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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zur Reform der Arbeiterversicherung

trüge könnte dann den Krankenkassen übertragen werden. Zu den wechselnden
Beiträgen zur Krankenversicherung würden feste Beiträge zur Jnvaliditäts¬
versicherung und Zuschlage für die in besonders gefährlichen Betrieben beschüs-
tigten Arbeiter hinzutreten. Für die Krankenkassen wäre mit dieser Einrichtung
allerdings eine Mehrbelastung verbunden, diese würde aber besonders sür die
Kassen, denen jetzt schon die Einziehung der Beiträge zur Jnvaliditäts-
versicherung übertragen ist, nicht groß sein. Auf jeden Fall könnte diese
Mehrbelastung gegenüber der bedeutenden Ersparnis infolge des Wegfalls der
ganzen Arbeit der Berufsgenossenschaften nicht in Betracht kommen. Die ver-
schiednen an die Krankenkassen zu zahlenden Beiträge würden gegenüber dem
Arbeitgeber und Arbeiter als ein einziger Versicherungsbeitrag erscheinen, der
von dem Arbeitgeber zu erheben und zur Hälfte von dem Arbeiter zu tragen
wäre. Die Verteilung der Lasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern würde
ungefähr dieselbe sein wie bisher. Nach dem Werke Bödikers beträgt jetzt die
Belastung bei einem Tagelohne von 2 Mark

4 Pf. für die Krankenversicherung, davon 1'/" Pf. auf den Arbeitgeber, 2^/g Ps. auf den Arbeiter,
4 " " " Jnvaliditätsversicherung, " 2 " " " " 2 " " "
_2^^" "Unfallversicherung, "2__^" " " -- " " " "
Sa. 10 Pf. davon 5'/" Pf- " " " 4°/, Pf.....

Dehnte man die Belastung des Unternehmers mit auf die Unfälle des gewöhn¬
lichen Lebens und auf alle Krankheitsfälle aus, die eine größere, aber nur
teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben, und allgemein auch auf die
Krankheitsfälle in der Familie des Arbeiters, so wäre ohne Zweifel der Arbeiter
durch Übernahme der Hälfte des gesamten Beitrags geringer belastet als
bisher. Der von den erhobnen Beiträgen auf die Jnvaliditätsversicherung
und Unfallgefahr fallende Anteil würde nun an die Versicherungsanstalten
und von diesen an das Reichsversicherungsamt abzuführen sein. Den Ver¬
sicherungsanstalten würde nur die Festsetzung der Invalidenrente!,, die Kontrolle
der Rentenempfänger, die in der Regel durch den Vorstand der Krankenkasse
des Aufenthaltsortes ausgeübt werden könnte, die Entscheidung über den Weg¬
fall der Renten und die Einschätzung der gefährlichern Betriebe nach dem
Gefahrentarif verbleiben. Die Abrechnung mit der Post würde lediglich dem
Reichsversicherungsamte obliegen.

Da hiernach durch Bewilligung der Rente nicht die Versicherungsanstalt,
sondern das Reichsversicherungsamt belastet werden würde, so könnte die Fest¬
setzung der Rente unbedenklich der Versicherungsanstalt des Aufenthaltsorts
übertragen werden, was wieder wesentlich zur Vereinfachung des Verfahrens
beitragen würde. Am meisten würde aber das Verfahren dadurch vereinfacht
werden, daß man die Hohe der Rente nicht von den wirklich gezählten Bei¬
trägen, sondern wie bei der gegenwärtigen Unfallrente von dem Grade der


Gr-nzbote" IV 1895 47
Zur Reform der Arbeiterversicherung

trüge könnte dann den Krankenkassen übertragen werden. Zu den wechselnden
Beiträgen zur Krankenversicherung würden feste Beiträge zur Jnvaliditäts¬
versicherung und Zuschlage für die in besonders gefährlichen Betrieben beschüs-
tigten Arbeiter hinzutreten. Für die Krankenkassen wäre mit dieser Einrichtung
allerdings eine Mehrbelastung verbunden, diese würde aber besonders sür die
Kassen, denen jetzt schon die Einziehung der Beiträge zur Jnvaliditäts-
versicherung übertragen ist, nicht groß sein. Auf jeden Fall könnte diese
Mehrbelastung gegenüber der bedeutenden Ersparnis infolge des Wegfalls der
ganzen Arbeit der Berufsgenossenschaften nicht in Betracht kommen. Die ver-
schiednen an die Krankenkassen zu zahlenden Beiträge würden gegenüber dem
Arbeitgeber und Arbeiter als ein einziger Versicherungsbeitrag erscheinen, der
von dem Arbeitgeber zu erheben und zur Hälfte von dem Arbeiter zu tragen
wäre. Die Verteilung der Lasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern würde
ungefähr dieselbe sein wie bisher. Nach dem Werke Bödikers beträgt jetzt die
Belastung bei einem Tagelohne von 2 Mark

4 Pf. für die Krankenversicherung, davon 1'/» Pf. auf den Arbeitgeber, 2^/g Ps. auf den Arbeiter,
4 „ „ „ Jnvaliditätsversicherung, „ 2 „ „ „ „ 2 „ „ „
_2^^" „Unfallversicherung, „2__^„ „ „ — „ „ „ „
Sa. 10 Pf. davon 5'/» Pf- „ „ „ 4°/, Pf.....

Dehnte man die Belastung des Unternehmers mit auf die Unfälle des gewöhn¬
lichen Lebens und auf alle Krankheitsfälle aus, die eine größere, aber nur
teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben, und allgemein auch auf die
Krankheitsfälle in der Familie des Arbeiters, so wäre ohne Zweifel der Arbeiter
durch Übernahme der Hälfte des gesamten Beitrags geringer belastet als
bisher. Der von den erhobnen Beiträgen auf die Jnvaliditätsversicherung
und Unfallgefahr fallende Anteil würde nun an die Versicherungsanstalten
und von diesen an das Reichsversicherungsamt abzuführen sein. Den Ver¬
sicherungsanstalten würde nur die Festsetzung der Invalidenrente!,, die Kontrolle
der Rentenempfänger, die in der Regel durch den Vorstand der Krankenkasse
des Aufenthaltsortes ausgeübt werden könnte, die Entscheidung über den Weg¬
fall der Renten und die Einschätzung der gefährlichern Betriebe nach dem
Gefahrentarif verbleiben. Die Abrechnung mit der Post würde lediglich dem
Reichsversicherungsamte obliegen.

Da hiernach durch Bewilligung der Rente nicht die Versicherungsanstalt,
sondern das Reichsversicherungsamt belastet werden würde, so könnte die Fest¬
setzung der Rente unbedenklich der Versicherungsanstalt des Aufenthaltsorts
übertragen werden, was wieder wesentlich zur Vereinfachung des Verfahrens
beitragen würde. Am meisten würde aber das Verfahren dadurch vereinfacht
werden, daß man die Hohe der Rente nicht von den wirklich gezählten Bei¬
trägen, sondern wie bei der gegenwärtigen Unfallrente von dem Grade der


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[0371] Zur Reform der Arbeiterversicherung trüge könnte dann den Krankenkassen übertragen werden. Zu den wechselnden Beiträgen zur Krankenversicherung würden feste Beiträge zur Jnvaliditäts¬ versicherung und Zuschlage für die in besonders gefährlichen Betrieben beschüs- tigten Arbeiter hinzutreten. Für die Krankenkassen wäre mit dieser Einrichtung allerdings eine Mehrbelastung verbunden, diese würde aber besonders sür die Kassen, denen jetzt schon die Einziehung der Beiträge zur Jnvaliditäts- versicherung übertragen ist, nicht groß sein. Auf jeden Fall könnte diese Mehrbelastung gegenüber der bedeutenden Ersparnis infolge des Wegfalls der ganzen Arbeit der Berufsgenossenschaften nicht in Betracht kommen. Die ver- schiednen an die Krankenkassen zu zahlenden Beiträge würden gegenüber dem Arbeitgeber und Arbeiter als ein einziger Versicherungsbeitrag erscheinen, der von dem Arbeitgeber zu erheben und zur Hälfte von dem Arbeiter zu tragen wäre. Die Verteilung der Lasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern würde ungefähr dieselbe sein wie bisher. Nach dem Werke Bödikers beträgt jetzt die Belastung bei einem Tagelohne von 2 Mark 4 Pf. für die Krankenversicherung, davon 1'/» Pf. auf den Arbeitgeber, 2^/g Ps. auf den Arbeiter, 4 „ „ „ Jnvaliditätsversicherung, „ 2 „ „ „ „ 2 „ „ „ _2^^" „Unfallversicherung, „2__^„ „ „ — „ „ „ „ Sa. 10 Pf. davon 5'/» Pf- „ „ „ 4°/, Pf..... Dehnte man die Belastung des Unternehmers mit auf die Unfälle des gewöhn¬ lichen Lebens und auf alle Krankheitsfälle aus, die eine größere, aber nur teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben, und allgemein auch auf die Krankheitsfälle in der Familie des Arbeiters, so wäre ohne Zweifel der Arbeiter durch Übernahme der Hälfte des gesamten Beitrags geringer belastet als bisher. Der von den erhobnen Beiträgen auf die Jnvaliditätsversicherung und Unfallgefahr fallende Anteil würde nun an die Versicherungsanstalten und von diesen an das Reichsversicherungsamt abzuführen sein. Den Ver¬ sicherungsanstalten würde nur die Festsetzung der Invalidenrente!,, die Kontrolle der Rentenempfänger, die in der Regel durch den Vorstand der Krankenkasse des Aufenthaltsortes ausgeübt werden könnte, die Entscheidung über den Weg¬ fall der Renten und die Einschätzung der gefährlichern Betriebe nach dem Gefahrentarif verbleiben. Die Abrechnung mit der Post würde lediglich dem Reichsversicherungsamte obliegen. Da hiernach durch Bewilligung der Rente nicht die Versicherungsanstalt, sondern das Reichsversicherungsamt belastet werden würde, so könnte die Fest¬ setzung der Rente unbedenklich der Versicherungsanstalt des Aufenthaltsorts übertragen werden, was wieder wesentlich zur Vereinfachung des Verfahrens beitragen würde. Am meisten würde aber das Verfahren dadurch vereinfacht werden, daß man die Hohe der Rente nicht von den wirklich gezählten Bei¬ trägen, sondern wie bei der gegenwärtigen Unfallrente von dem Grade der Gr-nzbote» IV 1895 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/371>, abgerufen am 04.07.2024.