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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zum Schutze der Baichandmerker

verhaftet, und wenn es schließlich zum Zwangsverkauf kommt, erlangt der
Gläubiger der Nestkaufgelder in den meisten Fällen volle Befriedigung, weil
der Wert der Baustelle durch den aufgeführten Bau erhöht worden ist, während
der Bauunternehmer und die beim Ban beteiligt gewesenen Handwerker, Ar¬
beiter und Lieferanten, also die Baugläubiger, die durch ihre Leistungen erst
den höhern Wert des Vaugrundstucks geschaffen haben, leer ausgehen. Nicht
selten geschieht es auch, daß vor oder gleich beim Beginn des Baues auf das
Baugrundstück ein Darlehen in solcher Höhe hypothekarisch eingetragen wird,
daß die Deckung und Sicherheit dafür nicht bloß in dem Werte der Baustelle,
sondern auch, und zwar zum größten Teil, in dem Werte des noch gar nicht
vorhandnen Gebäudes gesucht wird, und daß bei einem Zwangsverkauf auch
in einem solchen Falle die Baugläubiger (Bauunternehmer, Handwerker, Ar¬
beiter, Lieferanten) in der Regel nichts oder nur wenig erhalten, während jene
Hypothek, auf die nicht einmal volle Valuta gegeben worden ist, befriedigt wird.

Aus solchen allgemein bekannten und leider nur zu zahlreichen Vorkomm¬
nissen geht hervor, daß die in Preußen geltende Hypothekengesetzgebnng die
Möglichkeit zu solchen Bauschwindeleien selbst an die Hand giebt, und es wird
keiner weitern Darlegung bedürfen, daß eine Gesetzgebung, die in so empörender
Weise mißbraucht werden kann, in hohem Grade mangelhaft und der Er¬
gänzung dringend bedürftig ist.

Diese in den beteiligten Geschäfts- und Arbeiterkreisen weit verbreitete
Überzeugung hat denn auch dazu geführt, daß wiederholt an das preußische
Abgeordnetenhaus Petitionen gerichtet worden sind, in denen in verschiednen
Umfange ein Prioritätspfaudrccht an den Baugrundstücken für die Baugläubiger
verlangt wurde. Die ersten derartigen Petitionen, die des Dr. Hermann Stvlp
in Charlottenburg vom 29. Januar und 6. April und des Vorstandes des
Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform vom 19. Mai 1892, wurden in der
vierten Session der siebzehnten Legislaturperiode der Justizkommission zur
Berichterstattung überwiesen. Der von dieser Kommission unterm 16. Juni
1892 erstattete Bericht, worin motivirte Tagesordnung beantragt wurde, kam
aber wegen Schluß des Landtags im Plenum des Abgeordnetenhauses nicht
mehr zur Verhandlung. Die Kommission begnügte sich damit, die Erwartung
auszusprechen, daß die preußische Staatsregierung dahin wirken werde, daß
eine gleiche Bestimmung, wie solche der Paragraph 972 des Allgemeinen Land¬
rechts enthält, in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werde, und nahm
außerdem darauf Bezug, daß schon von der königlichen Staatsregierung eine
Reform der Wuchergesetzgebung, mit besondrer Berücksichtigung des Grundstücks¬
und Banstellenwuchers, erwogen werde. Daß dieser Kommissionsantrag im
Plenum nicht angenommen wurde, braucht nicht beklagt zu werden, weil damit
die Sache keinen Schritt weitergekommen wäre. Denn das in Preußen dem
Werkmeister schon jetzt zustehende Recht, seine Forderung auf das Baugrund-


Zum Schutze der Baichandmerker

verhaftet, und wenn es schließlich zum Zwangsverkauf kommt, erlangt der
Gläubiger der Nestkaufgelder in den meisten Fällen volle Befriedigung, weil
der Wert der Baustelle durch den aufgeführten Bau erhöht worden ist, während
der Bauunternehmer und die beim Ban beteiligt gewesenen Handwerker, Ar¬
beiter und Lieferanten, also die Baugläubiger, die durch ihre Leistungen erst
den höhern Wert des Vaugrundstucks geschaffen haben, leer ausgehen. Nicht
selten geschieht es auch, daß vor oder gleich beim Beginn des Baues auf das
Baugrundstück ein Darlehen in solcher Höhe hypothekarisch eingetragen wird,
daß die Deckung und Sicherheit dafür nicht bloß in dem Werte der Baustelle,
sondern auch, und zwar zum größten Teil, in dem Werte des noch gar nicht
vorhandnen Gebäudes gesucht wird, und daß bei einem Zwangsverkauf auch
in einem solchen Falle die Baugläubiger (Bauunternehmer, Handwerker, Ar¬
beiter, Lieferanten) in der Regel nichts oder nur wenig erhalten, während jene
Hypothek, auf die nicht einmal volle Valuta gegeben worden ist, befriedigt wird.

Aus solchen allgemein bekannten und leider nur zu zahlreichen Vorkomm¬
nissen geht hervor, daß die in Preußen geltende Hypothekengesetzgebnng die
Möglichkeit zu solchen Bauschwindeleien selbst an die Hand giebt, und es wird
keiner weitern Darlegung bedürfen, daß eine Gesetzgebung, die in so empörender
Weise mißbraucht werden kann, in hohem Grade mangelhaft und der Er¬
gänzung dringend bedürftig ist.

Diese in den beteiligten Geschäfts- und Arbeiterkreisen weit verbreitete
Überzeugung hat denn auch dazu geführt, daß wiederholt an das preußische
Abgeordnetenhaus Petitionen gerichtet worden sind, in denen in verschiednen
Umfange ein Prioritätspfaudrccht an den Baugrundstücken für die Baugläubiger
verlangt wurde. Die ersten derartigen Petitionen, die des Dr. Hermann Stvlp
in Charlottenburg vom 29. Januar und 6. April und des Vorstandes des
Deutschen Bundes für Bodenbesitzreform vom 19. Mai 1892, wurden in der
vierten Session der siebzehnten Legislaturperiode der Justizkommission zur
Berichterstattung überwiesen. Der von dieser Kommission unterm 16. Juni
1892 erstattete Bericht, worin motivirte Tagesordnung beantragt wurde, kam
aber wegen Schluß des Landtags im Plenum des Abgeordnetenhauses nicht
mehr zur Verhandlung. Die Kommission begnügte sich damit, die Erwartung
auszusprechen, daß die preußische Staatsregierung dahin wirken werde, daß
eine gleiche Bestimmung, wie solche der Paragraph 972 des Allgemeinen Land¬
rechts enthält, in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werde, und nahm
außerdem darauf Bezug, daß schon von der königlichen Staatsregierung eine
Reform der Wuchergesetzgebung, mit besondrer Berücksichtigung des Grundstücks¬
und Banstellenwuchers, erwogen werde. Daß dieser Kommissionsantrag im
Plenum nicht angenommen wurde, braucht nicht beklagt zu werden, weil damit
die Sache keinen Schritt weitergekommen wäre. Denn das in Preußen dem
Werkmeister schon jetzt zustehende Recht, seine Forderung auf das Baugrund-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/464>, abgerufen am 04.07.2024.