Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches davon abgeraten, einesteils weil das Geschäft zu schwierig, andernteils weil Wir wollten nicht in der christlichen Herberge bleiben, und der erfahrne Me¬ Am andern Morgen wollten mich der Kellner und der Mediziner fast mit Am nächsten Morgen verließ ich heimlich den Kellner und den Mediziner, Das mir noch fehlende Reisegeld bis Minden erbettelte ich mir von Biele¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Einiges von der Woche. Endlich, nach einem Sommer voll endlosen Maßgebliches und Unmaßgebliches davon abgeraten, einesteils weil das Geschäft zu schwierig, andernteils weil Wir wollten nicht in der christlichen Herberge bleiben, und der erfahrne Me¬ Am andern Morgen wollten mich der Kellner und der Mediziner fast mit Am nächsten Morgen verließ ich heimlich den Kellner und den Mediziner, Das mir noch fehlende Reisegeld bis Minden erbettelte ich mir von Biele¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Einiges von der Woche. Endlich, nach einem Sommer voll endlosen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221320"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1120" prev="#ID_1119"> davon abgeraten, einesteils weil das Geschäft zu schwierig, andernteils weil<lb/> sein Anzug zu schmierig sei. Er hatte schon zwei Semester Medizin studirt<lb/> und in Oldenburg als Einjähriger gedient, wie ich aus seinen Papieren sah.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121"> Wir wollten nicht in der christlichen Herberge bleiben, und der erfahrne Me¬<lb/> diziner brachte uns in eine andre Schlafstelle. Die redselige Wirtin führte<lb/> uns zu vier andern Kunden, die für fünf Pfennige Kaffee tranken. Als die<lb/> Herrschaften auf ihre Reinlichkeit hin untersucht wurden, stellte es sich heraus,<lb/> daß zwei mit „Bienen" behaftet waren. Diese mußten „Bankarbcit" macheu,<lb/> d. h. auf einer Bank ohne Decke schlafen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Am andern Morgen wollten mich der Kellner und der Mediziner fast mit<lb/> Gewalt zurückhalten, wahrscheinlich, weil sie hinter meinem saubern Anzüge<lb/> mehr vermuteten. Die Wirtin erschien mit den Worten: Hier sind die Fleppen<lb/> (Legitimationspapiere), und gab jedem das seinige. Ein Schriftstück behielt sie<lb/> in der Hand und fragte mit gehobner Stimme: Wem gehört diese Fleppe?<lb/> Schüchtern trat ein schon älterer Bettler hervor. Sie dummer Kerl, sagte sie,<lb/> wenn Sie sich Fleppen malen, so lassen Sie es von Leuten machen, die es<lb/> verstehen. Wäre gestern der Deckel gekommen, so säßen Sie schon im Käfig.<lb/> Allerdings war das Zeugnis von jämmerlicher Hand geschmiert, aber doch mit<lb/> dem Stempel einer olocnburgischeu Polizeibehörde ordnungsgemäß beglaubigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123"> Am nächsten Morgen verließ ich heimlich den Kellner und den Mediziner,<lb/> versetzte meinen Überzieher und erhielt dafür das Reisegeld bis Bielefeld. Hier<lb/> meldete ich mich in den Bodelschwinghschcn Anstalten, doch war deren Gründer<lb/> und Leiter nicht zu sprechen, und ich trug einem andern Anstaltsgeistlichen<lb/> meine Bitte vor, mir womöglich Arbeit zu verschaffen. Ich mußte meinen<lb/> Lebenslnuf schreiben, erhielt Kaffee nebst einigen Rinteln zum Nachtquartier<lb/> und wurde zum andern Morgen wieder hinbestellt. Leider wurde meine Auf¬<lb/> nahme abgelehnt, weil ich Schleswig-Holsteiner bin und wir eigne Kolonien<lb/> haben. Pastor von Bodelschwingh soll sich in erster Reihe für seine Westfalen<lb/> interessiren, woraus ihm kein Vorwurf zu machen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1124"> Das mir noch fehlende Reisegeld bis Minden erbettelte ich mir von Biele¬<lb/> felder Kaufleuten. In Minden hatte ich Bekannte, die mir gern das Geld<lb/> zur Weiterreise nach Hamburg gaben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Einiges von der Woche.</head> <p xml:id="ID_1125" next="#ID_1126"> Endlich, nach einem Sommer voll endlosen<lb/> Gezänks und Klatsches, erleben wir es einmal, daß die Zeitungen etwas nützliches<lb/> zu melden haben, das eben gethan wird: im Reichsamte des Innern beraten Sach¬<lb/> verständige über Vereinfachungen und Verbesserungen der Arbeiterversicherungs¬<lb/> gesetze. Da als Hauptsachverständiger der Präsident des Reichsversichernngsamts,<lb/> Dr. Bvdicker, daran teilnimmt, dem sogar der Vorwärts vor einigen Wochen (in<lb/> Ur. 231) das Zeugnis ausgestellt hat, daß er „trotz seines Politischen Standpunkts</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
davon abgeraten, einesteils weil das Geschäft zu schwierig, andernteils weil
sein Anzug zu schmierig sei. Er hatte schon zwei Semester Medizin studirt
und in Oldenburg als Einjähriger gedient, wie ich aus seinen Papieren sah.
Wir wollten nicht in der christlichen Herberge bleiben, und der erfahrne Me¬
diziner brachte uns in eine andre Schlafstelle. Die redselige Wirtin führte
uns zu vier andern Kunden, die für fünf Pfennige Kaffee tranken. Als die
Herrschaften auf ihre Reinlichkeit hin untersucht wurden, stellte es sich heraus,
daß zwei mit „Bienen" behaftet waren. Diese mußten „Bankarbcit" macheu,
d. h. auf einer Bank ohne Decke schlafen.
Am andern Morgen wollten mich der Kellner und der Mediziner fast mit
Gewalt zurückhalten, wahrscheinlich, weil sie hinter meinem saubern Anzüge
mehr vermuteten. Die Wirtin erschien mit den Worten: Hier sind die Fleppen
(Legitimationspapiere), und gab jedem das seinige. Ein Schriftstück behielt sie
in der Hand und fragte mit gehobner Stimme: Wem gehört diese Fleppe?
Schüchtern trat ein schon älterer Bettler hervor. Sie dummer Kerl, sagte sie,
wenn Sie sich Fleppen malen, so lassen Sie es von Leuten machen, die es
verstehen. Wäre gestern der Deckel gekommen, so säßen Sie schon im Käfig.
Allerdings war das Zeugnis von jämmerlicher Hand geschmiert, aber doch mit
dem Stempel einer olocnburgischeu Polizeibehörde ordnungsgemäß beglaubigt.
Am nächsten Morgen verließ ich heimlich den Kellner und den Mediziner,
versetzte meinen Überzieher und erhielt dafür das Reisegeld bis Bielefeld. Hier
meldete ich mich in den Bodelschwinghschcn Anstalten, doch war deren Gründer
und Leiter nicht zu sprechen, und ich trug einem andern Anstaltsgeistlichen
meine Bitte vor, mir womöglich Arbeit zu verschaffen. Ich mußte meinen
Lebenslnuf schreiben, erhielt Kaffee nebst einigen Rinteln zum Nachtquartier
und wurde zum andern Morgen wieder hinbestellt. Leider wurde meine Auf¬
nahme abgelehnt, weil ich Schleswig-Holsteiner bin und wir eigne Kolonien
haben. Pastor von Bodelschwingh soll sich in erster Reihe für seine Westfalen
interessiren, woraus ihm kein Vorwurf zu machen ist.
Das mir noch fehlende Reisegeld bis Minden erbettelte ich mir von Biele¬
felder Kaufleuten. In Minden hatte ich Bekannte, die mir gern das Geld
zur Weiterreise nach Hamburg gaben.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Einiges von der Woche. Endlich, nach einem Sommer voll endlosen
Gezänks und Klatsches, erleben wir es einmal, daß die Zeitungen etwas nützliches
zu melden haben, das eben gethan wird: im Reichsamte des Innern beraten Sach¬
verständige über Vereinfachungen und Verbesserungen der Arbeiterversicherungs¬
gesetze. Da als Hauptsachverständiger der Präsident des Reichsversichernngsamts,
Dr. Bvdicker, daran teilnimmt, dem sogar der Vorwärts vor einigen Wochen (in
Ur. 231) das Zeugnis ausgestellt hat, daß er „trotz seines Politischen Standpunkts
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