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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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zu stürmen und zu drängen anfinge nach dieser langen Zeit geduldigen Friedens¬
dienstes und seine Fahnen entfaltet sehen wollte zum Ruhme und zur Mehrung
des Reichs, es wäre wahrlich kein Wunder. Aber immer wieder nörgelnd die
Stimme erheben, um über die Lasten zu schimpfen, die für Heer und Marine
zu tragen find, ist das deutsch? Jämmerlich ist es. Unsre Pflicht ist, alles
zu thun, was wir können, zum Ausbau unsrer Marine.

Es ist das Verdienst des Wislieenusschen Werkes, daß es uns das zeigt,
und wir danken ihm dafür. Es soll uns nicht nur Freude an dem erwecken,
was Nur schon haben, sondern das Verständnis für das, was noch notthnt,
und das ist sehr viel mehr.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Preußische Volksschulfragen.

Die frühern stürmischen Klagen des nun¬
mehr längst gezähmten Liberalismus über die Herrschaft der Kirche in der Volks¬
schule haben sich auf ein leises Wimmern herabgestimmt. Oster als sonst hat mau
in den letzten Wochen dieses Wimmern vernommen, und es kann nicht geleugnet
merdeu, daß Ursachen genug dafür vorliege". Zwar die evangelischen Volksschulen
konnten nicht wohl stärker klerikalisirt werden, als sie es immer, auch unter und
nach Falk, gewesen waren, aber auch den Wünschen der katholischen Geistlichkeit
wird jetzt in weiteren Umfange als früher Rechnung getragen, die Zahl der geist¬
lichen Inspektionen ist bei den Katholiken in den letzten drei Jahren von 576V
auf 7077 gestiegen. Geschieht den Herren schon recht! Wir haben es ihnen bei
ihrem Triumphgeschrei über den gestürzten Zedlitz gesagt, daß sie nnr den Teufel
durch Beelzebub ausgetrieben, statt eines sehr annehmbaren gesetzlichen Zustands
die Negieruugswillkür gewählt haben, die in Preußen gar nicht daran denkt, ins
liberale Fahrwasser einzulenken. Die Hauptleidtragenden bei diesem verunglückten
Triumphfeste sind die Lehrer, die immer noch auf ein Dotationsgesetz warten
müssen. Jetzt soll es ja nun endlich zu etwas ähnlichem kommen, aber da pro-
testirt auch schon die Kreuzzeitung. Ein nltramontanes Blatt meint, für die müsse
es ja freilich eine Kleinigkeit sein, auf 540 Mark Jahreseinkommen einen Hans¬
haltsetat zu banen, sie brauche ja bloß deu Hammersteinschen zum Muster zu nehmen.
Drei Millionen hat der Minister schon seit ein paar Jahren versprochen, hat sich
aber noch eine halbe abhandeln lassen und stellt jetzt 2Vz Millionen in Aussicht.
Damit, berechnet I. Teos*) in Ur. 8 der Sozialen Praxis, könnten die Einkommen
der 19 000 Lehrer und 3400 Lehrerinnen, die weniger als 800 Mark beziehen,
auf diese Summe gebracht werden. Die Mittel zur Ausführung seiner sonstigen
Pläne: Erhöhung des Grundgehalts auf 900 Mark und Altersznlagen in solchem
Betrage, daß nach 31 Dienstjahren ein Einkommen von 1620 Mark erreicht wird,
gedenkt der Minister dem Fonds für Beihilfen an Schulverbände zu entnehme",



Der Mann ist Generalsekretär der Gesellschaft für Volksbildung.

zu stürmen und zu drängen anfinge nach dieser langen Zeit geduldigen Friedens¬
dienstes und seine Fahnen entfaltet sehen wollte zum Ruhme und zur Mehrung
des Reichs, es wäre wahrlich kein Wunder. Aber immer wieder nörgelnd die
Stimme erheben, um über die Lasten zu schimpfen, die für Heer und Marine
zu tragen find, ist das deutsch? Jämmerlich ist es. Unsre Pflicht ist, alles
zu thun, was wir können, zum Ausbau unsrer Marine.

Es ist das Verdienst des Wislieenusschen Werkes, daß es uns das zeigt,
und wir danken ihm dafür. Es soll uns nicht nur Freude an dem erwecken,
was Nur schon haben, sondern das Verständnis für das, was noch notthnt,
und das ist sehr viel mehr.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Preußische Volksschulfragen.

Die frühern stürmischen Klagen des nun¬
mehr längst gezähmten Liberalismus über die Herrschaft der Kirche in der Volks¬
schule haben sich auf ein leises Wimmern herabgestimmt. Oster als sonst hat mau
in den letzten Wochen dieses Wimmern vernommen, und es kann nicht geleugnet
merdeu, daß Ursachen genug dafür vorliege». Zwar die evangelischen Volksschulen
konnten nicht wohl stärker klerikalisirt werden, als sie es immer, auch unter und
nach Falk, gewesen waren, aber auch den Wünschen der katholischen Geistlichkeit
wird jetzt in weiteren Umfange als früher Rechnung getragen, die Zahl der geist¬
lichen Inspektionen ist bei den Katholiken in den letzten drei Jahren von 576V
auf 7077 gestiegen. Geschieht den Herren schon recht! Wir haben es ihnen bei
ihrem Triumphgeschrei über den gestürzten Zedlitz gesagt, daß sie nnr den Teufel
durch Beelzebub ausgetrieben, statt eines sehr annehmbaren gesetzlichen Zustands
die Negieruugswillkür gewählt haben, die in Preußen gar nicht daran denkt, ins
liberale Fahrwasser einzulenken. Die Hauptleidtragenden bei diesem verunglückten
Triumphfeste sind die Lehrer, die immer noch auf ein Dotationsgesetz warten
müssen. Jetzt soll es ja nun endlich zu etwas ähnlichem kommen, aber da pro-
testirt auch schon die Kreuzzeitung. Ein nltramontanes Blatt meint, für die müsse
es ja freilich eine Kleinigkeit sein, auf 540 Mark Jahreseinkommen einen Hans¬
haltsetat zu banen, sie brauche ja bloß deu Hammersteinschen zum Muster zu nehmen.
Drei Millionen hat der Minister schon seit ein paar Jahren versprochen, hat sich
aber noch eine halbe abhandeln lassen und stellt jetzt 2Vz Millionen in Aussicht.
Damit, berechnet I. Teos*) in Ur. 8 der Sozialen Praxis, könnten die Einkommen
der 19 000 Lehrer und 3400 Lehrerinnen, die weniger als 800 Mark beziehen,
auf diese Summe gebracht werden. Die Mittel zur Ausführung seiner sonstigen
Pläne: Erhöhung des Grundgehalts auf 900 Mark und Altersznlagen in solchem
Betrage, daß nach 31 Dienstjahren ein Einkommen von 1620 Mark erreicht wird,
gedenkt der Minister dem Fonds für Beihilfen an Schulverbände zu entnehme»,



Der Mann ist Generalsekretär der Gesellschaft für Volksbildung.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/450>, abgerufen am 25.07.2024.