Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

sein; fetter Boden, ausgetrocknete Herzen, klagt ein Pastor in Otto von Leixners
Romanzeitung. In einem Dorfe war ihm beim Amtsantritt gesagt worden,
er solle ja nicht über Themata predigen wie das vom reichen Mann und
dem armen Lazarus, so etwas könnten die "Herren" nicht vertragen.

In jener Gegend Niederschlesiens lebte der Geist des Deuterononiums noch.
Nicht in ganz Niederschlesien; in der Gegend von Liegnitz z. B. gab es sehr
reiche Dörfer, deren Bauern ihre Höfe jedem Armen verschlossen hielten und
sogar die beim Manöver einquartierten Soldaten schlecht behandelten. Sollten
sich die Ursachen solcher Verschiedenheiten des Volkscharakters in benachbarten
Gegenden nicht erforschen lassen? Geistlichen, die an verschiednen Orten sehr
lange Zeit thätig sind, müßte es wohl möglich sein. Ganz im alttestament-
lichen Sinne wurde in unsrer Gegend die Kirmes begangen. Die alten Tage¬
löhner und Tagelöhnerinnen -- dieser waren natürlich weit mehr als jener --
suchten alle Bauern, auch in den Nachbardörfern, heim, bei denen sie früher
einmal gearbeitet hatten, aßen und tranken sich voll und nahmen eine Bürde
voll Brot, Kuchen, Würsten und andern guten Dingen mit nach Hause. Jetzt
haben sie das ja nicht mehr nötig, da sie "Rentner" und "Rentnerinnen" ge¬
worden sind; aber wenn die Kirmesfahrten weggefallen sein sollten -- was
nur sehr wahrscheinlich ist, da die Herren Landräte jetzt wohl überall in
Schlesien die Kirmesfefte des Kreises in eine Woche zusammengelegt und sonst
möglichst beschränkt haben werden --> so zweifle ich, ob ihnen der heutige Zu¬
stand lieber ist als der frühere. Auch ist es fraglich, ob nicht das, was die
Leute bei der Kirmes und andern Gelegenheiten'^) an freiwilligen Gaben bezogen,
zusammen genommen so viel ausmacht wie das, was sie sich mit ihrer Rente
kaufen können.

Den Bettelarmen war es erlaubt, einmal in der Woche, am Sonnabend,
Gaben zu heischen. Ihre Zahl war nicht bedeutend, aber es schloß sich ihnen
ein langer Zug von Bettlern aus Goldberg an. Dieses reizend gelegne Städtchen
hatte bis in den Anfang unsers Jahrhunderts eine blühende Tuchindustrie ge¬
habt, die dann vom industriellen Umschwunge vernichtet worden war, und viele
der ums Brot gekommnen Familien hatten noch keinen ordentlichen Ersatz ge¬
funden. Da klapperten sie denn jeden Sonnabend die "lange Gasse" ab, eine
zusammenhängende Reihe stattlicher, wohlhabender Dörfer, deren letztes Harpers-
dvrf war. Die Obrigkeit fing damals an, das ungehörig zu finden. Mein



Solche andre Gelegenheiten waren namentlich die Schweinschlachtfcste. Dabei gingen
auch die Lehrer meistens nicht leer aus. Eine kostbare Wnrstgeschichte ereignete sich zu der Zeit,
wo ich noch in schönen war, in dem Dorfe Ncukirch. In dieser Wiege der schlesischen Refor¬
mation hatte sich wunderbarerweise noch eine zur Pfarrei Falkenhayn geschlagne katholische
Widmut erhalten, und weil sich im Lause der Zeit ein paar katholische Tagelöhner eingesunken
hatten, so gründete man bei der Neuordnung der "erloschnen" Parochieu eine katholische Schule
und setzte dem Lehrer aus dem Pfarreinwmmen eine magere Dotation aus. Ihr entsprach
die Linealgestalt des Lehrers, übrigens eines tüchtigen Mannes, um den es schade war, und
ein zahlreicher Kindersegen -- mehrere Jahre hindurch bestand seine "Klasse" ausschließlich
aus eignem Nachwuchs -- war nicht geeignet, seine andern beiden Dimensionen zu vergrößern.
Da war es nun ein Glück für ihn, daß sich der Baron seiner erbarmte und ihn auf dem
Schlosse ein paar Stunden geben ließ. Eines Tages wurde dort geschlachtet, und der Baron
ging in die Küche, die Geschenkportionen zu beschauen. Und der Teller da? fragte er weiter.
-- Für den katholischen Schulmeister. -- Der kriegt nichts, er hat fortschrittlich gewählt! Man
lebte nämlich in der Konfliktszeit. Das wurde im Dorfe bekannt, und nun schickten die sämt¬
lichen, natürlich protestantischen Bauern, die alle stramme Fortschrittler waren, dem katholischen
Schulmeister Würste und Speckseiten ins Haus; die Schulmeisterbubeu glaubten sich nach
Schlaraffia versetzt.

sein; fetter Boden, ausgetrocknete Herzen, klagt ein Pastor in Otto von Leixners
Romanzeitung. In einem Dorfe war ihm beim Amtsantritt gesagt worden,
er solle ja nicht über Themata predigen wie das vom reichen Mann und
dem armen Lazarus, so etwas könnten die „Herren" nicht vertragen.

In jener Gegend Niederschlesiens lebte der Geist des Deuterononiums noch.
Nicht in ganz Niederschlesien; in der Gegend von Liegnitz z. B. gab es sehr
reiche Dörfer, deren Bauern ihre Höfe jedem Armen verschlossen hielten und
sogar die beim Manöver einquartierten Soldaten schlecht behandelten. Sollten
sich die Ursachen solcher Verschiedenheiten des Volkscharakters in benachbarten
Gegenden nicht erforschen lassen? Geistlichen, die an verschiednen Orten sehr
lange Zeit thätig sind, müßte es wohl möglich sein. Ganz im alttestament-
lichen Sinne wurde in unsrer Gegend die Kirmes begangen. Die alten Tage¬
löhner und Tagelöhnerinnen — dieser waren natürlich weit mehr als jener —
suchten alle Bauern, auch in den Nachbardörfern, heim, bei denen sie früher
einmal gearbeitet hatten, aßen und tranken sich voll und nahmen eine Bürde
voll Brot, Kuchen, Würsten und andern guten Dingen mit nach Hause. Jetzt
haben sie das ja nicht mehr nötig, da sie „Rentner" und „Rentnerinnen" ge¬
worden sind; aber wenn die Kirmesfahrten weggefallen sein sollten — was
nur sehr wahrscheinlich ist, da die Herren Landräte jetzt wohl überall in
Schlesien die Kirmesfefte des Kreises in eine Woche zusammengelegt und sonst
möglichst beschränkt haben werden —> so zweifle ich, ob ihnen der heutige Zu¬
stand lieber ist als der frühere. Auch ist es fraglich, ob nicht das, was die
Leute bei der Kirmes und andern Gelegenheiten'^) an freiwilligen Gaben bezogen,
zusammen genommen so viel ausmacht wie das, was sie sich mit ihrer Rente
kaufen können.

Den Bettelarmen war es erlaubt, einmal in der Woche, am Sonnabend,
Gaben zu heischen. Ihre Zahl war nicht bedeutend, aber es schloß sich ihnen
ein langer Zug von Bettlern aus Goldberg an. Dieses reizend gelegne Städtchen
hatte bis in den Anfang unsers Jahrhunderts eine blühende Tuchindustrie ge¬
habt, die dann vom industriellen Umschwunge vernichtet worden war, und viele
der ums Brot gekommnen Familien hatten noch keinen ordentlichen Ersatz ge¬
funden. Da klapperten sie denn jeden Sonnabend die „lange Gasse" ab, eine
zusammenhängende Reihe stattlicher, wohlhabender Dörfer, deren letztes Harpers-
dvrf war. Die Obrigkeit fing damals an, das ungehörig zu finden. Mein



Solche andre Gelegenheiten waren namentlich die Schweinschlachtfcste. Dabei gingen
auch die Lehrer meistens nicht leer aus. Eine kostbare Wnrstgeschichte ereignete sich zu der Zeit,
wo ich noch in schönen war, in dem Dorfe Ncukirch. In dieser Wiege der schlesischen Refor¬
mation hatte sich wunderbarerweise noch eine zur Pfarrei Falkenhayn geschlagne katholische
Widmut erhalten, und weil sich im Lause der Zeit ein paar katholische Tagelöhner eingesunken
hatten, so gründete man bei der Neuordnung der „erloschnen" Parochieu eine katholische Schule
und setzte dem Lehrer aus dem Pfarreinwmmen eine magere Dotation aus. Ihr entsprach
die Linealgestalt des Lehrers, übrigens eines tüchtigen Mannes, um den es schade war, und
ein zahlreicher Kindersegen — mehrere Jahre hindurch bestand seine „Klasse" ausschließlich
aus eignem Nachwuchs — war nicht geeignet, seine andern beiden Dimensionen zu vergrößern.
Da war es nun ein Glück für ihn, daß sich der Baron seiner erbarmte und ihn auf dem
Schlosse ein paar Stunden geben ließ. Eines Tages wurde dort geschlachtet, und der Baron
ging in die Küche, die Geschenkportionen zu beschauen. Und der Teller da? fragte er weiter.
— Für den katholischen Schulmeister. — Der kriegt nichts, er hat fortschrittlich gewählt! Man
lebte nämlich in der Konfliktszeit. Das wurde im Dorfe bekannt, und nun schickten die sämt¬
lichen, natürlich protestantischen Bauern, die alle stramme Fortschrittler waren, dem katholischen
Schulmeister Würste und Speckseiten ins Haus; die Schulmeisterbubeu glaubten sich nach
Schlaraffia versetzt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0637" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221611"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2101" prev="#ID_2100"> sein; fetter Boden, ausgetrocknete Herzen, klagt ein Pastor in Otto von Leixners<lb/>
Romanzeitung. In einem Dorfe war ihm beim Amtsantritt gesagt worden,<lb/>
er solle ja nicht über Themata predigen wie das vom reichen Mann und<lb/>
dem armen Lazarus, so etwas könnten die &#x201E;Herren" nicht vertragen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2102"> In jener Gegend Niederschlesiens lebte der Geist des Deuterononiums noch.<lb/>
Nicht in ganz Niederschlesien; in der Gegend von Liegnitz z. B. gab es sehr<lb/>
reiche Dörfer, deren Bauern ihre Höfe jedem Armen verschlossen hielten und<lb/>
sogar die beim Manöver einquartierten Soldaten schlecht behandelten. Sollten<lb/>
sich die Ursachen solcher Verschiedenheiten des Volkscharakters in benachbarten<lb/>
Gegenden nicht erforschen lassen? Geistlichen, die an verschiednen Orten sehr<lb/>
lange Zeit thätig sind, müßte es wohl möglich sein. Ganz im alttestament-<lb/>
lichen Sinne wurde in unsrer Gegend die Kirmes begangen. Die alten Tage¬<lb/>
löhner und Tagelöhnerinnen &#x2014; dieser waren natürlich weit mehr als jener &#x2014;<lb/>
suchten alle Bauern, auch in den Nachbardörfern, heim, bei denen sie früher<lb/>
einmal gearbeitet hatten, aßen und tranken sich voll und nahmen eine Bürde<lb/>
voll Brot, Kuchen, Würsten und andern guten Dingen mit nach Hause. Jetzt<lb/>
haben sie das ja nicht mehr nötig, da sie &#x201E;Rentner" und &#x201E;Rentnerinnen" ge¬<lb/>
worden sind; aber wenn die Kirmesfahrten weggefallen sein sollten &#x2014; was<lb/>
nur sehr wahrscheinlich ist, da die Herren Landräte jetzt wohl überall in<lb/>
Schlesien die Kirmesfefte des Kreises in eine Woche zusammengelegt und sonst<lb/>
möglichst beschränkt haben werden &#x2014;&gt; so zweifle ich, ob ihnen der heutige Zu¬<lb/>
stand lieber ist als der frühere. Auch ist es fraglich, ob nicht das, was die<lb/>
Leute bei der Kirmes und andern Gelegenheiten'^) an freiwilligen Gaben bezogen,<lb/>
zusammen genommen so viel ausmacht wie das, was sie sich mit ihrer Rente<lb/>
kaufen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2103" next="#ID_2104"> Den Bettelarmen war es erlaubt, einmal in der Woche, am Sonnabend,<lb/>
Gaben zu heischen. Ihre Zahl war nicht bedeutend, aber es schloß sich ihnen<lb/>
ein langer Zug von Bettlern aus Goldberg an. Dieses reizend gelegne Städtchen<lb/>
hatte bis in den Anfang unsers Jahrhunderts eine blühende Tuchindustrie ge¬<lb/>
habt, die dann vom industriellen Umschwunge vernichtet worden war, und viele<lb/>
der ums Brot gekommnen Familien hatten noch keinen ordentlichen Ersatz ge¬<lb/>
funden. Da klapperten sie denn jeden Sonnabend die &#x201E;lange Gasse" ab, eine<lb/>
zusammenhängende Reihe stattlicher, wohlhabender Dörfer, deren letztes Harpers-<lb/>
dvrf war.  Die Obrigkeit fing damals an, das ungehörig zu finden. Mein</p><lb/>
          <note xml:id="FID_84" place="foot"> Solche andre Gelegenheiten waren namentlich die Schweinschlachtfcste. Dabei gingen<lb/>
auch die Lehrer meistens nicht leer aus. Eine kostbare Wnrstgeschichte ereignete sich zu der Zeit,<lb/>
wo ich noch in schönen war, in dem Dorfe Ncukirch. In dieser Wiege der schlesischen Refor¬<lb/>
mation hatte sich wunderbarerweise noch eine zur Pfarrei Falkenhayn geschlagne katholische<lb/>
Widmut erhalten, und weil sich im Lause der Zeit ein paar katholische Tagelöhner eingesunken<lb/>
hatten, so gründete man bei der Neuordnung der &#x201E;erloschnen" Parochieu eine katholische Schule<lb/>
und setzte dem Lehrer aus dem Pfarreinwmmen eine magere Dotation aus. Ihr entsprach<lb/>
die Linealgestalt des Lehrers, übrigens eines tüchtigen Mannes, um den es schade war, und<lb/>
ein zahlreicher Kindersegen &#x2014; mehrere Jahre hindurch bestand seine &#x201E;Klasse" ausschließlich<lb/>
aus eignem Nachwuchs &#x2014; war nicht geeignet, seine andern beiden Dimensionen zu vergrößern.<lb/>
Da war es nun ein Glück für ihn, daß sich der Baron seiner erbarmte und ihn auf dem<lb/>
Schlosse ein paar Stunden geben ließ. Eines Tages wurde dort geschlachtet, und der Baron<lb/>
ging in die Küche, die Geschenkportionen zu beschauen. Und der Teller da? fragte er weiter.<lb/>
&#x2014; Für den katholischen Schulmeister. &#x2014; Der kriegt nichts, er hat fortschrittlich gewählt! Man<lb/>
lebte nämlich in der Konfliktszeit. Das wurde im Dorfe bekannt, und nun schickten die sämt¬<lb/>
lichen, natürlich protestantischen Bauern, die alle stramme Fortschrittler waren, dem katholischen<lb/>
Schulmeister Würste und Speckseiten ins Haus; die Schulmeisterbubeu glaubten sich nach<lb/>
Schlaraffia versetzt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0637] sein; fetter Boden, ausgetrocknete Herzen, klagt ein Pastor in Otto von Leixners Romanzeitung. In einem Dorfe war ihm beim Amtsantritt gesagt worden, er solle ja nicht über Themata predigen wie das vom reichen Mann und dem armen Lazarus, so etwas könnten die „Herren" nicht vertragen. In jener Gegend Niederschlesiens lebte der Geist des Deuterononiums noch. Nicht in ganz Niederschlesien; in der Gegend von Liegnitz z. B. gab es sehr reiche Dörfer, deren Bauern ihre Höfe jedem Armen verschlossen hielten und sogar die beim Manöver einquartierten Soldaten schlecht behandelten. Sollten sich die Ursachen solcher Verschiedenheiten des Volkscharakters in benachbarten Gegenden nicht erforschen lassen? Geistlichen, die an verschiednen Orten sehr lange Zeit thätig sind, müßte es wohl möglich sein. Ganz im alttestament- lichen Sinne wurde in unsrer Gegend die Kirmes begangen. Die alten Tage¬ löhner und Tagelöhnerinnen — dieser waren natürlich weit mehr als jener — suchten alle Bauern, auch in den Nachbardörfern, heim, bei denen sie früher einmal gearbeitet hatten, aßen und tranken sich voll und nahmen eine Bürde voll Brot, Kuchen, Würsten und andern guten Dingen mit nach Hause. Jetzt haben sie das ja nicht mehr nötig, da sie „Rentner" und „Rentnerinnen" ge¬ worden sind; aber wenn die Kirmesfahrten weggefallen sein sollten — was nur sehr wahrscheinlich ist, da die Herren Landräte jetzt wohl überall in Schlesien die Kirmesfefte des Kreises in eine Woche zusammengelegt und sonst möglichst beschränkt haben werden —> so zweifle ich, ob ihnen der heutige Zu¬ stand lieber ist als der frühere. Auch ist es fraglich, ob nicht das, was die Leute bei der Kirmes und andern Gelegenheiten'^) an freiwilligen Gaben bezogen, zusammen genommen so viel ausmacht wie das, was sie sich mit ihrer Rente kaufen können. Den Bettelarmen war es erlaubt, einmal in der Woche, am Sonnabend, Gaben zu heischen. Ihre Zahl war nicht bedeutend, aber es schloß sich ihnen ein langer Zug von Bettlern aus Goldberg an. Dieses reizend gelegne Städtchen hatte bis in den Anfang unsers Jahrhunderts eine blühende Tuchindustrie ge¬ habt, die dann vom industriellen Umschwunge vernichtet worden war, und viele der ums Brot gekommnen Familien hatten noch keinen ordentlichen Ersatz ge¬ funden. Da klapperten sie denn jeden Sonnabend die „lange Gasse" ab, eine zusammenhängende Reihe stattlicher, wohlhabender Dörfer, deren letztes Harpers- dvrf war. Die Obrigkeit fing damals an, das ungehörig zu finden. Mein Solche andre Gelegenheiten waren namentlich die Schweinschlachtfcste. Dabei gingen auch die Lehrer meistens nicht leer aus. Eine kostbare Wnrstgeschichte ereignete sich zu der Zeit, wo ich noch in schönen war, in dem Dorfe Ncukirch. In dieser Wiege der schlesischen Refor¬ mation hatte sich wunderbarerweise noch eine zur Pfarrei Falkenhayn geschlagne katholische Widmut erhalten, und weil sich im Lause der Zeit ein paar katholische Tagelöhner eingesunken hatten, so gründete man bei der Neuordnung der „erloschnen" Parochieu eine katholische Schule und setzte dem Lehrer aus dem Pfarreinwmmen eine magere Dotation aus. Ihr entsprach die Linealgestalt des Lehrers, übrigens eines tüchtigen Mannes, um den es schade war, und ein zahlreicher Kindersegen — mehrere Jahre hindurch bestand seine „Klasse" ausschließlich aus eignem Nachwuchs — war nicht geeignet, seine andern beiden Dimensionen zu vergrößern. Da war es nun ein Glück für ihn, daß sich der Baron seiner erbarmte und ihn auf dem Schlosse ein paar Stunden geben ließ. Eines Tages wurde dort geschlachtet, und der Baron ging in die Küche, die Geschenkportionen zu beschauen. Und der Teller da? fragte er weiter. — Für den katholischen Schulmeister. — Der kriegt nichts, er hat fortschrittlich gewählt! Man lebte nämlich in der Konfliktszeit. Das wurde im Dorfe bekannt, und nun schickten die sämt¬ lichen, natürlich protestantischen Bauern, die alle stramme Fortschrittler waren, dem katholischen Schulmeister Würste und Speckseiten ins Haus; die Schulmeisterbubeu glaubten sich nach Schlaraffia versetzt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/637
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/637>, abgerufen am 24.07.2024.