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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Robert Schumann und Robena Lcndlciw

Damit ist die Leipziger Zeit der Miß Laidlaw abgeschlossen. Die Wid¬
mung der Phantasistücke empfand sie als die größte Ausreichnung, die ihr in
dieser Art zu teil geworden ist;*) aber nach ihrem Dankschreiben erhielt sie
keinen Brief von Schumann wieder. Nicht aus Unfreundlichkeit oder ver¬
minderter Teilnahme. Das Stillschweigen Schumanns erklärt sich hinreichend
aus der niedergedrückten Stimmung, die ihn infolge der abweisender Haltung
des alten Wieck seit dem Herbst 1837 beherrschte. Die Vereinigung mit Klara
und der darauf gebaute Plan einer Übersiedlung nach Wien erfüllte sein ganzes
Sinnen und Denken. Da mußte eben manches andre in den Hintergrund
treten. Auch nahm ihn seine ausgedehnte Arbeit für die Zeitschrift sehr in
Anspruch.

Aus Miß Laidlaws spätern: Leben sei nur noch das Wichtigste berichtet.
Im Frühjahr 1838 von Petersburg nach Königsberg zurückgekehrt, konzertirte
sie im Herbst und Winter in Norddeutschland; 1839 reiste sie über Hannover
und München (wo Franz Lachner ihr das Diplom als Ehrenmitglied des phil¬
harmonischen Vereins überreichte) nach Wien; von da (Anfang 1840) über
Berlin und Hamburg nach London, wo sie drei Jahre verweilte, hauptsächlich
mit Unterrichtgeben beschäftigt. Im Frühjahr 1843 trat sie wieder eine Konzert¬
reise auf dem Festlande an, die sie nach Paris, Holland und durch das nord¬
westliche Deutschland bis nach Frankfurt a. M., von da nach Brüssel und
(Anfang 1844) wieder nach Holland zurückführte. Überall spielte sie anch an
den Höfen, dnrch Ehrenbezeugungen aller Art ausgezeichnet. Das Jahr 1845
verlebte sie in Königsberg und siedelte dann ganz nach London über, um sich
ausschließlich dem Unterricht zu widmen. Ihre ünßern Verhältnisse gestalteten
sich so glücklich, daß sie einige Jahre später ihre Eltern zu sich nehmen konnte,
als ihr Vater infolge davon, daß während des deutsch-dänischen Krieges von
1848 in der Ostsee seine nach England bestimmten Schiffe mit Beschlag belegt
worden waren, fallirt hatte.

Im Jahre 1852 verheiratete sich Miß Lcndlaw mit dem schottischen Rechts-
anwalt Thomson in Essex und wohnte dann auf einem Landgute. Später
zog die Familie nach London, wo noch gegenwärtig die inzwischen zu hohen
Jahren gelangte verehrungswürdige Frau -- schon längere Zeit verwitwet --
in glücklichem Familienkreise lebt.

Mrs. Thomson erfreut sich einer seltenen körperlichen und geistigen Rüstig¬
keit. "Sie ist eine sehr liebenswürdige Dame (so charnkterisirt sie Pauer),
eine höchst angenehme, sympathische Erscheinung -- mittelgroß --, schone,
noch immer rosige Gesichtsfarbe, ausdrucksvolle Augen, lebhafte Sprache und
an allem Interesse nehmend." Ihre geistige Frische offenbart sie anch in ihren



*) Von Steifensand, Marxsen, Pixis, Taubert und Damcke wurden ihr ebenfalls Kom¬
positionen gewidmet.
Robert Schumann und Robena Lcndlciw

Damit ist die Leipziger Zeit der Miß Laidlaw abgeschlossen. Die Wid¬
mung der Phantasistücke empfand sie als die größte Ausreichnung, die ihr in
dieser Art zu teil geworden ist;*) aber nach ihrem Dankschreiben erhielt sie
keinen Brief von Schumann wieder. Nicht aus Unfreundlichkeit oder ver¬
minderter Teilnahme. Das Stillschweigen Schumanns erklärt sich hinreichend
aus der niedergedrückten Stimmung, die ihn infolge der abweisender Haltung
des alten Wieck seit dem Herbst 1837 beherrschte. Die Vereinigung mit Klara
und der darauf gebaute Plan einer Übersiedlung nach Wien erfüllte sein ganzes
Sinnen und Denken. Da mußte eben manches andre in den Hintergrund
treten. Auch nahm ihn seine ausgedehnte Arbeit für die Zeitschrift sehr in
Anspruch.

Aus Miß Laidlaws spätern: Leben sei nur noch das Wichtigste berichtet.
Im Frühjahr 1838 von Petersburg nach Königsberg zurückgekehrt, konzertirte
sie im Herbst und Winter in Norddeutschland; 1839 reiste sie über Hannover
und München (wo Franz Lachner ihr das Diplom als Ehrenmitglied des phil¬
harmonischen Vereins überreichte) nach Wien; von da (Anfang 1840) über
Berlin und Hamburg nach London, wo sie drei Jahre verweilte, hauptsächlich
mit Unterrichtgeben beschäftigt. Im Frühjahr 1843 trat sie wieder eine Konzert¬
reise auf dem Festlande an, die sie nach Paris, Holland und durch das nord¬
westliche Deutschland bis nach Frankfurt a. M., von da nach Brüssel und
(Anfang 1844) wieder nach Holland zurückführte. Überall spielte sie anch an
den Höfen, dnrch Ehrenbezeugungen aller Art ausgezeichnet. Das Jahr 1845
verlebte sie in Königsberg und siedelte dann ganz nach London über, um sich
ausschließlich dem Unterricht zu widmen. Ihre ünßern Verhältnisse gestalteten
sich so glücklich, daß sie einige Jahre später ihre Eltern zu sich nehmen konnte,
als ihr Vater infolge davon, daß während des deutsch-dänischen Krieges von
1848 in der Ostsee seine nach England bestimmten Schiffe mit Beschlag belegt
worden waren, fallirt hatte.

Im Jahre 1852 verheiratete sich Miß Lcndlaw mit dem schottischen Rechts-
anwalt Thomson in Essex und wohnte dann auf einem Landgute. Später
zog die Familie nach London, wo noch gegenwärtig die inzwischen zu hohen
Jahren gelangte verehrungswürdige Frau — schon längere Zeit verwitwet —
in glücklichem Familienkreise lebt.

Mrs. Thomson erfreut sich einer seltenen körperlichen und geistigen Rüstig¬
keit. „Sie ist eine sehr liebenswürdige Dame (so charnkterisirt sie Pauer),
eine höchst angenehme, sympathische Erscheinung — mittelgroß —, schone,
noch immer rosige Gesichtsfarbe, ausdrucksvolle Augen, lebhafte Sprache und
an allem Interesse nehmend." Ihre geistige Frische offenbart sie anch in ihren



*) Von Steifensand, Marxsen, Pixis, Taubert und Damcke wurden ihr ebenfalls Kom¬
positionen gewidmet.
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[0334] Robert Schumann und Robena Lcndlciw Damit ist die Leipziger Zeit der Miß Laidlaw abgeschlossen. Die Wid¬ mung der Phantasistücke empfand sie als die größte Ausreichnung, die ihr in dieser Art zu teil geworden ist;*) aber nach ihrem Dankschreiben erhielt sie keinen Brief von Schumann wieder. Nicht aus Unfreundlichkeit oder ver¬ minderter Teilnahme. Das Stillschweigen Schumanns erklärt sich hinreichend aus der niedergedrückten Stimmung, die ihn infolge der abweisender Haltung des alten Wieck seit dem Herbst 1837 beherrschte. Die Vereinigung mit Klara und der darauf gebaute Plan einer Übersiedlung nach Wien erfüllte sein ganzes Sinnen und Denken. Da mußte eben manches andre in den Hintergrund treten. Auch nahm ihn seine ausgedehnte Arbeit für die Zeitschrift sehr in Anspruch. Aus Miß Laidlaws spätern: Leben sei nur noch das Wichtigste berichtet. Im Frühjahr 1838 von Petersburg nach Königsberg zurückgekehrt, konzertirte sie im Herbst und Winter in Norddeutschland; 1839 reiste sie über Hannover und München (wo Franz Lachner ihr das Diplom als Ehrenmitglied des phil¬ harmonischen Vereins überreichte) nach Wien; von da (Anfang 1840) über Berlin und Hamburg nach London, wo sie drei Jahre verweilte, hauptsächlich mit Unterrichtgeben beschäftigt. Im Frühjahr 1843 trat sie wieder eine Konzert¬ reise auf dem Festlande an, die sie nach Paris, Holland und durch das nord¬ westliche Deutschland bis nach Frankfurt a. M., von da nach Brüssel und (Anfang 1844) wieder nach Holland zurückführte. Überall spielte sie anch an den Höfen, dnrch Ehrenbezeugungen aller Art ausgezeichnet. Das Jahr 1845 verlebte sie in Königsberg und siedelte dann ganz nach London über, um sich ausschließlich dem Unterricht zu widmen. Ihre ünßern Verhältnisse gestalteten sich so glücklich, daß sie einige Jahre später ihre Eltern zu sich nehmen konnte, als ihr Vater infolge davon, daß während des deutsch-dänischen Krieges von 1848 in der Ostsee seine nach England bestimmten Schiffe mit Beschlag belegt worden waren, fallirt hatte. Im Jahre 1852 verheiratete sich Miß Lcndlaw mit dem schottischen Rechts- anwalt Thomson in Essex und wohnte dann auf einem Landgute. Später zog die Familie nach London, wo noch gegenwärtig die inzwischen zu hohen Jahren gelangte verehrungswürdige Frau — schon längere Zeit verwitwet — in glücklichem Familienkreise lebt. Mrs. Thomson erfreut sich einer seltenen körperlichen und geistigen Rüstig¬ keit. „Sie ist eine sehr liebenswürdige Dame (so charnkterisirt sie Pauer), eine höchst angenehme, sympathische Erscheinung — mittelgroß —, schone, noch immer rosige Gesichtsfarbe, ausdrucksvolle Augen, lebhafte Sprache und an allem Interesse nehmend." Ihre geistige Frische offenbart sie anch in ihren *) Von Steifensand, Marxsen, Pixis, Taubert und Damcke wurden ihr ebenfalls Kom¬ positionen gewidmet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/334>, abgerufen am 29.06.2024.