Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

werde, und daß bei Neubauten auf landwirtschaftlich benutzten Grundstücken
die vorgeschlagne Bestimmung ohne Bedeutung sein würde, weil der Preis
solcher Grundstücke durch Neubauten entweder gar nicht oder doch nur sehr
gering erhöht würde. Ein nach dem Bährschen Vorschlage ausgearbeitetes
Gesetz würde also auch nur unvollkommen sein und die Baugläubiger bei
städtischen Bauten einseitig begünstigen. Als ganz unannehmbar müßte aber
der Vorschlag bezeichnet werden, wenn, was Vcihr für selbstverständlich hält,
die Werterhöhung immer nur im Verhältnis zu dem Werte des Grundstücks
zu berechnen wäre, weil dann auch eine auf die leere Baustelle eingetragne
reelle und sichere Hypothek ganz oder teilweise verloren gehen könnte. Wenn
z. B. die Baustelle ohne Haus zu 10000 Mark, das darauf errichtete Ge¬
bäude zu 20000 Mark geschützt und beim Zwangsverkauf nur 24000 Mark
gelöst würden, so würden nach jener Berechnung auf die Bauhypothek 16000
Mark, auf die Grundstückshypothek nur 8000 Mark kommen, die letztere also,
die ohne Gebäude für ganz sicher anzusehen war, 2000 Mark verlieren. Würde
eine solche Berechnung gesetzlich vorgeschrieben, dann würde auf Grundstücke,
die möglicherweise als Baustellen benutzt werden könnten, schwerlich ein Dar¬
lehen zu erlangen sein.

Von den im Justizministerium aufgestellten fünf Gesetzentwürfen will der
erste bei Neubauten den innerhalb einer bestimmten Frist eingetragnen Forde¬
rungen der Baugläubiger vor den vorher eingetragnen Kanfgeldern insoweit
ein Vorrecht gewähren, als die Kaufgelder den reellen Wert der Baustelle über¬
steigen, ferner in gewissen Grenzen auch vor andern hypothekarischen Belastungen,
wenn der Gegenwert dafür nicht geleistet worden ist. Diese Vorschläge können
kaum befürwortet werden, weil sie dem Baugläubiger die Beweislast dafür auf¬
legen, inwieweit die vorher eingetragnen Kaufgelder deu reellen Wert der Bau¬
stelle übersteigen, also die Quelle unzähliger Prozesse sein würden.

Der zweite Entwurf will den Baugläubigern kein gesetzliches Vorrecht ein¬
räumen, sondern den Eigentümer der Baustelle nur zwingen, für die gesamten
Forderungen der Baugläubiger zur ersten Stelle eine Kautionshypothek ein¬
tragen zu lassen; vorher eingetragne Gläubiger, die der Kautioushypothek nicht
die Priorität einräumen wollen, sollen sich die Kündigung und Auszahlung
ihrer Forderungen gefallen lassen, und erst nach Beschaffung jener sichern
Kantionshypothek soll die baupolizeiliche Genehmigung erteilt werden dürfen.
Diese Borschlüge stehen im wesentlichen auf demselben Standpunkte wie die
des Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform, dürften sich also wohl ebenso
wenig für die Grundlage eines Gesetzes empfehlen.

Der dritte Entwurf will den Forderungen der Bauglänbiger ein gesetz¬
liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken in der Höhe der Wertvermeh-
ruug des Grundstücks durch den Bau einräumen, lehnt sich also an den Bähr¬
schen Vorschlag an.


werde, und daß bei Neubauten auf landwirtschaftlich benutzten Grundstücken
die vorgeschlagne Bestimmung ohne Bedeutung sein würde, weil der Preis
solcher Grundstücke durch Neubauten entweder gar nicht oder doch nur sehr
gering erhöht würde. Ein nach dem Bährschen Vorschlage ausgearbeitetes
Gesetz würde also auch nur unvollkommen sein und die Baugläubiger bei
städtischen Bauten einseitig begünstigen. Als ganz unannehmbar müßte aber
der Vorschlag bezeichnet werden, wenn, was Vcihr für selbstverständlich hält,
die Werterhöhung immer nur im Verhältnis zu dem Werte des Grundstücks
zu berechnen wäre, weil dann auch eine auf die leere Baustelle eingetragne
reelle und sichere Hypothek ganz oder teilweise verloren gehen könnte. Wenn
z. B. die Baustelle ohne Haus zu 10000 Mark, das darauf errichtete Ge¬
bäude zu 20000 Mark geschützt und beim Zwangsverkauf nur 24000 Mark
gelöst würden, so würden nach jener Berechnung auf die Bauhypothek 16000
Mark, auf die Grundstückshypothek nur 8000 Mark kommen, die letztere also,
die ohne Gebäude für ganz sicher anzusehen war, 2000 Mark verlieren. Würde
eine solche Berechnung gesetzlich vorgeschrieben, dann würde auf Grundstücke,
die möglicherweise als Baustellen benutzt werden könnten, schwerlich ein Dar¬
lehen zu erlangen sein.

Von den im Justizministerium aufgestellten fünf Gesetzentwürfen will der
erste bei Neubauten den innerhalb einer bestimmten Frist eingetragnen Forde¬
rungen der Baugläubiger vor den vorher eingetragnen Kanfgeldern insoweit
ein Vorrecht gewähren, als die Kaufgelder den reellen Wert der Baustelle über¬
steigen, ferner in gewissen Grenzen auch vor andern hypothekarischen Belastungen,
wenn der Gegenwert dafür nicht geleistet worden ist. Diese Vorschläge können
kaum befürwortet werden, weil sie dem Baugläubiger die Beweislast dafür auf¬
legen, inwieweit die vorher eingetragnen Kaufgelder deu reellen Wert der Bau¬
stelle übersteigen, also die Quelle unzähliger Prozesse sein würden.

Der zweite Entwurf will den Baugläubigern kein gesetzliches Vorrecht ein¬
räumen, sondern den Eigentümer der Baustelle nur zwingen, für die gesamten
Forderungen der Baugläubiger zur ersten Stelle eine Kautionshypothek ein¬
tragen zu lassen; vorher eingetragne Gläubiger, die der Kautioushypothek nicht
die Priorität einräumen wollen, sollen sich die Kündigung und Auszahlung
ihrer Forderungen gefallen lassen, und erst nach Beschaffung jener sichern
Kantionshypothek soll die baupolizeiliche Genehmigung erteilt werden dürfen.
Diese Borschlüge stehen im wesentlichen auf demselben Standpunkte wie die
des Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform, dürften sich also wohl ebenso
wenig für die Grundlage eines Gesetzes empfehlen.

Der dritte Entwurf will den Forderungen der Bauglänbiger ein gesetz¬
liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken in der Höhe der Wertvermeh-
ruug des Grundstücks durch den Bau einräumen, lehnt sich also an den Bähr¬
schen Vorschlag an.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221443"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1543" prev="#ID_1542"> werde, und daß bei Neubauten auf landwirtschaftlich benutzten Grundstücken<lb/>
die vorgeschlagne Bestimmung ohne Bedeutung sein würde, weil der Preis<lb/>
solcher Grundstücke durch Neubauten entweder gar nicht oder doch nur sehr<lb/>
gering erhöht würde. Ein nach dem Bährschen Vorschlage ausgearbeitetes<lb/>
Gesetz würde also auch nur unvollkommen sein und die Baugläubiger bei<lb/>
städtischen Bauten einseitig begünstigen. Als ganz unannehmbar müßte aber<lb/>
der Vorschlag bezeichnet werden, wenn, was Vcihr für selbstverständlich hält,<lb/>
die Werterhöhung immer nur im Verhältnis zu dem Werte des Grundstücks<lb/>
zu berechnen wäre, weil dann auch eine auf die leere Baustelle eingetragne<lb/>
reelle und sichere Hypothek ganz oder teilweise verloren gehen könnte. Wenn<lb/>
z. B. die Baustelle ohne Haus zu 10000 Mark, das darauf errichtete Ge¬<lb/>
bäude zu 20000 Mark geschützt und beim Zwangsverkauf nur 24000 Mark<lb/>
gelöst würden, so würden nach jener Berechnung auf die Bauhypothek 16000<lb/>
Mark, auf die Grundstückshypothek nur 8000 Mark kommen, die letztere also,<lb/>
die ohne Gebäude für ganz sicher anzusehen war, 2000 Mark verlieren. Würde<lb/>
eine solche Berechnung gesetzlich vorgeschrieben, dann würde auf Grundstücke,<lb/>
die möglicherweise als Baustellen benutzt werden könnten, schwerlich ein Dar¬<lb/>
lehen zu erlangen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1544"> Von den im Justizministerium aufgestellten fünf Gesetzentwürfen will der<lb/>
erste bei Neubauten den innerhalb einer bestimmten Frist eingetragnen Forde¬<lb/>
rungen der Baugläubiger vor den vorher eingetragnen Kanfgeldern insoweit<lb/>
ein Vorrecht gewähren, als die Kaufgelder den reellen Wert der Baustelle über¬<lb/>
steigen, ferner in gewissen Grenzen auch vor andern hypothekarischen Belastungen,<lb/>
wenn der Gegenwert dafür nicht geleistet worden ist. Diese Vorschläge können<lb/>
kaum befürwortet werden, weil sie dem Baugläubiger die Beweislast dafür auf¬<lb/>
legen, inwieweit die vorher eingetragnen Kaufgelder deu reellen Wert der Bau¬<lb/>
stelle übersteigen, also die Quelle unzähliger Prozesse sein würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1545"> Der zweite Entwurf will den Baugläubigern kein gesetzliches Vorrecht ein¬<lb/>
räumen, sondern den Eigentümer der Baustelle nur zwingen, für die gesamten<lb/>
Forderungen der Baugläubiger zur ersten Stelle eine Kautionshypothek ein¬<lb/>
tragen zu lassen; vorher eingetragne Gläubiger, die der Kautioushypothek nicht<lb/>
die Priorität einräumen wollen, sollen sich die Kündigung und Auszahlung<lb/>
ihrer Forderungen gefallen lassen, und erst nach Beschaffung jener sichern<lb/>
Kantionshypothek soll die baupolizeiliche Genehmigung erteilt werden dürfen.<lb/>
Diese Borschlüge stehen im wesentlichen auf demselben Standpunkte wie die<lb/>
des Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform, dürften sich also wohl ebenso<lb/>
wenig für die Grundlage eines Gesetzes empfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1546"> Der dritte Entwurf will den Forderungen der Bauglänbiger ein gesetz¬<lb/>
liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken in der Höhe der Wertvermeh-<lb/>
ruug des Grundstücks durch den Bau einräumen, lehnt sich also an den Bähr¬<lb/>
schen Vorschlag an.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] werde, und daß bei Neubauten auf landwirtschaftlich benutzten Grundstücken die vorgeschlagne Bestimmung ohne Bedeutung sein würde, weil der Preis solcher Grundstücke durch Neubauten entweder gar nicht oder doch nur sehr gering erhöht würde. Ein nach dem Bährschen Vorschlage ausgearbeitetes Gesetz würde also auch nur unvollkommen sein und die Baugläubiger bei städtischen Bauten einseitig begünstigen. Als ganz unannehmbar müßte aber der Vorschlag bezeichnet werden, wenn, was Vcihr für selbstverständlich hält, die Werterhöhung immer nur im Verhältnis zu dem Werte des Grundstücks zu berechnen wäre, weil dann auch eine auf die leere Baustelle eingetragne reelle und sichere Hypothek ganz oder teilweise verloren gehen könnte. Wenn z. B. die Baustelle ohne Haus zu 10000 Mark, das darauf errichtete Ge¬ bäude zu 20000 Mark geschützt und beim Zwangsverkauf nur 24000 Mark gelöst würden, so würden nach jener Berechnung auf die Bauhypothek 16000 Mark, auf die Grundstückshypothek nur 8000 Mark kommen, die letztere also, die ohne Gebäude für ganz sicher anzusehen war, 2000 Mark verlieren. Würde eine solche Berechnung gesetzlich vorgeschrieben, dann würde auf Grundstücke, die möglicherweise als Baustellen benutzt werden könnten, schwerlich ein Dar¬ lehen zu erlangen sein. Von den im Justizministerium aufgestellten fünf Gesetzentwürfen will der erste bei Neubauten den innerhalb einer bestimmten Frist eingetragnen Forde¬ rungen der Baugläubiger vor den vorher eingetragnen Kanfgeldern insoweit ein Vorrecht gewähren, als die Kaufgelder den reellen Wert der Baustelle über¬ steigen, ferner in gewissen Grenzen auch vor andern hypothekarischen Belastungen, wenn der Gegenwert dafür nicht geleistet worden ist. Diese Vorschläge können kaum befürwortet werden, weil sie dem Baugläubiger die Beweislast dafür auf¬ legen, inwieweit die vorher eingetragnen Kaufgelder deu reellen Wert der Bau¬ stelle übersteigen, also die Quelle unzähliger Prozesse sein würden. Der zweite Entwurf will den Baugläubigern kein gesetzliches Vorrecht ein¬ räumen, sondern den Eigentümer der Baustelle nur zwingen, für die gesamten Forderungen der Baugläubiger zur ersten Stelle eine Kautionshypothek ein¬ tragen zu lassen; vorher eingetragne Gläubiger, die der Kautioushypothek nicht die Priorität einräumen wollen, sollen sich die Kündigung und Auszahlung ihrer Forderungen gefallen lassen, und erst nach Beschaffung jener sichern Kantionshypothek soll die baupolizeiliche Genehmigung erteilt werden dürfen. Diese Borschlüge stehen im wesentlichen auf demselben Standpunkte wie die des Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform, dürften sich also wohl ebenso wenig für die Grundlage eines Gesetzes empfehlen. Der dritte Entwurf will den Forderungen der Bauglänbiger ein gesetz¬ liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken in der Höhe der Wertvermeh- ruug des Grundstücks durch den Bau einräumen, lehnt sich also an den Bähr¬ schen Vorschlag an.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/469>, abgerufen am 03.07.2024.