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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zur Reform der Arboiterverfichorung

nndfünfzig Wochen) versichert gewesen ist. Die Antragsteller, die noch nicht seit
drei Jahren versicherungspslichtig sind, müßten nachweisen, daß sie wenigstens
während der Hälfte der seit ihrem Eintritt in die Versicherung verflossenen
Zeit versichert gewesen sind.

Auf Betriebsunfälle könnten natürlich diese Bestimmungen nicht angewandt
werden, diese müßten -- ohne Unterschied der Betriebe -- unter allen Um¬
stünden entschädigt werden, wenn sie eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähig¬
keit um mehr als ein Zehntel zur Folge haben.

Das Reich müßte in den Fällen, wo kein beitragspflichtiger Arbeitgeber
vorhanden ist, die Hälfte der Beiträge übernehmen, die Kosten der Ver¬
sicherungsanstalten bestreiten und im Prinzip zu jeder Rente einen bestimmten
Veitrag gewähren. Die Leistung des Reichs müßte für alle in derselben
Weise verletzten dieselbe sein, z. V. die Hälfte der entsprechenden Rente erster
Klasse. Der Zuschuß des Reichs würde also z.B. bei einem Arbeiter, der um
.25 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchigt wäre, 25 Mark, bei einem
um 50 Prozent geschädigten 50 Mark, im Falle der Gewährung der vollen
Reute 100 Mark betragen. In der Wirklichkeit würde sich die Ausführung
dieses Gedankens natürlich so gestalten, daß das Reich den Fehlbetrag deckte,
die Beiträge aber so festgesetzt würden, daß die Belastung des Reichs keine
höhere wäre als die oben vorgeschlagne.

^ Durch Annahme dieser Vorschlüge, die sich wohl ohne eine zu große Um¬
wälzung der bestehenden Verhültnisse durchführen ließen, würden nach meiner
Ansicht folgende Verbesserungen erreicht werden: 1. die Ausdehnung der Kranken¬
versicherung ans alle Lohnarbeiter, kleinern Betriebsunternehmer und deren An¬
gehörige, 2. die Ausdehnung der Unfall- und Juvaliditütsversicheruug auf alle
Fälle einer wesentlichen Schmälerung der Erwerbsfähigkeit, 3. eine wesentliche
Verringerung der Verwaltungskosten, insbesondre Wegfall der Verwaltungs¬
kosten der Berufsgenossenschaften (über 7 Millionen Mark), 4. Vereinfachung
des Verfcchreus, insbesondre Wegfall der Quittungsmarke, der Lohnlisten, des
größten Teils der für die Gemeindevorstüude so lästigen Unfalluntersuchungen,
Vereinfachung der Schiedsgerichtsverhandlungen, 5. Verhütung der Ansamm¬
lung großer Kapitalien.




Zur Reform der Arboiterverfichorung

nndfünfzig Wochen) versichert gewesen ist. Die Antragsteller, die noch nicht seit
drei Jahren versicherungspslichtig sind, müßten nachweisen, daß sie wenigstens
während der Hälfte der seit ihrem Eintritt in die Versicherung verflossenen
Zeit versichert gewesen sind.

Auf Betriebsunfälle könnten natürlich diese Bestimmungen nicht angewandt
werden, diese müßten — ohne Unterschied der Betriebe — unter allen Um¬
stünden entschädigt werden, wenn sie eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähig¬
keit um mehr als ein Zehntel zur Folge haben.

Das Reich müßte in den Fällen, wo kein beitragspflichtiger Arbeitgeber
vorhanden ist, die Hälfte der Beiträge übernehmen, die Kosten der Ver¬
sicherungsanstalten bestreiten und im Prinzip zu jeder Rente einen bestimmten
Veitrag gewähren. Die Leistung des Reichs müßte für alle in derselben
Weise verletzten dieselbe sein, z. V. die Hälfte der entsprechenden Rente erster
Klasse. Der Zuschuß des Reichs würde also z.B. bei einem Arbeiter, der um
.25 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchigt wäre, 25 Mark, bei einem
um 50 Prozent geschädigten 50 Mark, im Falle der Gewährung der vollen
Reute 100 Mark betragen. In der Wirklichkeit würde sich die Ausführung
dieses Gedankens natürlich so gestalten, daß das Reich den Fehlbetrag deckte,
die Beiträge aber so festgesetzt würden, daß die Belastung des Reichs keine
höhere wäre als die oben vorgeschlagne.

^ Durch Annahme dieser Vorschlüge, die sich wohl ohne eine zu große Um¬
wälzung der bestehenden Verhültnisse durchführen ließen, würden nach meiner
Ansicht folgende Verbesserungen erreicht werden: 1. die Ausdehnung der Kranken¬
versicherung ans alle Lohnarbeiter, kleinern Betriebsunternehmer und deren An¬
gehörige, 2. die Ausdehnung der Unfall- und Juvaliditütsversicheruug auf alle
Fälle einer wesentlichen Schmälerung der Erwerbsfähigkeit, 3. eine wesentliche
Verringerung der Verwaltungskosten, insbesondre Wegfall der Verwaltungs¬
kosten der Berufsgenossenschaften (über 7 Millionen Mark), 4. Vereinfachung
des Verfcchreus, insbesondre Wegfall der Quittungsmarke, der Lohnlisten, des
größten Teils der für die Gemeindevorstüude so lästigen Unfalluntersuchungen,
Vereinfachung der Schiedsgerichtsverhandlungen, 5. Verhütung der Ansamm¬
lung großer Kapitalien.




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[0373] Zur Reform der Arboiterverfichorung nndfünfzig Wochen) versichert gewesen ist. Die Antragsteller, die noch nicht seit drei Jahren versicherungspslichtig sind, müßten nachweisen, daß sie wenigstens während der Hälfte der seit ihrem Eintritt in die Versicherung verflossenen Zeit versichert gewesen sind. Auf Betriebsunfälle könnten natürlich diese Bestimmungen nicht angewandt werden, diese müßten — ohne Unterschied der Betriebe — unter allen Um¬ stünden entschädigt werden, wenn sie eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähig¬ keit um mehr als ein Zehntel zur Folge haben. Das Reich müßte in den Fällen, wo kein beitragspflichtiger Arbeitgeber vorhanden ist, die Hälfte der Beiträge übernehmen, die Kosten der Ver¬ sicherungsanstalten bestreiten und im Prinzip zu jeder Rente einen bestimmten Veitrag gewähren. Die Leistung des Reichs müßte für alle in derselben Weise verletzten dieselbe sein, z. V. die Hälfte der entsprechenden Rente erster Klasse. Der Zuschuß des Reichs würde also z.B. bei einem Arbeiter, der um .25 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchigt wäre, 25 Mark, bei einem um 50 Prozent geschädigten 50 Mark, im Falle der Gewährung der vollen Reute 100 Mark betragen. In der Wirklichkeit würde sich die Ausführung dieses Gedankens natürlich so gestalten, daß das Reich den Fehlbetrag deckte, die Beiträge aber so festgesetzt würden, daß die Belastung des Reichs keine höhere wäre als die oben vorgeschlagne. ^ Durch Annahme dieser Vorschlüge, die sich wohl ohne eine zu große Um¬ wälzung der bestehenden Verhültnisse durchführen ließen, würden nach meiner Ansicht folgende Verbesserungen erreicht werden: 1. die Ausdehnung der Kranken¬ versicherung ans alle Lohnarbeiter, kleinern Betriebsunternehmer und deren An¬ gehörige, 2. die Ausdehnung der Unfall- und Juvaliditütsversicheruug auf alle Fälle einer wesentlichen Schmälerung der Erwerbsfähigkeit, 3. eine wesentliche Verringerung der Verwaltungskosten, insbesondre Wegfall der Verwaltungs¬ kosten der Berufsgenossenschaften (über 7 Millionen Mark), 4. Vereinfachung des Verfcchreus, insbesondre Wegfall der Quittungsmarke, der Lohnlisten, des größten Teils der für die Gemeindevorstüude so lästigen Unfalluntersuchungen, Vereinfachung der Schiedsgerichtsverhandlungen, 5. Verhütung der Ansamm¬ lung großer Kapitalien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/373>, abgerufen am 26.07.2024.