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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zum Schutze der Bmchandwerker

daß das solide Baugewerbe keinen weitern Schutz brauche als den, der ihm durch
das geltende preußische Recht gewährt sei und auch künftig durch das bürger¬
liche Gesetzbuch gewährt werden würde, vorausgesetzt, daß von dem gegebnen
Schutzmittel rechtzeitig und energisch Gebrauch gemacht werde, woran es bisher
in Preußen vielfach gefehlt zu haben scheine. Von einem so versteinerten und
deshalb ratlosem juristischen Standpunkt würden die Bauglüubiger allerdings
keine Hilfe zu erwarten haben. Der Regiernngskommissar befand sich auch
im Widerspruch mit einer Äußerung des preußischen Justizministers, der in
seinen Bemerkungen über die in dein Rundschreiben des Reichskanzlers vom
27. Juli 1889 hervorgehobnen Punkte unter anderm sagt, die Annahme, daß
von dem in Preußen geltenden Pfandrechtstitel (wenn er Neichsgesetz würde)
selten Gebrauch gemacht werden würde, erscheine unzutreffend und werde durch
die in Preußen gemachten Erfahrungen nicht bestätigt. Erfreulicherweise werden
in neuerer Zeit im preußischen Justizministerium andre Ansichten vertreten,
denn nach den weitern Mitteilungen in dem Berichte vom 14. Juni 1895 sind
fünf verschiedne Gesetzentwürfe aufgestellt worden, in denen der Versuch gemacht
wird, den Klagen der Bauglüubiger auf dem Gebiete des dinglichen Rechts
abzuhelfen. Noch wichtiger ist der Inhalt der Hcrrenhausverhandlung vom
27. März 1895. In dieser wurde von der Kommission für Justizangelegen¬
heiten über die dem Herrenhause überreichte Petition Ur. 51 des Dr. Stolp
um Erlaß gesetzlicher Bestimmungen zum Rechtsschutz der Bauhandwerker
Bericht erstattet. Die Kommission beantragte Übergang zur Tagesordnung.
Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt und auf Antrag des Dr. Dernburg be¬
schlossen, die Petition der königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu
überweisen. Das Wichtigste in der Debatte war, daß der Justizminister er¬
klärte, die angeregte Frage werde nicht ruhen, weder bei der preußischen Re¬
gierung, noch bei der Reichsregierung, es werde vielmehr mit allen Kräften
dahin gestrebt werden, ein Mittel zu finden, das die Interessen der Bauhand¬
werker zu schützen geeignet wäre. Ein im Reichstage von dem Abgeordneten
I)r. König gestellter Antrag vom 5. Dezember 1394, worin ebenfalls ein gesetz¬
liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken für die Baugläubiger verlangt
wird, ist im Reichstage nicht zur Verhandlung gekommen.

Nach der bisherigen Darstellung wird man sagen können, daß sich die
Angelegenheit in einem Zustande der Gärung befindet, und es wird nunmehr
darauf ankommen, die bisherigen Vorschläge zu prüfen und, soweit sie nicht
annehmbar erscheinen, weitere Vorschläge für die Lösung der Aufgabe der all¬
gemeinen Kritik zu unterbreiten.

Am weitesten geht die Petition des Schlvssermeisters Haase vom 10. Fe¬
bruar 1893; sie verlangt Gesetzesbestimmungen, durch die allen bei einem
Neubau beschäftigten Lieferanten, Handwerkern und Arbeitern für die aus ihren
Lieferungen und Arbeiten entstehenden Forderungen vor allen andern Hypo-


Zum Schutze der Bmchandwerker

daß das solide Baugewerbe keinen weitern Schutz brauche als den, der ihm durch
das geltende preußische Recht gewährt sei und auch künftig durch das bürger¬
liche Gesetzbuch gewährt werden würde, vorausgesetzt, daß von dem gegebnen
Schutzmittel rechtzeitig und energisch Gebrauch gemacht werde, woran es bisher
in Preußen vielfach gefehlt zu haben scheine. Von einem so versteinerten und
deshalb ratlosem juristischen Standpunkt würden die Bauglüubiger allerdings
keine Hilfe zu erwarten haben. Der Regiernngskommissar befand sich auch
im Widerspruch mit einer Äußerung des preußischen Justizministers, der in
seinen Bemerkungen über die in dein Rundschreiben des Reichskanzlers vom
27. Juli 1889 hervorgehobnen Punkte unter anderm sagt, die Annahme, daß
von dem in Preußen geltenden Pfandrechtstitel (wenn er Neichsgesetz würde)
selten Gebrauch gemacht werden würde, erscheine unzutreffend und werde durch
die in Preußen gemachten Erfahrungen nicht bestätigt. Erfreulicherweise werden
in neuerer Zeit im preußischen Justizministerium andre Ansichten vertreten,
denn nach den weitern Mitteilungen in dem Berichte vom 14. Juni 1895 sind
fünf verschiedne Gesetzentwürfe aufgestellt worden, in denen der Versuch gemacht
wird, den Klagen der Bauglüubiger auf dem Gebiete des dinglichen Rechts
abzuhelfen. Noch wichtiger ist der Inhalt der Hcrrenhausverhandlung vom
27. März 1895. In dieser wurde von der Kommission für Justizangelegen¬
heiten über die dem Herrenhause überreichte Petition Ur. 51 des Dr. Stolp
um Erlaß gesetzlicher Bestimmungen zum Rechtsschutz der Bauhandwerker
Bericht erstattet. Die Kommission beantragte Übergang zur Tagesordnung.
Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt und auf Antrag des Dr. Dernburg be¬
schlossen, die Petition der königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu
überweisen. Das Wichtigste in der Debatte war, daß der Justizminister er¬
klärte, die angeregte Frage werde nicht ruhen, weder bei der preußischen Re¬
gierung, noch bei der Reichsregierung, es werde vielmehr mit allen Kräften
dahin gestrebt werden, ein Mittel zu finden, das die Interessen der Bauhand¬
werker zu schützen geeignet wäre. Ein im Reichstage von dem Abgeordneten
I)r. König gestellter Antrag vom 5. Dezember 1394, worin ebenfalls ein gesetz¬
liches Vorrecht vor den eingetragnen Hypotheken für die Baugläubiger verlangt
wird, ist im Reichstage nicht zur Verhandlung gekommen.

Nach der bisherigen Darstellung wird man sagen können, daß sich die
Angelegenheit in einem Zustande der Gärung befindet, und es wird nunmehr
darauf ankommen, die bisherigen Vorschläge zu prüfen und, soweit sie nicht
annehmbar erscheinen, weitere Vorschläge für die Lösung der Aufgabe der all¬
gemeinen Kritik zu unterbreiten.

Am weitesten geht die Petition des Schlvssermeisters Haase vom 10. Fe¬
bruar 1893; sie verlangt Gesetzesbestimmungen, durch die allen bei einem
Neubau beschäftigten Lieferanten, Handwerkern und Arbeitern für die aus ihren
Lieferungen und Arbeiten entstehenden Forderungen vor allen andern Hypo-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/466>, abgerufen am 24.07.2024.