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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht alle ein, sondern nur sechs: zwei Bauern, zwei Domherren und zwei "Bürgcr-
dcputirte" (Advokaten). Diese hatten die von Badeni redigirte Beschwerdeschrift
contra, Badeni zu überreichen, worauf der Kaiser die ebenfalls von Badeni redigirte
Antwort zu erteilen hatte, sodaß die ganze Audienz kaum drei Minuten dauerte.
Der Kaiser nahm die durch den modernen Amtsstil vorgeschriebne Versicherung der
Treue und Loyalität mit Befriedigung entgegen, sprach aber seinen Unwillen dar¬
über aus, daß soviel Leute nach Wien gereist seien in einer Angelegenheit, für die
einige wenige genügt hätten, und daß sich soviel Geistliche beteiligten zu einer Zeit,
wo der Fürstbischof Sembratoviez im eben empfangner Kardinalspurpnr in seine
Residenz einziehe. (Ist das nicht eine famose Auffassung der staatsbürgerlichen
Pflichten?) Die Beschwerden, versprach der Kaiser, würden geprüft werden; die,
wie es scheint, "nicht ganz unbegründeten" Beschwerden, schreibt die Neue Freie
Presse, nachdem die haarsträubenden Gewaltthaten ausführlich in einer Wiener
Wochenschrift berichtet worden sind, der sonst in Preßsachen so schneidige Wiener
Staatsanwalt aber nicht dagegen eingeschritten ist, ohne Zweifel doch nur durch
die Erwägung abgehalten, daß man es um keinen Preis zu einer öffentlichen Ver¬
handlung der galizischen Wahlskandale vor Gericht kommen lassen dürfe. Und die
Antisemiten, meint dieselbe Vertreterin des österreichischen Deutschtums, hätten die
Rutheucu gegen das verehrungswürdige Poleuregiment aufgehetzt, während die Rc-
gierungspresse, d. h. also jetzt die Polenprcsse, andeutet, das Geld zu der "Demon¬
stration" sei von Rußland gezahlt worden.

Nicht der Mensch Franz Josef ist es, der diese Audienz erteilt hat, auch nicht
der landesväterlich gesinnte Monarch. Der würde sich gefreut haben, die sämt¬
lichen 250 Mann einzulassen -- sie konnten jn Filzschuhe über ihre Bauerustiefel
bekommen, wie die Touristen, die sich den Weißen Saal in Berlin ansehen. Er
würde ein paar Stunden nnter ihnen herumgegangen sein, mit jeden: über seine
persönliche Lage und über die Verhältnisse des Laudes geplaudert und so ein Bild
von der polnischen Adelsherrschaft gewonnen haben. Er hätte u. a. erfahren, daß
ein Magnat seine Arbeiter den ganzen Sommer über mit einem selbstgefertigten
Papiergelde bezahlt, das keine galizische Kasse, geschweige denn eine außergnlizische,
nimmt. Und dann würde er die Leute in den Speisesaal geführt und ihnen ein
Frühstück gegeben haben. Aber -- armer Kaiser! -- er darf nicht Mensch, nicht
Landesvater sein. Der alte Fritze mit seiner übermenschlichen Energie durfte es
noch versuchen, seine sechs Millionen Unterthanen selbst zu regieren, sich von ein¬
zelnen ihre Angelegenheiten vortragen zu lassen und mit dem Krückstock dreinzu-
schlagen, wenn der zuständige Beamte seine Sache schlecht gemacht hatte. Es war
doch hübsch, als die Unterthanen noch denken durften: erlange ich nur Zutritt zum
König, so ist mir geholfen! Der Russe denkt noch heute so, nur daß der Himmel
so hoch und der Zar so weit ist. Aber einzelnen glückts doch, besonders in einem
kleinen Lande. Wie hübsch sind die Anekdoten, die Hackert in seinen von Goethe
herausgegebnen Tagebüchern vom König von Neapel erzählt! Könnte ich nur alles
allein machen, seufzt Ferdinnud einmal; und in der That, meint Hackert, wenn
der König allein dirigirt, so geht es gut. Also Friedrich der Große konnte es
mit seinen sechs Millionen noch versuchen; aber Franz Josef mit seinen vierund-
vierzig Millionen unter so viel Verwickeltern Verhältnissen -- nein, daran ist nicht
zu denken. Regieren kann heute -- soweit nicht die Mühe dnrch Selbstregierung
erspart wird -- nicht ein einzelner Mann, sondern nur eine bureaukratisch-konsti-
tutionelle Maschine, deren Gang durch Gruppen von Magnaten, Prälaten, Kom-
merzienräten, Börsenbaronen gelenkt wird. Versagen diese Herren den Dienst, so
steht der Regent seinen Völkern wie ein hilfloses Kind gegenüber. Er darf also


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht alle ein, sondern nur sechs: zwei Bauern, zwei Domherren und zwei „Bürgcr-
dcputirte" (Advokaten). Diese hatten die von Badeni redigirte Beschwerdeschrift
contra, Badeni zu überreichen, worauf der Kaiser die ebenfalls von Badeni redigirte
Antwort zu erteilen hatte, sodaß die ganze Audienz kaum drei Minuten dauerte.
Der Kaiser nahm die durch den modernen Amtsstil vorgeschriebne Versicherung der
Treue und Loyalität mit Befriedigung entgegen, sprach aber seinen Unwillen dar¬
über aus, daß soviel Leute nach Wien gereist seien in einer Angelegenheit, für die
einige wenige genügt hätten, und daß sich soviel Geistliche beteiligten zu einer Zeit,
wo der Fürstbischof Sembratoviez im eben empfangner Kardinalspurpnr in seine
Residenz einziehe. (Ist das nicht eine famose Auffassung der staatsbürgerlichen
Pflichten?) Die Beschwerden, versprach der Kaiser, würden geprüft werden; die,
wie es scheint, „nicht ganz unbegründeten" Beschwerden, schreibt die Neue Freie
Presse, nachdem die haarsträubenden Gewaltthaten ausführlich in einer Wiener
Wochenschrift berichtet worden sind, der sonst in Preßsachen so schneidige Wiener
Staatsanwalt aber nicht dagegen eingeschritten ist, ohne Zweifel doch nur durch
die Erwägung abgehalten, daß man es um keinen Preis zu einer öffentlichen Ver¬
handlung der galizischen Wahlskandale vor Gericht kommen lassen dürfe. Und die
Antisemiten, meint dieselbe Vertreterin des österreichischen Deutschtums, hätten die
Rutheucu gegen das verehrungswürdige Poleuregiment aufgehetzt, während die Rc-
gierungspresse, d. h. also jetzt die Polenprcsse, andeutet, das Geld zu der „Demon¬
stration" sei von Rußland gezahlt worden.

Nicht der Mensch Franz Josef ist es, der diese Audienz erteilt hat, auch nicht
der landesväterlich gesinnte Monarch. Der würde sich gefreut haben, die sämt¬
lichen 250 Mann einzulassen — sie konnten jn Filzschuhe über ihre Bauerustiefel
bekommen, wie die Touristen, die sich den Weißen Saal in Berlin ansehen. Er
würde ein paar Stunden nnter ihnen herumgegangen sein, mit jeden: über seine
persönliche Lage und über die Verhältnisse des Laudes geplaudert und so ein Bild
von der polnischen Adelsherrschaft gewonnen haben. Er hätte u. a. erfahren, daß
ein Magnat seine Arbeiter den ganzen Sommer über mit einem selbstgefertigten
Papiergelde bezahlt, das keine galizische Kasse, geschweige denn eine außergnlizische,
nimmt. Und dann würde er die Leute in den Speisesaal geführt und ihnen ein
Frühstück gegeben haben. Aber — armer Kaiser! — er darf nicht Mensch, nicht
Landesvater sein. Der alte Fritze mit seiner übermenschlichen Energie durfte es
noch versuchen, seine sechs Millionen Unterthanen selbst zu regieren, sich von ein¬
zelnen ihre Angelegenheiten vortragen zu lassen und mit dem Krückstock dreinzu-
schlagen, wenn der zuständige Beamte seine Sache schlecht gemacht hatte. Es war
doch hübsch, als die Unterthanen noch denken durften: erlange ich nur Zutritt zum
König, so ist mir geholfen! Der Russe denkt noch heute so, nur daß der Himmel
so hoch und der Zar so weit ist. Aber einzelnen glückts doch, besonders in einem
kleinen Lande. Wie hübsch sind die Anekdoten, die Hackert in seinen von Goethe
herausgegebnen Tagebüchern vom König von Neapel erzählt! Könnte ich nur alles
allein machen, seufzt Ferdinnud einmal; und in der That, meint Hackert, wenn
der König allein dirigirt, so geht es gut. Also Friedrich der Große konnte es
mit seinen sechs Millionen noch versuchen; aber Franz Josef mit seinen vierund-
vierzig Millionen unter so viel Verwickeltern Verhältnissen — nein, daran ist nicht
zu denken. Regieren kann heute — soweit nicht die Mühe dnrch Selbstregierung
erspart wird — nicht ein einzelner Mann, sondern nur eine bureaukratisch-konsti-
tutionelle Maschine, deren Gang durch Gruppen von Magnaten, Prälaten, Kom-
merzienräten, Börsenbaronen gelenkt wird. Versagen diese Herren den Dienst, so
steht der Regent seinen Völkern wie ein hilfloses Kind gegenüber. Er darf also


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[0656] Maßgebliches und Unmaßgebliches nicht alle ein, sondern nur sechs: zwei Bauern, zwei Domherren und zwei „Bürgcr- dcputirte" (Advokaten). Diese hatten die von Badeni redigirte Beschwerdeschrift contra, Badeni zu überreichen, worauf der Kaiser die ebenfalls von Badeni redigirte Antwort zu erteilen hatte, sodaß die ganze Audienz kaum drei Minuten dauerte. Der Kaiser nahm die durch den modernen Amtsstil vorgeschriebne Versicherung der Treue und Loyalität mit Befriedigung entgegen, sprach aber seinen Unwillen dar¬ über aus, daß soviel Leute nach Wien gereist seien in einer Angelegenheit, für die einige wenige genügt hätten, und daß sich soviel Geistliche beteiligten zu einer Zeit, wo der Fürstbischof Sembratoviez im eben empfangner Kardinalspurpnr in seine Residenz einziehe. (Ist das nicht eine famose Auffassung der staatsbürgerlichen Pflichten?) Die Beschwerden, versprach der Kaiser, würden geprüft werden; die, wie es scheint, „nicht ganz unbegründeten" Beschwerden, schreibt die Neue Freie Presse, nachdem die haarsträubenden Gewaltthaten ausführlich in einer Wiener Wochenschrift berichtet worden sind, der sonst in Preßsachen so schneidige Wiener Staatsanwalt aber nicht dagegen eingeschritten ist, ohne Zweifel doch nur durch die Erwägung abgehalten, daß man es um keinen Preis zu einer öffentlichen Ver¬ handlung der galizischen Wahlskandale vor Gericht kommen lassen dürfe. Und die Antisemiten, meint dieselbe Vertreterin des österreichischen Deutschtums, hätten die Rutheucu gegen das verehrungswürdige Poleuregiment aufgehetzt, während die Rc- gierungspresse, d. h. also jetzt die Polenprcsse, andeutet, das Geld zu der „Demon¬ stration" sei von Rußland gezahlt worden. Nicht der Mensch Franz Josef ist es, der diese Audienz erteilt hat, auch nicht der landesväterlich gesinnte Monarch. Der würde sich gefreut haben, die sämt¬ lichen 250 Mann einzulassen — sie konnten jn Filzschuhe über ihre Bauerustiefel bekommen, wie die Touristen, die sich den Weißen Saal in Berlin ansehen. Er würde ein paar Stunden nnter ihnen herumgegangen sein, mit jeden: über seine persönliche Lage und über die Verhältnisse des Laudes geplaudert und so ein Bild von der polnischen Adelsherrschaft gewonnen haben. Er hätte u. a. erfahren, daß ein Magnat seine Arbeiter den ganzen Sommer über mit einem selbstgefertigten Papiergelde bezahlt, das keine galizische Kasse, geschweige denn eine außergnlizische, nimmt. Und dann würde er die Leute in den Speisesaal geführt und ihnen ein Frühstück gegeben haben. Aber — armer Kaiser! — er darf nicht Mensch, nicht Landesvater sein. Der alte Fritze mit seiner übermenschlichen Energie durfte es noch versuchen, seine sechs Millionen Unterthanen selbst zu regieren, sich von ein¬ zelnen ihre Angelegenheiten vortragen zu lassen und mit dem Krückstock dreinzu- schlagen, wenn der zuständige Beamte seine Sache schlecht gemacht hatte. Es war doch hübsch, als die Unterthanen noch denken durften: erlange ich nur Zutritt zum König, so ist mir geholfen! Der Russe denkt noch heute so, nur daß der Himmel so hoch und der Zar so weit ist. Aber einzelnen glückts doch, besonders in einem kleinen Lande. Wie hübsch sind die Anekdoten, die Hackert in seinen von Goethe herausgegebnen Tagebüchern vom König von Neapel erzählt! Könnte ich nur alles allein machen, seufzt Ferdinnud einmal; und in der That, meint Hackert, wenn der König allein dirigirt, so geht es gut. Also Friedrich der Große konnte es mit seinen sechs Millionen noch versuchen; aber Franz Josef mit seinen vierund- vierzig Millionen unter so viel Verwickeltern Verhältnissen — nein, daran ist nicht zu denken. Regieren kann heute — soweit nicht die Mühe dnrch Selbstregierung erspart wird — nicht ein einzelner Mann, sondern nur eine bureaukratisch-konsti- tutionelle Maschine, deren Gang durch Gruppen von Magnaten, Prälaten, Kom- merzienräten, Börsenbaronen gelenkt wird. Versagen diese Herren den Dienst, so steht der Regent seinen Völkern wie ein hilfloses Kind gegenüber. Er darf also

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/656>, abgerufen am 20.06.2024.