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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

geschaft möglich. Was dem Laien also vielleicht als solider Betrieb erscheinen
wird: eine Ladung von fünftausend Fässern zu kaufen, zu warten, bis sie an¬
kommt, und sie bei oder nach Ankunft zu verkaufen, wäre eine ganz leichtsinnige
Haussennternehmung, denn war morgen Petroleum in Newyork um zehn Cent
billiger, so war es auch in der ganzen Welt -- dank den Kabeldcpeschen --
um diese zehn Cent billiger, und kein Mensch in Deutschland kaufte dem Be¬
sitzer der gestrigen fünftausend Fässer auch nur eines ab, wenn nicht auf
Grundlage der heutigen amerikanischen Offerten.

Das Teriningeschäft war also eine notwendige Einrichtung. Diese Ein¬
richtung entwickelte sich mit der Zeit mehr und mehr. Die Hauptaniunfte
von Petroleum drängen sich natürlich in die Sommermonate zusammen, ver¬
braucht aber wird es vorzüglich in den Wintermonaten. So entstanden
die Hauptdevisen August-Dezember und Januar-März, monatlich gleiches
Quantum. Um das Termingeschäft rasch auf den allerkürzesten Ausdruck zu
bringen, mußten diese unzähligen ganz gleichen Fässer, der Feuergefährlichkeit
wegen, nun auch auf einem und demselben Lager aufgespeichert werden. Alles
Petroleum lagerte im Petroleumhafen unter Wilh. A. Niedemann. Nehmen
wir nun einmal an, ein Importeur habe im April eine Mailadung von fünf¬
tausend Faß gekauft und dagegen je tausend Faß August-Dezember an vier
oder fünf Platzhündler verkauft. Jeder von den Händlern macht daraufhin,
sobald er einen kleinen Nutzen sieht, im deutschen Hinterlands und am Ham¬
burger Platze Abschlüsse auf August, auf September, auf Oktober, auf August-
Oktober, auf August-Dezember und so weiter, immer so, daß er nur mit
geringen Warenmengen selbst die Gefahr der weitern Schwankungen läuft.
So geht das Monate lang herüber und hinüber. Der Markt steigt und füllt,
alle Leute, die mit Petroleum zu thun haben, auch die in Berlin, in Magde¬
burg, in Dresden, in Halle, in Prag, wissen spätestens morgens um zehn Uhr,
was gestern Abend Petroleum in Newyork und was es heute Morgen in
Hamburg, Bremen, Antwerpen wert ist. Aus andre Ladungen hin werden
neue Geschäfte zwischen denselben Leuten oder andern auch wieder auf August-
Dezember gemacht. Im fallenden Markt verkauft der Importeur vielleicht
auf dieselbe Ladung hin nochmals ein paar tausend Fässer nur August, weil
er sich sagt, daß er bis September-Oktober noch rechtzeitig wieder neue Ware
anschaffen kann und so Lagerkosten spart. Im steigenden Markt kauft der
Importeur lieber von einem Grossisten, der etwas Ware übrig hat, zurück,
oder die Grossisten kaufen unter einander, wenn sie nach dem Inlands etwas
loswerden können, weil in Hamburg billiger zu kaufen ist, als man neue
Ware von Amerika beziehen kann, kurz: zur Versorgung von tausend großen
und kleinen über ganz Deutschland verstreuten Händlern wurden in Hamburg
unzählige Geschäfte wahrend des Sommers abgeschlossen.

Dem Lagerhalter würde es nun natürlich sehr angenehm gewesen sein,


Das Petroleum

geschaft möglich. Was dem Laien also vielleicht als solider Betrieb erscheinen
wird: eine Ladung von fünftausend Fässern zu kaufen, zu warten, bis sie an¬
kommt, und sie bei oder nach Ankunft zu verkaufen, wäre eine ganz leichtsinnige
Haussennternehmung, denn war morgen Petroleum in Newyork um zehn Cent
billiger, so war es auch in der ganzen Welt — dank den Kabeldcpeschen —
um diese zehn Cent billiger, und kein Mensch in Deutschland kaufte dem Be¬
sitzer der gestrigen fünftausend Fässer auch nur eines ab, wenn nicht auf
Grundlage der heutigen amerikanischen Offerten.

Das Teriningeschäft war also eine notwendige Einrichtung. Diese Ein¬
richtung entwickelte sich mit der Zeit mehr und mehr. Die Hauptaniunfte
von Petroleum drängen sich natürlich in die Sommermonate zusammen, ver¬
braucht aber wird es vorzüglich in den Wintermonaten. So entstanden
die Hauptdevisen August-Dezember und Januar-März, monatlich gleiches
Quantum. Um das Termingeschäft rasch auf den allerkürzesten Ausdruck zu
bringen, mußten diese unzähligen ganz gleichen Fässer, der Feuergefährlichkeit
wegen, nun auch auf einem und demselben Lager aufgespeichert werden. Alles
Petroleum lagerte im Petroleumhafen unter Wilh. A. Niedemann. Nehmen
wir nun einmal an, ein Importeur habe im April eine Mailadung von fünf¬
tausend Faß gekauft und dagegen je tausend Faß August-Dezember an vier
oder fünf Platzhündler verkauft. Jeder von den Händlern macht daraufhin,
sobald er einen kleinen Nutzen sieht, im deutschen Hinterlands und am Ham¬
burger Platze Abschlüsse auf August, auf September, auf Oktober, auf August-
Oktober, auf August-Dezember und so weiter, immer so, daß er nur mit
geringen Warenmengen selbst die Gefahr der weitern Schwankungen läuft.
So geht das Monate lang herüber und hinüber. Der Markt steigt und füllt,
alle Leute, die mit Petroleum zu thun haben, auch die in Berlin, in Magde¬
burg, in Dresden, in Halle, in Prag, wissen spätestens morgens um zehn Uhr,
was gestern Abend Petroleum in Newyork und was es heute Morgen in
Hamburg, Bremen, Antwerpen wert ist. Aus andre Ladungen hin werden
neue Geschäfte zwischen denselben Leuten oder andern auch wieder auf August-
Dezember gemacht. Im fallenden Markt verkauft der Importeur vielleicht
auf dieselbe Ladung hin nochmals ein paar tausend Fässer nur August, weil
er sich sagt, daß er bis September-Oktober noch rechtzeitig wieder neue Ware
anschaffen kann und so Lagerkosten spart. Im steigenden Markt kauft der
Importeur lieber von einem Grossisten, der etwas Ware übrig hat, zurück,
oder die Grossisten kaufen unter einander, wenn sie nach dem Inlands etwas
loswerden können, weil in Hamburg billiger zu kaufen ist, als man neue
Ware von Amerika beziehen kann, kurz: zur Versorgung von tausend großen
und kleinen über ganz Deutschland verstreuten Händlern wurden in Hamburg
unzählige Geschäfte wahrend des Sommers abgeschlossen.

Dem Lagerhalter würde es nun natürlich sehr angenehm gewesen sein,


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[0529] Das Petroleum geschaft möglich. Was dem Laien also vielleicht als solider Betrieb erscheinen wird: eine Ladung von fünftausend Fässern zu kaufen, zu warten, bis sie an¬ kommt, und sie bei oder nach Ankunft zu verkaufen, wäre eine ganz leichtsinnige Haussennternehmung, denn war morgen Petroleum in Newyork um zehn Cent billiger, so war es auch in der ganzen Welt — dank den Kabeldcpeschen — um diese zehn Cent billiger, und kein Mensch in Deutschland kaufte dem Be¬ sitzer der gestrigen fünftausend Fässer auch nur eines ab, wenn nicht auf Grundlage der heutigen amerikanischen Offerten. Das Teriningeschäft war also eine notwendige Einrichtung. Diese Ein¬ richtung entwickelte sich mit der Zeit mehr und mehr. Die Hauptaniunfte von Petroleum drängen sich natürlich in die Sommermonate zusammen, ver¬ braucht aber wird es vorzüglich in den Wintermonaten. So entstanden die Hauptdevisen August-Dezember und Januar-März, monatlich gleiches Quantum. Um das Termingeschäft rasch auf den allerkürzesten Ausdruck zu bringen, mußten diese unzähligen ganz gleichen Fässer, der Feuergefährlichkeit wegen, nun auch auf einem und demselben Lager aufgespeichert werden. Alles Petroleum lagerte im Petroleumhafen unter Wilh. A. Niedemann. Nehmen wir nun einmal an, ein Importeur habe im April eine Mailadung von fünf¬ tausend Faß gekauft und dagegen je tausend Faß August-Dezember an vier oder fünf Platzhündler verkauft. Jeder von den Händlern macht daraufhin, sobald er einen kleinen Nutzen sieht, im deutschen Hinterlands und am Ham¬ burger Platze Abschlüsse auf August, auf September, auf Oktober, auf August- Oktober, auf August-Dezember und so weiter, immer so, daß er nur mit geringen Warenmengen selbst die Gefahr der weitern Schwankungen läuft. So geht das Monate lang herüber und hinüber. Der Markt steigt und füllt, alle Leute, die mit Petroleum zu thun haben, auch die in Berlin, in Magde¬ burg, in Dresden, in Halle, in Prag, wissen spätestens morgens um zehn Uhr, was gestern Abend Petroleum in Newyork und was es heute Morgen in Hamburg, Bremen, Antwerpen wert ist. Aus andre Ladungen hin werden neue Geschäfte zwischen denselben Leuten oder andern auch wieder auf August- Dezember gemacht. Im fallenden Markt verkauft der Importeur vielleicht auf dieselbe Ladung hin nochmals ein paar tausend Fässer nur August, weil er sich sagt, daß er bis September-Oktober noch rechtzeitig wieder neue Ware anschaffen kann und so Lagerkosten spart. Im steigenden Markt kauft der Importeur lieber von einem Grossisten, der etwas Ware übrig hat, zurück, oder die Grossisten kaufen unter einander, wenn sie nach dem Inlands etwas loswerden können, weil in Hamburg billiger zu kaufen ist, als man neue Ware von Amerika beziehen kann, kurz: zur Versorgung von tausend großen und kleinen über ganz Deutschland verstreuten Händlern wurden in Hamburg unzählige Geschäfte wahrend des Sommers abgeschlossen. Dem Lagerhalter würde es nun natürlich sehr angenehm gewesen sein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/529>, abgerufen am 26.08.2024.