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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Kessel bildete, in die das Petroleum aus deu hochstehenden Tanks einfach
durch einen Schlauch hineinfloß, und die gefüllt über den Ozean dampften und
ihre Ladung in die großen Tanks der Ankunftshäfen pumpten. Diese Be-
förderungsweise war eine mächtige Unterstützung der allergrößten Kapitalisten,
denn nur die reichsten Importeure konnten sich Flotten von solchen Dampfern
bauen, und zweitens eine sehr große Erschwerung aller Spekulation. Denn
man konnte Spekulntionsvl nun nicht mehr nach dem Inlande schicken,
sondern wenn die Termine herankamen und das Ol gekündigt wurde, mußte
man es immer an die zwei, drei Leute zurückverkaufen, die die Tankcmlagen,
die Flußschiffe usw. hatten. Der Versand in Fässern war von den Seeplätzen
aus nicht mehr konkurrenzfähig.

Es dauerte uicht lange, so waren in Bremen, Hamburg, Antwerpen,
Rotterdam die Petoleumbörsen völlig verödet. Dem Hauptgegner des Welt¬
monopols, der starken europäischen Spekulation, war das Rückgrat gebrochen.
Aber den paar überlebenden großen Firmen wurde sehr rasch vor ihrer Gott¬
ähnlichkeit bange, es wurde ihnen deutlicher und deutlicher, daß Amerika
eigentlich ein Mann sei. Noch kämpften da drüben einige Unabhängige, sie
hatten es auch schließlich gegen unglaubliche Manipulationen -- der Kampf
der Standard Oil Compagnie gegen die Tidewater Pipe Line verdiente
allein eine Monographie -- immer wieder fertig gebracht, eine eigne Röhren-
leitung nach der Küste zu legen; aber die Importeure sagte" sich doch schaudernd:
Was soll aus uns werden, ans unsern Millionen, die in den Dampfern stecken,
in den Tankdampfern, die sonst zu nichts anderm zu gebrauchen sind, wenn
die Standard Oil Compagnie eines Tages sich selber Tankdampfer und Tanks
u> den europäischen Häfen und Binnenplätzen baut?

Ob eine Drohung herübergelangt ist, weiß ich nicht. Aber eines schönen
Tages fuhr Herr Riedemaun nach Amerika. Es wurde die "Deutsch-Ameri¬
kanische Petroleum-Gesellschaft" in Bremen gegründet. Bald folgte die Ameri¬
kanische Petroleumgesellschaft in Rotterdam, dann die Ungko American Petroleum
Compagnie in London. Hamburg hat sich bis zuletzt gehalten, aber schließlich
mußte es sich auch auf Gnade oder Ungnade ergeben. Herr Sanders von
der Firma August Sanders u. Co. soll schon das erstemal mit Riedemann
w Southampton zusammengetroffen sein, als der nach Amerika ging. Er
scheint damals mit dem Bescheid zurückgekommen zu sein, daß mit ihm allein
Rockefeller nicht gedient wäre. Schließlich ist es ihm gelungen, auch das letzte
Petroleumhaus in Hamburg, G. I. H- Siemers u. Co., zum Anschluß zu über¬
reden, und nun wurden die beiden Firmen Sanders und Siemers von der
Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft, die ein eignes Komtoir in
Hamburg errichtete, zu dessen Leitung Riedemann seinen Wohnsitz nach Ham¬
burg verlegte, ausgesogen.

Dafür, daß sich Hamburg länger gesträubt hatte, und vielleicht auch


Das Petroleum

Kessel bildete, in die das Petroleum aus deu hochstehenden Tanks einfach
durch einen Schlauch hineinfloß, und die gefüllt über den Ozean dampften und
ihre Ladung in die großen Tanks der Ankunftshäfen pumpten. Diese Be-
förderungsweise war eine mächtige Unterstützung der allergrößten Kapitalisten,
denn nur die reichsten Importeure konnten sich Flotten von solchen Dampfern
bauen, und zweitens eine sehr große Erschwerung aller Spekulation. Denn
man konnte Spekulntionsvl nun nicht mehr nach dem Inlande schicken,
sondern wenn die Termine herankamen und das Ol gekündigt wurde, mußte
man es immer an die zwei, drei Leute zurückverkaufen, die die Tankcmlagen,
die Flußschiffe usw. hatten. Der Versand in Fässern war von den Seeplätzen
aus nicht mehr konkurrenzfähig.

Es dauerte uicht lange, so waren in Bremen, Hamburg, Antwerpen,
Rotterdam die Petoleumbörsen völlig verödet. Dem Hauptgegner des Welt¬
monopols, der starken europäischen Spekulation, war das Rückgrat gebrochen.
Aber den paar überlebenden großen Firmen wurde sehr rasch vor ihrer Gott¬
ähnlichkeit bange, es wurde ihnen deutlicher und deutlicher, daß Amerika
eigentlich ein Mann sei. Noch kämpften da drüben einige Unabhängige, sie
hatten es auch schließlich gegen unglaubliche Manipulationen — der Kampf
der Standard Oil Compagnie gegen die Tidewater Pipe Line verdiente
allein eine Monographie — immer wieder fertig gebracht, eine eigne Röhren-
leitung nach der Küste zu legen; aber die Importeure sagte» sich doch schaudernd:
Was soll aus uns werden, ans unsern Millionen, die in den Dampfern stecken,
in den Tankdampfern, die sonst zu nichts anderm zu gebrauchen sind, wenn
die Standard Oil Compagnie eines Tages sich selber Tankdampfer und Tanks
u> den europäischen Häfen und Binnenplätzen baut?

Ob eine Drohung herübergelangt ist, weiß ich nicht. Aber eines schönen
Tages fuhr Herr Riedemaun nach Amerika. Es wurde die „Deutsch-Ameri¬
kanische Petroleum-Gesellschaft" in Bremen gegründet. Bald folgte die Ameri¬
kanische Petroleumgesellschaft in Rotterdam, dann die Ungko American Petroleum
Compagnie in London. Hamburg hat sich bis zuletzt gehalten, aber schließlich
mußte es sich auch auf Gnade oder Ungnade ergeben. Herr Sanders von
der Firma August Sanders u. Co. soll schon das erstemal mit Riedemann
w Southampton zusammengetroffen sein, als der nach Amerika ging. Er
scheint damals mit dem Bescheid zurückgekommen zu sein, daß mit ihm allein
Rockefeller nicht gedient wäre. Schließlich ist es ihm gelungen, auch das letzte
Petroleumhaus in Hamburg, G. I. H- Siemers u. Co., zum Anschluß zu über¬
reden, und nun wurden die beiden Firmen Sanders und Siemers von der
Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft, die ein eignes Komtoir in
Hamburg errichtete, zu dessen Leitung Riedemann seinen Wohnsitz nach Ham¬
burg verlegte, ausgesogen.

Dafür, daß sich Hamburg länger gesträubt hatte, und vielleicht auch


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[0577] Das Petroleum Kessel bildete, in die das Petroleum aus deu hochstehenden Tanks einfach durch einen Schlauch hineinfloß, und die gefüllt über den Ozean dampften und ihre Ladung in die großen Tanks der Ankunftshäfen pumpten. Diese Be- förderungsweise war eine mächtige Unterstützung der allergrößten Kapitalisten, denn nur die reichsten Importeure konnten sich Flotten von solchen Dampfern bauen, und zweitens eine sehr große Erschwerung aller Spekulation. Denn man konnte Spekulntionsvl nun nicht mehr nach dem Inlande schicken, sondern wenn die Termine herankamen und das Ol gekündigt wurde, mußte man es immer an die zwei, drei Leute zurückverkaufen, die die Tankcmlagen, die Flußschiffe usw. hatten. Der Versand in Fässern war von den Seeplätzen aus nicht mehr konkurrenzfähig. Es dauerte uicht lange, so waren in Bremen, Hamburg, Antwerpen, Rotterdam die Petoleumbörsen völlig verödet. Dem Hauptgegner des Welt¬ monopols, der starken europäischen Spekulation, war das Rückgrat gebrochen. Aber den paar überlebenden großen Firmen wurde sehr rasch vor ihrer Gott¬ ähnlichkeit bange, es wurde ihnen deutlicher und deutlicher, daß Amerika eigentlich ein Mann sei. Noch kämpften da drüben einige Unabhängige, sie hatten es auch schließlich gegen unglaubliche Manipulationen — der Kampf der Standard Oil Compagnie gegen die Tidewater Pipe Line verdiente allein eine Monographie — immer wieder fertig gebracht, eine eigne Röhren- leitung nach der Küste zu legen; aber die Importeure sagte» sich doch schaudernd: Was soll aus uns werden, ans unsern Millionen, die in den Dampfern stecken, in den Tankdampfern, die sonst zu nichts anderm zu gebrauchen sind, wenn die Standard Oil Compagnie eines Tages sich selber Tankdampfer und Tanks u> den europäischen Häfen und Binnenplätzen baut? Ob eine Drohung herübergelangt ist, weiß ich nicht. Aber eines schönen Tages fuhr Herr Riedemaun nach Amerika. Es wurde die „Deutsch-Ameri¬ kanische Petroleum-Gesellschaft" in Bremen gegründet. Bald folgte die Ameri¬ kanische Petroleumgesellschaft in Rotterdam, dann die Ungko American Petroleum Compagnie in London. Hamburg hat sich bis zuletzt gehalten, aber schließlich mußte es sich auch auf Gnade oder Ungnade ergeben. Herr Sanders von der Firma August Sanders u. Co. soll schon das erstemal mit Riedemann w Southampton zusammengetroffen sein, als der nach Amerika ging. Er scheint damals mit dem Bescheid zurückgekommen zu sein, daß mit ihm allein Rockefeller nicht gedient wäre. Schließlich ist es ihm gelungen, auch das letzte Petroleumhaus in Hamburg, G. I. H- Siemers u. Co., zum Anschluß zu über¬ reden, und nun wurden die beiden Firmen Sanders und Siemers von der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft, die ein eignes Komtoir in Hamburg errichtete, zu dessen Leitung Riedemann seinen Wohnsitz nach Ham¬ burg verlegte, ausgesogen. Dafür, daß sich Hamburg länger gesträubt hatte, und vielleicht auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/577>, abgerufen am 29.06.2024.