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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch

an solchen Vorschriften, wie z. B. für die Versicherungsgesellschaften. Dann
können sie die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung des Bundes¬
staats erlangen, in dessen Gebiet die Verwaltung des Vereins geführt
werden soll.

Die Vereine mit gemeinnützigen usw., kurz bezeichnet: die Vereine mit
idealen Zwecken, sowie die Vereine mit politischen, sozialpolitischen oder reli¬
giösen Zwecken erlangen die Rechtsfähigkeit grundsätzlich nur durch Eintragung
in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts. Allein erstens sollen die
öffentlich rechtlichen Vorschriften der Landesgesetze über die Zulassung der Ver¬
eine, ebenso wie über ihre Schließung und Auflösung unberührt bleiben.
Zweitens will der Entwurf der nach den Landesgesetzen zuständigen Verwal¬
tungsbehörde ganz allgemein das Recht beilegen, gegen die Eintragung des
Vereins Einspruch zu erheben, wenn der Verein nach dem (landesgesetzlichen)
öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten werden kann, oder wenn
er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt. Der Verein
darf deshalb nur dann in das Vereinsregister eingetragen werden, wenn ent-
weder sechs Wochen vergangen sind, ohne daß die Verwaltungsbehörde gegen
die Eintragung Einspruch erhoben hat, oder wenn der von ihr erhobne Ein¬
spruch im Verwaltungsstreitverfahreu endgiltig aufgehoben worden ist. Das¬
selbe gilt bei jeder geplanten Statutenänderung. Endlich verliert der ein¬
getragne Verein die Rechtsfähigkeit wieder und muß im Vereinsregister ge¬
löscht werden, wenn er im Verwaltungsstreitverfahren überführt worden ist,
daß er statutenwidrige Zwecke verfolgt oder durch gesetzwidrige Beschlüsse der
Mitgliederversammlung oder gesetzwidriges Verhalten des Vorstandes das Ge¬
meinwohl gefährdet, oder auch und zwar je nach Landesrecht auch ohne
vorausgegangnes Verwaltungsstreitverfahren -- wenn er auf Grund des
(landesgesetzlichen) öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst worden ist.

Sollten diese vom EntWurfe vorgeschlagnen Bestimmungen Gesetz werden,
so würde die Folge sein, daß die einzelstaatlichen Verwaltungsbehörden die
Verleihung der Rechtsfähigkeit an jeden, auch an den Verein mit idealen
Zwecken dann verhindern können, wenn solche Vereine nach Landesgesetz un¬
erlaubt sind oder verboten werden können. Nun geht allerdings zur Zeit nur
ein einziger deutscher Bundesstaat, Reuß älterer Linie, soweit, die Bildung
jedes, also auch des gemeinnützigen usw. Vereins von der Genehmigung der
Landesregierung abhängig zu machen. Nur Elsaß-Lothringen thut es ihm
gleich, insofern alle Vereine ohne Unterschied des Zweckes der Genehmigung
der Regierung bedürfen, wenn sie mehr als zwanzig Mitglieder stark sind.
Im übrigen Deutschland sind Vereine wenigstens mit idealen Zwecken zur
Zeit -- denn jeder Tag kann eine Verschärfung der betreffenden Landes¬
gesetze bringen weder polizeilich unerlaubt, noch können sie an sich Ver¬
bote" werden. Ihnen gegenüber wäre also das Einspruchsrecht der Verwnl-


Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch

an solchen Vorschriften, wie z. B. für die Versicherungsgesellschaften. Dann
können sie die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung des Bundes¬
staats erlangen, in dessen Gebiet die Verwaltung des Vereins geführt
werden soll.

Die Vereine mit gemeinnützigen usw., kurz bezeichnet: die Vereine mit
idealen Zwecken, sowie die Vereine mit politischen, sozialpolitischen oder reli¬
giösen Zwecken erlangen die Rechtsfähigkeit grundsätzlich nur durch Eintragung
in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts. Allein erstens sollen die
öffentlich rechtlichen Vorschriften der Landesgesetze über die Zulassung der Ver¬
eine, ebenso wie über ihre Schließung und Auflösung unberührt bleiben.
Zweitens will der Entwurf der nach den Landesgesetzen zuständigen Verwal¬
tungsbehörde ganz allgemein das Recht beilegen, gegen die Eintragung des
Vereins Einspruch zu erheben, wenn der Verein nach dem (landesgesetzlichen)
öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten werden kann, oder wenn
er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt. Der Verein
darf deshalb nur dann in das Vereinsregister eingetragen werden, wenn ent-
weder sechs Wochen vergangen sind, ohne daß die Verwaltungsbehörde gegen
die Eintragung Einspruch erhoben hat, oder wenn der von ihr erhobne Ein¬
spruch im Verwaltungsstreitverfahreu endgiltig aufgehoben worden ist. Das¬
selbe gilt bei jeder geplanten Statutenänderung. Endlich verliert der ein¬
getragne Verein die Rechtsfähigkeit wieder und muß im Vereinsregister ge¬
löscht werden, wenn er im Verwaltungsstreitverfahren überführt worden ist,
daß er statutenwidrige Zwecke verfolgt oder durch gesetzwidrige Beschlüsse der
Mitgliederversammlung oder gesetzwidriges Verhalten des Vorstandes das Ge¬
meinwohl gefährdet, oder auch und zwar je nach Landesrecht auch ohne
vorausgegangnes Verwaltungsstreitverfahren — wenn er auf Grund des
(landesgesetzlichen) öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst worden ist.

Sollten diese vom EntWurfe vorgeschlagnen Bestimmungen Gesetz werden,
so würde die Folge sein, daß die einzelstaatlichen Verwaltungsbehörden die
Verleihung der Rechtsfähigkeit an jeden, auch an den Verein mit idealen
Zwecken dann verhindern können, wenn solche Vereine nach Landesgesetz un¬
erlaubt sind oder verboten werden können. Nun geht allerdings zur Zeit nur
ein einziger deutscher Bundesstaat, Reuß älterer Linie, soweit, die Bildung
jedes, also auch des gemeinnützigen usw. Vereins von der Genehmigung der
Landesregierung abhängig zu machen. Nur Elsaß-Lothringen thut es ihm
gleich, insofern alle Vereine ohne Unterschied des Zweckes der Genehmigung
der Regierung bedürfen, wenn sie mehr als zwanzig Mitglieder stark sind.
Im übrigen Deutschland sind Vereine wenigstens mit idealen Zwecken zur
Zeit — denn jeder Tag kann eine Verschärfung der betreffenden Landes¬
gesetze bringen weder polizeilich unerlaubt, noch können sie an sich Ver¬
bote» werden. Ihnen gegenüber wäre also das Einspruchsrecht der Verwnl-


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[0425] Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch an solchen Vorschriften, wie z. B. für die Versicherungsgesellschaften. Dann können sie die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung des Bundes¬ staats erlangen, in dessen Gebiet die Verwaltung des Vereins geführt werden soll. Die Vereine mit gemeinnützigen usw., kurz bezeichnet: die Vereine mit idealen Zwecken, sowie die Vereine mit politischen, sozialpolitischen oder reli¬ giösen Zwecken erlangen die Rechtsfähigkeit grundsätzlich nur durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts. Allein erstens sollen die öffentlich rechtlichen Vorschriften der Landesgesetze über die Zulassung der Ver¬ eine, ebenso wie über ihre Schließung und Auflösung unberührt bleiben. Zweitens will der Entwurf der nach den Landesgesetzen zuständigen Verwal¬ tungsbehörde ganz allgemein das Recht beilegen, gegen die Eintragung des Vereins Einspruch zu erheben, wenn der Verein nach dem (landesgesetzlichen) öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten werden kann, oder wenn er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt. Der Verein darf deshalb nur dann in das Vereinsregister eingetragen werden, wenn ent- weder sechs Wochen vergangen sind, ohne daß die Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung Einspruch erhoben hat, oder wenn der von ihr erhobne Ein¬ spruch im Verwaltungsstreitverfahreu endgiltig aufgehoben worden ist. Das¬ selbe gilt bei jeder geplanten Statutenänderung. Endlich verliert der ein¬ getragne Verein die Rechtsfähigkeit wieder und muß im Vereinsregister ge¬ löscht werden, wenn er im Verwaltungsstreitverfahren überführt worden ist, daß er statutenwidrige Zwecke verfolgt oder durch gesetzwidrige Beschlüsse der Mitgliederversammlung oder gesetzwidriges Verhalten des Vorstandes das Ge¬ meinwohl gefährdet, oder auch und zwar je nach Landesrecht auch ohne vorausgegangnes Verwaltungsstreitverfahren — wenn er auf Grund des (landesgesetzlichen) öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst worden ist. Sollten diese vom EntWurfe vorgeschlagnen Bestimmungen Gesetz werden, so würde die Folge sein, daß die einzelstaatlichen Verwaltungsbehörden die Verleihung der Rechtsfähigkeit an jeden, auch an den Verein mit idealen Zwecken dann verhindern können, wenn solche Vereine nach Landesgesetz un¬ erlaubt sind oder verboten werden können. Nun geht allerdings zur Zeit nur ein einziger deutscher Bundesstaat, Reuß älterer Linie, soweit, die Bildung jedes, also auch des gemeinnützigen usw. Vereins von der Genehmigung der Landesregierung abhängig zu machen. Nur Elsaß-Lothringen thut es ihm gleich, insofern alle Vereine ohne Unterschied des Zweckes der Genehmigung der Regierung bedürfen, wenn sie mehr als zwanzig Mitglieder stark sind. Im übrigen Deutschland sind Vereine wenigstens mit idealen Zwecken zur Zeit — denn jeder Tag kann eine Verschärfung der betreffenden Landes¬ gesetze bringen weder polizeilich unerlaubt, noch können sie an sich Ver¬ bote» werden. Ihnen gegenüber wäre also das Einspruchsrecht der Verwnl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/425>, abgerufen am 24.07.2024.