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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Robert Schumann und Robena Laidlaw

Was die Rückkehr nach Leipzig anlangt, wonach Schumann fragt, so
ist der auch von Miß Laidlaw geteilte Wunsch nicht in Erfüllung gegangen;
ein Wiedersehen der beiden hat nicht stattgefunden.

Ende 1837 unternahm Miß Laidlaw eine Konzertreise über Riga, Dorpat
usw. nach Petersburg, wo sie, durch Empfehlungen vom preußischen Hofe ein¬
geführt, auch im engern Kreise der kaiserlichen Familie mit großer Auszeich¬
nung spielte. "Diese Familienabende waren ganz zwanglos -- schreibt sie --,
die Kaiserin pflegte selbst den Thee zu bereiten. Einmal forderte sie mich auf.
ihr ein schottisches Lied vorzusingen. Natürlich durfte ich mich nicht sträuben,
aber ich war nie ängstlicher, als in dem Augenblick." Nach Petersburg sandte
ihr Schumann die mittlerweile gedruckten Phantasiestücke. "Erinnerung an
die Julytage 1837" lautet seine handschriftliche Widmung. Ihre Auslieferung
stieß auf unerwartete Schwierigkeiten bei der Steuerbehörde und geschah erst
auf kaiserliches Machtwort. Das Paket war vermutlich infolge des durch fran¬
zösische Zeitungen in Umlauf gesetzten Gerüchts angehalten worden, daß Miß
Laidlaw (in ihrer Eigenschaft als Pianistin der Königin von Hannover) in
einer politischen Mission nach Petersburg gereist sei, um eine Verbindung
der jungen Königin Viktoria von England mit dem Kronprinzen Georg von
Hannover zustande zu bringen. "Dem können wir, bemerkt Schumann in seiner
Zeitschrift, soweit uns die geschätzte Künstlerin bekannt, auf das bestimmteste
widersprechen." Der Vorfall findet etwas später eine scherzhafte Erwähnung
in einem Briefe Frieses an Miß Laidlaw, der hier eingeschaltet sei, da auch
aus ihm hervorgeht, wie sehr man der liebenswürdigen Künstlerin in dem
Leipziger Freundeskreise zugethan war.

Leipzig, den 24. Juli 33


Geehrtes, bestes Fräulein!

Sie haben mich unendlich durch Ihren lieben Brief erfreut; ich habe mich
stets für einen so winzigen Punkt im weiten Kreise Ihrer Bekanntschaft gerechnet,
daß ich mich längst vergessen wähnte und beinahe stolz über einen solchen Beweis
Ihres freundlichen Andenkens werden könnte. Wir haben während Ihres Auf¬
enthalts in Nußland mehrmals herzlich über die französischen Journale gelacht,
denn nach der <?^veto as I^nes ist der Kaiser von Nußland Ihnen viel zugethan,
die Königin von England zittert vor Ihnen, der Herzog von Koburg fürchtet Ihren
diplomatischen Einfluß, und wir? -- wir sind dagegen von Ihrer herzigen Ein¬
fachheit überzeugt und von Ihrer künstlerischen Bescheidenheit noch heute entzückt.
Schumann spricht sehr oft von Ihnen, und ich spiele aus seinem, Ihnen dedizirten
Werke dann gern Ur. 1 "Des Abends," das mir ganz wie eine geistreiche Unter¬
haltung zwischen Ihnen Beiden vorkommt.

Ihr geehrter Bries hat bei Ihren hiesigen Freunden circulirt, und man grüßt
Sie und Ug.äaws 1s. Larcmnö von allen Seiten tausendfach; -- wir aber natürlich
versichern noch insbesondre, daß wir stets unterzeichnen als


Ihreganz ergebenen
Robert und Cäcilie Friese.
Robert Schumann und Robena Laidlaw

Was die Rückkehr nach Leipzig anlangt, wonach Schumann fragt, so
ist der auch von Miß Laidlaw geteilte Wunsch nicht in Erfüllung gegangen;
ein Wiedersehen der beiden hat nicht stattgefunden.

Ende 1837 unternahm Miß Laidlaw eine Konzertreise über Riga, Dorpat
usw. nach Petersburg, wo sie, durch Empfehlungen vom preußischen Hofe ein¬
geführt, auch im engern Kreise der kaiserlichen Familie mit großer Auszeich¬
nung spielte. „Diese Familienabende waren ganz zwanglos — schreibt sie —,
die Kaiserin pflegte selbst den Thee zu bereiten. Einmal forderte sie mich auf.
ihr ein schottisches Lied vorzusingen. Natürlich durfte ich mich nicht sträuben,
aber ich war nie ängstlicher, als in dem Augenblick." Nach Petersburg sandte
ihr Schumann die mittlerweile gedruckten Phantasiestücke. „Erinnerung an
die Julytage 1837" lautet seine handschriftliche Widmung. Ihre Auslieferung
stieß auf unerwartete Schwierigkeiten bei der Steuerbehörde und geschah erst
auf kaiserliches Machtwort. Das Paket war vermutlich infolge des durch fran¬
zösische Zeitungen in Umlauf gesetzten Gerüchts angehalten worden, daß Miß
Laidlaw (in ihrer Eigenschaft als Pianistin der Königin von Hannover) in
einer politischen Mission nach Petersburg gereist sei, um eine Verbindung
der jungen Königin Viktoria von England mit dem Kronprinzen Georg von
Hannover zustande zu bringen. „Dem können wir, bemerkt Schumann in seiner
Zeitschrift, soweit uns die geschätzte Künstlerin bekannt, auf das bestimmteste
widersprechen." Der Vorfall findet etwas später eine scherzhafte Erwähnung
in einem Briefe Frieses an Miß Laidlaw, der hier eingeschaltet sei, da auch
aus ihm hervorgeht, wie sehr man der liebenswürdigen Künstlerin in dem
Leipziger Freundeskreise zugethan war.

Leipzig, den 24. Juli 33


Geehrtes, bestes Fräulein!

Sie haben mich unendlich durch Ihren lieben Brief erfreut; ich habe mich
stets für einen so winzigen Punkt im weiten Kreise Ihrer Bekanntschaft gerechnet,
daß ich mich längst vergessen wähnte und beinahe stolz über einen solchen Beweis
Ihres freundlichen Andenkens werden könnte. Wir haben während Ihres Auf¬
enthalts in Nußland mehrmals herzlich über die französischen Journale gelacht,
denn nach der <?^veto as I^nes ist der Kaiser von Nußland Ihnen viel zugethan,
die Königin von England zittert vor Ihnen, der Herzog von Koburg fürchtet Ihren
diplomatischen Einfluß, und wir? — wir sind dagegen von Ihrer herzigen Ein¬
fachheit überzeugt und von Ihrer künstlerischen Bescheidenheit noch heute entzückt.
Schumann spricht sehr oft von Ihnen, und ich spiele aus seinem, Ihnen dedizirten
Werke dann gern Ur. 1 „Des Abends," das mir ganz wie eine geistreiche Unter¬
haltung zwischen Ihnen Beiden vorkommt.

Ihr geehrter Bries hat bei Ihren hiesigen Freunden circulirt, und man grüßt
Sie und Ug.äaws 1s. Larcmnö von allen Seiten tausendfach; — wir aber natürlich
versichern noch insbesondre, daß wir stets unterzeichnen als


Ihreganz ergebenen
Robert und Cäcilie Friese.
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[0333] Robert Schumann und Robena Laidlaw Was die Rückkehr nach Leipzig anlangt, wonach Schumann fragt, so ist der auch von Miß Laidlaw geteilte Wunsch nicht in Erfüllung gegangen; ein Wiedersehen der beiden hat nicht stattgefunden. Ende 1837 unternahm Miß Laidlaw eine Konzertreise über Riga, Dorpat usw. nach Petersburg, wo sie, durch Empfehlungen vom preußischen Hofe ein¬ geführt, auch im engern Kreise der kaiserlichen Familie mit großer Auszeich¬ nung spielte. „Diese Familienabende waren ganz zwanglos — schreibt sie —, die Kaiserin pflegte selbst den Thee zu bereiten. Einmal forderte sie mich auf. ihr ein schottisches Lied vorzusingen. Natürlich durfte ich mich nicht sträuben, aber ich war nie ängstlicher, als in dem Augenblick." Nach Petersburg sandte ihr Schumann die mittlerweile gedruckten Phantasiestücke. „Erinnerung an die Julytage 1837" lautet seine handschriftliche Widmung. Ihre Auslieferung stieß auf unerwartete Schwierigkeiten bei der Steuerbehörde und geschah erst auf kaiserliches Machtwort. Das Paket war vermutlich infolge des durch fran¬ zösische Zeitungen in Umlauf gesetzten Gerüchts angehalten worden, daß Miß Laidlaw (in ihrer Eigenschaft als Pianistin der Königin von Hannover) in einer politischen Mission nach Petersburg gereist sei, um eine Verbindung der jungen Königin Viktoria von England mit dem Kronprinzen Georg von Hannover zustande zu bringen. „Dem können wir, bemerkt Schumann in seiner Zeitschrift, soweit uns die geschätzte Künstlerin bekannt, auf das bestimmteste widersprechen." Der Vorfall findet etwas später eine scherzhafte Erwähnung in einem Briefe Frieses an Miß Laidlaw, der hier eingeschaltet sei, da auch aus ihm hervorgeht, wie sehr man der liebenswürdigen Künstlerin in dem Leipziger Freundeskreise zugethan war. Leipzig, den 24. Juli 33 Geehrtes, bestes Fräulein! Sie haben mich unendlich durch Ihren lieben Brief erfreut; ich habe mich stets für einen so winzigen Punkt im weiten Kreise Ihrer Bekanntschaft gerechnet, daß ich mich längst vergessen wähnte und beinahe stolz über einen solchen Beweis Ihres freundlichen Andenkens werden könnte. Wir haben während Ihres Auf¬ enthalts in Nußland mehrmals herzlich über die französischen Journale gelacht, denn nach der <?^veto as I^nes ist der Kaiser von Nußland Ihnen viel zugethan, die Königin von England zittert vor Ihnen, der Herzog von Koburg fürchtet Ihren diplomatischen Einfluß, und wir? — wir sind dagegen von Ihrer herzigen Ein¬ fachheit überzeugt und von Ihrer künstlerischen Bescheidenheit noch heute entzückt. Schumann spricht sehr oft von Ihnen, und ich spiele aus seinem, Ihnen dedizirten Werke dann gern Ur. 1 „Des Abends," das mir ganz wie eine geistreiche Unter¬ haltung zwischen Ihnen Beiden vorkommt. Ihr geehrter Bries hat bei Ihren hiesigen Freunden circulirt, und man grüßt Sie und Ug.äaws 1s. Larcmnö von allen Seiten tausendfach; — wir aber natürlich versichern noch insbesondre, daß wir stets unterzeichnen als Ihreganz ergebenen Robert und Cäcilie Friese.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/333>, abgerufen am 02.07.2024.