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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Robert Schumann und Robena Laidlaw

dem Konzert ging die "Prozession" nach dem Gasthause. "Beim Essen wurde
meine Gesundheit in Champagner getrunken. Nach Tische fuhren Wagen vor
und brachten unsre Gesellschaft nach einem hübschen ländlichen Orte ^Connewitz?^,
wo wir Kaffee trauken und im Gehölz spazierten. Abends fuhr Schumann meine
Mutter und mich uach unsrer Wohnung zurück." Kurz vor ihrer Abreise ver¬
anstaltete Schumann noch einmal ein Abendessen im Hotel de Vavicsre. "Als
unsre Gesellschaft spät abends heimkehrte, bemerkte ich scherzend zu Schumann
(der mich führte), unser Gang durch die stillen Straßen käme mir wie ein
Don Jucmstreich vor. Herr Anger ging, allerlei unverständliche Lante vor
sich hinmurmelnd, hinter uns; Schumann sagte zu mir, Anger scheine mi߬
vergnügt, weil er nicht mein Begleiter geworden sei, was ich denn hin und
wieder durch freundliche Worte gut zu machen suchte."

Nach etwa vierzehntügigem Aufenthalt in Leipzig reiste Miß Laidlaw am
6-(?)Juli ab. Es waren Tage voll Sonnenschein gewesen, voll schöner und
tiefer Eindrücke, die ihrem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt blieben. Auch
den Leipziger Freunden war die Künstlerin lieb und wert geworden. Schumann
bat.sie beim Abschied, sich seiner Kompositionen etwas anzunehmen und zu¬
weilen daraus vorzuspielen. "Ich that das, wenn sich mir die Gelegenheit
bot, bemerkt Miß Laidlaw dazu. Ich bewunderte hauptsächlich die "Traumes¬
wirren" mit den originellen Hochzeitsakkorden im Mittelsalz. Die Komposition
gefiel immer sehr, wenn ich sie in Gesellschaften vortrug. Die "Grillen" waren
ebenfalls ein Lieblingsstück von mir; es muß in etwas koketter Manier ge¬
spielt werden, hauptsächlich der letzte Teil WM^Je, wie die Franzosen sagen."

Die Künstlerin reiste zunächst nach Königsberg zurück. Sie versäumte
nicht, ihrem väterlichen Freunde Berger über die Leipziger Erlebnisse zu be¬
richten. In seinem Antwortschreiben aus Naugard vom 25. Oktober heißt es
(englisch): "Ich bin sehr erfreut, hier ewige Zeilen von der Hand der lieben
Nvbenci vorzufinden, um so mehr, als ich dadurch von den großen Erfolgen
Ihres öffentlichen Auftretens höre und von den interessanten Bekanntschaften,
die Sie in Leipzig gemacht haben. So möchte ich Ihnen besonders gratuliren
zu der Bekanntschaft mit Herrn Schumann, einem sehr gewandt schreibenden
Kritiker, der in jeder Hinsicht ein Gentleman zu sein scheint. Da er sehr von
Ihrem liebenswürdigen und seinen musikalischen Talent eingenommen ist, so
wird er seinerzeit sehr nützlich sür Sie sein. -- Was meine Komposition betrifft,
die ich Ihnen widmen wollte, so muß ich erst wohler sein, ehe ich sie be¬
ginne. Inzwischen und um Ihnen gefüllig zu sein, will ich auf einige Teufe¬
leien und Saltomvrtales sinnen, um die Aufmerksamkeit des närrischen Publi¬
kums zu erregen, das jetzt nur um Wundern und Hexereien Vergnügen findet
und immer nach dem Unmöglichen schreit. Wenn ich nichtsdestoweniger einen
glücklichen Traum haben sollte, so will ich ihn sogleich für Sie formen und
senden."


Robert Schumann und Robena Laidlaw

dem Konzert ging die „Prozession" nach dem Gasthause. „Beim Essen wurde
meine Gesundheit in Champagner getrunken. Nach Tische fuhren Wagen vor
und brachten unsre Gesellschaft nach einem hübschen ländlichen Orte ^Connewitz?^,
wo wir Kaffee trauken und im Gehölz spazierten. Abends fuhr Schumann meine
Mutter und mich uach unsrer Wohnung zurück." Kurz vor ihrer Abreise ver¬
anstaltete Schumann noch einmal ein Abendessen im Hotel de Vavicsre. „Als
unsre Gesellschaft spät abends heimkehrte, bemerkte ich scherzend zu Schumann
(der mich führte), unser Gang durch die stillen Straßen käme mir wie ein
Don Jucmstreich vor. Herr Anger ging, allerlei unverständliche Lante vor
sich hinmurmelnd, hinter uns; Schumann sagte zu mir, Anger scheine mi߬
vergnügt, weil er nicht mein Begleiter geworden sei, was ich denn hin und
wieder durch freundliche Worte gut zu machen suchte."

Nach etwa vierzehntügigem Aufenthalt in Leipzig reiste Miß Laidlaw am
6-(?)Juli ab. Es waren Tage voll Sonnenschein gewesen, voll schöner und
tiefer Eindrücke, die ihrem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt blieben. Auch
den Leipziger Freunden war die Künstlerin lieb und wert geworden. Schumann
bat.sie beim Abschied, sich seiner Kompositionen etwas anzunehmen und zu¬
weilen daraus vorzuspielen. „Ich that das, wenn sich mir die Gelegenheit
bot, bemerkt Miß Laidlaw dazu. Ich bewunderte hauptsächlich die »Traumes¬
wirren« mit den originellen Hochzeitsakkorden im Mittelsalz. Die Komposition
gefiel immer sehr, wenn ich sie in Gesellschaften vortrug. Die »Grillen« waren
ebenfalls ein Lieblingsstück von mir; es muß in etwas koketter Manier ge¬
spielt werden, hauptsächlich der letzte Teil WM^Je, wie die Franzosen sagen."

Die Künstlerin reiste zunächst nach Königsberg zurück. Sie versäumte
nicht, ihrem väterlichen Freunde Berger über die Leipziger Erlebnisse zu be¬
richten. In seinem Antwortschreiben aus Naugard vom 25. Oktober heißt es
(englisch): „Ich bin sehr erfreut, hier ewige Zeilen von der Hand der lieben
Nvbenci vorzufinden, um so mehr, als ich dadurch von den großen Erfolgen
Ihres öffentlichen Auftretens höre und von den interessanten Bekanntschaften,
die Sie in Leipzig gemacht haben. So möchte ich Ihnen besonders gratuliren
zu der Bekanntschaft mit Herrn Schumann, einem sehr gewandt schreibenden
Kritiker, der in jeder Hinsicht ein Gentleman zu sein scheint. Da er sehr von
Ihrem liebenswürdigen und seinen musikalischen Talent eingenommen ist, so
wird er seinerzeit sehr nützlich sür Sie sein. — Was meine Komposition betrifft,
die ich Ihnen widmen wollte, so muß ich erst wohler sein, ehe ich sie be¬
ginne. Inzwischen und um Ihnen gefüllig zu sein, will ich auf einige Teufe¬
leien und Saltomvrtales sinnen, um die Aufmerksamkeit des närrischen Publi¬
kums zu erregen, das jetzt nur um Wundern und Hexereien Vergnügen findet
und immer nach dem Unmöglichen schreit. Wenn ich nichtsdestoweniger einen
glücklichen Traum haben sollte, so will ich ihn sogleich für Sie formen und
senden."


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[0329] Robert Schumann und Robena Laidlaw dem Konzert ging die „Prozession" nach dem Gasthause. „Beim Essen wurde meine Gesundheit in Champagner getrunken. Nach Tische fuhren Wagen vor und brachten unsre Gesellschaft nach einem hübschen ländlichen Orte ^Connewitz?^, wo wir Kaffee trauken und im Gehölz spazierten. Abends fuhr Schumann meine Mutter und mich uach unsrer Wohnung zurück." Kurz vor ihrer Abreise ver¬ anstaltete Schumann noch einmal ein Abendessen im Hotel de Vavicsre. „Als unsre Gesellschaft spät abends heimkehrte, bemerkte ich scherzend zu Schumann (der mich führte), unser Gang durch die stillen Straßen käme mir wie ein Don Jucmstreich vor. Herr Anger ging, allerlei unverständliche Lante vor sich hinmurmelnd, hinter uns; Schumann sagte zu mir, Anger scheine mi߬ vergnügt, weil er nicht mein Begleiter geworden sei, was ich denn hin und wieder durch freundliche Worte gut zu machen suchte." Nach etwa vierzehntügigem Aufenthalt in Leipzig reiste Miß Laidlaw am 6-(?)Juli ab. Es waren Tage voll Sonnenschein gewesen, voll schöner und tiefer Eindrücke, die ihrem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt blieben. Auch den Leipziger Freunden war die Künstlerin lieb und wert geworden. Schumann bat.sie beim Abschied, sich seiner Kompositionen etwas anzunehmen und zu¬ weilen daraus vorzuspielen. „Ich that das, wenn sich mir die Gelegenheit bot, bemerkt Miß Laidlaw dazu. Ich bewunderte hauptsächlich die »Traumes¬ wirren« mit den originellen Hochzeitsakkorden im Mittelsalz. Die Komposition gefiel immer sehr, wenn ich sie in Gesellschaften vortrug. Die »Grillen« waren ebenfalls ein Lieblingsstück von mir; es muß in etwas koketter Manier ge¬ spielt werden, hauptsächlich der letzte Teil WM^Je, wie die Franzosen sagen." Die Künstlerin reiste zunächst nach Königsberg zurück. Sie versäumte nicht, ihrem väterlichen Freunde Berger über die Leipziger Erlebnisse zu be¬ richten. In seinem Antwortschreiben aus Naugard vom 25. Oktober heißt es (englisch): „Ich bin sehr erfreut, hier ewige Zeilen von der Hand der lieben Nvbenci vorzufinden, um so mehr, als ich dadurch von den großen Erfolgen Ihres öffentlichen Auftretens höre und von den interessanten Bekanntschaften, die Sie in Leipzig gemacht haben. So möchte ich Ihnen besonders gratuliren zu der Bekanntschaft mit Herrn Schumann, einem sehr gewandt schreibenden Kritiker, der in jeder Hinsicht ein Gentleman zu sein scheint. Da er sehr von Ihrem liebenswürdigen und seinen musikalischen Talent eingenommen ist, so wird er seinerzeit sehr nützlich sür Sie sein. — Was meine Komposition betrifft, die ich Ihnen widmen wollte, so muß ich erst wohler sein, ehe ich sie be¬ ginne. Inzwischen und um Ihnen gefüllig zu sein, will ich auf einige Teufe¬ leien und Saltomvrtales sinnen, um die Aufmerksamkeit des närrischen Publi¬ kums zu erregen, das jetzt nur um Wundern und Hexereien Vergnügen findet und immer nach dem Unmöglichen schreit. Wenn ich nichtsdestoweniger einen glücklichen Traum haben sollte, so will ich ihn sogleich für Sie formen und senden."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/329>, abgerufen am 24.07.2024.