschlungen, überall saugt es die besten Lebenskräfte
an sich und sucht uns den Weg zu sperren. Mit dieser Politik ist es unser
schlimmster Feind, denn es versagt uns den Raum, den wir brauchen, wenn
die reichen Kräfte unsers Volkes nicht stocken und verkümmern sollen, d. h. es
will uns um unsre Zukunft bringen. Deutschland muß also zur Weltmacht
werden, um weiter leben zu können, und das wird es, wenn es ernstlich will.

Und es will. Oder vielmehr: der Mann, den Gott an die rechte Stelle
gesetzt hat, der will es. Mit seinem Telegramm an den Präsidenten Krüger
vom Transvaal, das die Lage blitzartig beleuchtete, hat unser Kaiser, so hoffen
wir, ein neues Zeitalter eröffnet, ein Zeitalter deutscher Weltpolitik. Ein
Sturm der Zustimmung und des Jubels ging in diesen Tagen durch Deutsch¬
land, ohne Unterschied der Partei. Und tiefer als jemals haben wir es em¬
pfunden, was das Reich für uns bedeutet. Wir sind jetzt einig und mächtig,
und wir sehen klar, was uns notthut. „Glück winken die Planeten uns her¬
unter!" Es ist der Staatskunst unsers Kaisers, deren weit vorausschauende
Weisheit wir erst jetzt würdigen, gelungen, dnrch geduldiges, hochherziges
und doch festes Auftreten ein erträgliches Verhältnis zu Frankreich, ein, wie
es scheint, recht gutes zu Nußland herzustellen und so der Überwindung des
verhängnisvollen toten Punktes, unsers scheinbar unversöhnlichen Gegensatzes
zu Frankreich, näher zu kommen. Er hat dann rasch entschlossen mit beiden
Nachbarmächten zusammen bestimmend in Ostasien eingegriffen. Eine Verbin¬
dung der festländischen Großmächte ist im Werden, die der Weltpolitik neue
Bahnen weisen kann und soll. Wir wissen es wohl: wir sind in dieser Ver¬
bindung nicht die stärkste, sondern noch die schwächste Macht, denn nicht unser
Heer kann hier entscheidend eingreifen, sondern nur unsre Flotte, und die ist
leider noch dazu zu schwach, soviel sie auch dem Kaiser schon verdankt. In
unserm Interesse liegt also eine ruhige, fest und besonnen geleitete Politik, die
niemandem nehmen will, was ihm gehört, aber auch andern nicht überlassen will,
was wir selbst bedürfen. Der Weg ist uns vorgezeichnet, es fragt sich nicht
mehr, ob wir ihn gehen wollen. Und so begrüßen wir heute den 18. Januar
mit dankbarem Rückblick in die Vergangenheit, mit Zuversicht auf die Zukunft
und mit dem festen Entschluß, den Männern von 1870 zu danken durch
Thaten, wie sie unsre Zeit von uns fordert- Gott segne Kaiser und Reich!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/115>, abgerufen am 01.09.2024.